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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIV (1969 / Heft 105)

u. 
leider sehr stark abgezogenen und schlecht 
restaurierten Truhe Weisen auf diese Zeit 
hin. Ihre Wirkung beruht schon ganz auf 
der farblichen Kontrastwirkung des ein- 
gelegten und furnierten Holzes. Außer den 
beiden heraldischen Lilien in den Mittel- 
feldern sieht man auf den beiden anderen 
je einen Delphin angebracht. Der, wenn 
nicht stilbedingtes Motiv, vielleicht auf 
eine ImholFsehe Verwandtschaft hinweist. 
Bei Abb.1 wird das reiche Maßwerk am 
Truhenkörper von feiner Einlegearbeit um- 
rahmt. Die Vielfalt der Muster und deren 
Kompliziertheit hebt sie Weit über das 
übliche Niveau der mit Flachschnitt ge- 
zierten Stücke hinaus. Die in der Technik 
der Blockintarsia ausgeführten Rahmungs- 
leisten gehen auf italienische Vorbilder zu- 
rück und bringen die Truhe mit dem be- 
rühmten Tamsweger Sakristeischrank in 
Verbindung, der von seinem Erzeuger, 
Peter Statnpfer (Pistator) aus Tarnsweg, 
auch mit dern Jahr der Fertigstellung 1455 
3 Zweigesclwssigei Schrank mit durchbrnthcnevi Maßwerk- 
(ullun "n und Blnckmmrsia. Um 1490 blS um 1500. 
H. 27a CYH, u. 190 cm. T. es CKIL Elltnlal! im um; des 
Grafen wimprrm, Schloß Kniuberg bei Graz, Steiermark. 
Sammlung Ludwig, Aachen 
(neue Lesart 1) versehen wurde. Nach 
Wlalcher-Molthcinl ist dieser Sakristei- 
Schrank das früheste Beispiel von Einlege- 
arbeit auf deutschem Boden. Er nimmt eine 
Verbreitung dieser feinen Intarsiaarbeit von 
Tamsweg über das Pustertal nach Brixen 
an. Ebenso kann man aber eine Ausdehnung 
nach der Landeshauptstadt Salzburg an- 
nehmen. Auch die beiden Wimpffen- 
Schränke, die ehemals in Schloß Kainberg 
bei Graz standen, zeigen neben reichern 
Vaßwerk solche Intarsialeisten. Einer steht 
jetzt in Schloß Seebarn, der andere wurde 
1960 bei VUeinmüller versteigert und kam 
nach Aachen in die Sammlung Ludwig. 
Diese Blockintarsia wurde folgendermaßen 
hergestellt: Vieleckige Leistcnstäbe aus 
verschiedenfarbigetn Holz wurden zusam- 
mengeleimt und gezwungen. Die Enden 
dieser gebündelten Stäbe ergaben ein geo_ 
metrisches Muster - den Block; auf ita- 
lienisch „toppo". Das Leistenbündel wurde 
quer in dünne Scheiben geschnitten und 
diese auf das Möbel nebeneinander auf- 
geleimt 3. Diese Technik wurde haupt- 
sächlich in den Niederlassungen der Kar- 
thäusermönche im Raum von Oberitalien 
ausgeübt. 
Wenn auch diese einheimische gotische 
Einlegearbeit auf die sogenannte „Certo- 
sina-Arheit" aus dem Trecento zurückgeht, 
zeigen sich doch Unterschiede von ihr. Bei 
der „Certosina-Arbeit" wurden nicht nur 
verschiedene Arten Holz verwendet, son- 
dern auch Bein, Perlmutter und anderes 
Material in das Holz eingelegt. Davon 
machte man nördlich der Alpen keinen 
Gebrauch. Der Wesentliche Unterschied ist 
aber, daß man bei den italienischen Vor- 
läufern fast immer ein Nebeneinander der 
einzelnen Motive 7 wie Kreuze und Sterne 
usw. 7 sieht. An den einheimischen Stücken 
ist aber stets ein fortlaufendes Muster zu 
beobachten, das oft sogar stark ineinander 
verdochten ist, wie jenes am unteren Rand 
des Truhenkörpers von Abb. 1. Dies steht 
mit der im ganzen Raum nördlich der Alpen 
eingewurzelten Vorliebe für geflochtene, 
fortlaufende Musterin Beziehung. Die sicher 
von Italien ausgehende Neuerung, Möbel 
mit Holzmosaik zu schmücken, wurde vom 
eigenen Forrnsinn abgewandelt und zu über- 
kommenen, nördlichen Formen verändert. 
Im Sockelfuß dieser Truhe Abh.l ist ein 
kirchenfensterartiges Motiv mit Nonnen- 
schluß sechsmal nebeneinander gesetzt. 
Darüber liegt ein den Sockel nach oben 
abschließendes gürtelartiges Band. Es zeigt 
eine in Maßwerk herausgearbeitete Wellen- 
linie, die fünf Kreise und zwei Halbkreise 
verbindet, die mit typisch gotischen For- 
men ausgefüllt sind. 
All dies gilt auch für die nur zweifeldige, 
aber fast gleiche Truhe im Salzburger 
Museum Carolino Augusteum (Abb. 3). 
Diesen beiden Sockeltruhen ist noch eine 
fast identische (Abb. 4) im selben Museum 
anzufügen. Ihre Intarsia ist größtenteils die 
gleiche. Sie ist wieder vierfeldig wie jene 
im Kloster Nonnberg, aber ihr Sockelfries 
ist viel schmäler und mit zarterem, fort- 
laufendem Fischblasenmuster beschnitzt. 
Der Sockelfuß trägt nur zwei nebeneinan- 
derstehende kirchenfensterartige Spitz- 
bögen. Eine voneinander verschiedene An- 
zahl Spitzbögen im Sockelfuß ist an allen 
diesen Stücken festzustellen. Der Übergang 
vom Sockelfuß zum friesgeschmückten 
Sockelgürtel wird in Form eines Zwickels 
betont. Bei der Truhe Abb. 4 wird er mehr 
in Blattform gestaltet, während er auf der 
Nonnberger runder ist und durch eine 
Sternblume im Kreis ausgefüllt wird. Ge- 
rade dieser Zwickel findet sich aber auch 
auf dem WimpHen-Kasten (Abb. 5)! Er 
wird von Otto von Falke4 als „steier- 
märkisch" bezeichnet, eine Lokalisierung, 
die auch Kreisel - allerdings mit einem 
Fragezeichen versehen 7, beibehält. Aber 
nicht nur der Zwickel - auch der Sockel- 
fuß und der Fries gleichen einander. 
Somit ist die sichere Beheimatung der jetzt 
noch in Salzburg stehenden Stücke von 
wesentlicher Bedeutung. - Die Herkunft 
der beiden gotischen Truhen, die sich im 
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