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Volltext: Monatszeitschrift VIII (1905 / Heft 2)

 
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Vergegenwärtigen wir uns hiezu die 
historischen Momente jener Zeit. Am 
6. juli r547, also zweieinhalb Monate 
nach der für die Reformierten so un- 
glücklichen Schlacht bei Mühlberg, 
hatte Nürnberg den wenig erwünschten 
Besuch des Siegers. Neue Einquar- 
tierungen und damit neue Lasten für 
die Stadt, neues Weh für die Bevöl- 
kerung standen in Aussicht und hatten 
sich in trauriger Weise erfüllt. Alle 
Schichten des Volkes atmeten daher 
auf, als der Kaiser nach zwölftägigem 
Aufenthalt wieder mit seinen Kriegs- 
völkern und zahlreichen Fürsten die 
Stadt verließ. Im September desselben 
Jahres fällt der Reichstag zu Augs- 
burg und im Mai des folgenden das 
Tonrnodel aus der l-Iafnerwerkstätte des Paul berüChliigte Interim: mit welchem so 
Preuninzin Nüräielvsßifgrfillielrg?! (im 3'511" ziemlich alle bisherigen Errungen- 
schaften der lutherischen Reformation 
beseitigt werden sollten. Dieser kaiserliche Schritt, die evangelische Lehre 
vollkommen zu unterdrücken, rief in Nürnberg die größte Aufregung hervor. 
Genau in diese Zeit fällt die Anfertigung der Krüge mit den Bildnissen 
des Kaisers und des Kurfürsten in der Hafnerwerkstätte des Paul Preuning. 
Und wie innig im reformatorischen Sinne ist die Gegenüberstellung der 
beiden Brustbilder gedacht, durch die Wahl der für die Glasuren verwendeten 
Farben der Kontrast noch erhöht! Der kalte bleiche Spanier, tief in Schwarz 
gekleidet und neben ihm der beste deutsche Fürst, barhaupt, in hellblauem 
Wams, ohne Wehr und Waffen. Die linke Wange des Kurfürsten zeigt 
die deutlich sichtbare Narbe der ihm in der Schlacht bei Mühlberg mit 
einem Schwerthieb beigebrachten Wunde. In solcher Ausstattung der 
Gefäße liegt etwas mehr als wir bei den sonstigen Erzeugnissen damaliger 
Hafner antreffen können. Hier spiegelt sich das ganze Fühlen und Denken 
der großen Masse des deutschen Volkes, sein nationales und sein Glaubens- 
bekenntnis, auf den Schöpfungen eines Handwerkers wieder. Mit seinen 
Gefäßen, die sich die Nürnberger zum täglichen Gebrauche auf den Tisch 
hinstellen mögen, eifert er für ihre und seine Gesinnung und ermahnt sie mit 
dem Vergleiche: „Siehe den Katholiken und siehe den eigentlichen Christen" 
zur Gegenwehr. Wollen wir aber nicht die religiöse Überzeugung als aus- 
schließlich leitendes Motiv für die eigentümliche Darstellung der beiden 
Gegner gelten lassen, so werden wir doch immerhin zugeben müssen, daß die 
Fähigkeiten und der Charakter des T öpfers auch dann nicht herabgesetzt 
erscheinen, wenn er damit in erster Linie spekulative Zwecke verfolgte.
	        
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