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Volltext: Die Zündwaaren und Explosivstoffe (Gruppe III, Section 5), officieller Ausstellungs-Bericht

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Dr. Wilhelm Friedrich Gintl. 
patronen für gröfsere Dynamitladungen beftimmt find, und fie liefert endlich auch 
die für die Zündung der einzelnen Dynamitforten erforderlichen flarken Knall- 
und Ziindkapfeln, welche im Allgemeinen für Dynamit Nr. i und die leichteren 
Dynamitforten Nr. 2 und 3 :0'i bis 0-4 Gramm, für gefrorenes Dynamit dagegen 
i Gramm und darüber an Knallqueckfilber-Satz zu enthalten pflegen. 
Die Betriebsweife der Nobel’fchen Fabriken ift hinfichtlich der Nitro- 
glycerin-Fabrication im Principe noch die von Nobel urfprünglich in Anwen 
dung gebrachte. 
Die Nitrirung des Glycerins wird in einem aus Bleiblech hergeftellten, 
entfprechend verftärkten Mifchungscylinder vorgenommen, der die Herftellung 
von mehreren Gentnern Nitroglycerin in einer Operation geftattet. In diefem 
Cylinder find zwei eng gewundene Kühlfchlangen aus Bleirohr eingefetzt, welche 
während jeder Operation unausgefetzt von Eiswal'fer durchftrömt werden, das 
aus einem höher gelegenen koloffalen Baffm eintretend, mit fo bedeutendem 
Gefälle abfliefst, dafs für den Fall des Leckens eines diefer Schlangenrohre ein 
Austritt von Waffer in das Säure- und Glyceringemifche nicht zu beforgen ift.* 
Eine mittelft einer Seiltransmiffion betriebene Rührvorrichtung beforgt die 
Mifchung des in dem Cylinder aufgefüllten Säuregemifches (Salpeter-Schwefei- 
fäure) mit dem allmälig zufliefsenden Glycerin, während an verfchiedene Stellen 
eingefetzte Thermometer die jeweilig herrfchende Temperatur zu beobachten 
geftatten. Am Boden des Mifchcylinders ift ein leicht zu öffnender Ablasshahn 
von fo grofsem Lumen eingefetzt, dafs für den Fall einer nicht zu bewältigenden 
Temperaturfteigerung ein faft momentanes Ablaffen der Mifchung in ein in nach 
fter Nähe aufgeftelltes, ftets mit Waffer gefülltes grofses Baffin möglich ift. Jede 
einzelne Operation, welche mehrere Centner Nitroglycerin liefert, nimmt eine 
Zeit von 3 / 4 bis i'/ 2 Stunden in Anfpruch. Die Temperatur wird fo geregelt, dafs 
fie die Höhe von 18 Grad Celfius nicht überfchreitet und ift für die Controle des 
regelrechten Ganges der Operation ftets ein. erfahrener Chemiker zugegen. 
Nach vollendeter Operation wird die Mifchung diredt in ein grofses mit 
Waffer (im Winter angewärmt) gefülltes Gefäfs abgelaffen, wo fleh das Nitro 
glycerin von dem verdünnten Säuregemifche fcheidet und von hier aus wird 
nach erfolgter Abfcheidung das rohe Sprengöl behufs vollkommener Entfäuerung 
in ein nach Art eines Butterfaffes conftruirtes Gefäfs gebracht, worin es mit Soda- 
löfung behandelt und endlich forgfältig gewafchen wird. Das gewafchene und 
von Waffer endlich völlig befreite Nitroglycerin wird fchliefslich durch Flanell 
filtrirt, um fofort weiter auf Dynamit verarbeitet zu werden, was durch Milchen des 
vorher vollkommen getrockneten und von gröberen Unreinigkeiten forgfältig 
befreiten Kiefelguhr (oder den geeigneten Mifchungen) mittelft Handarbeit 
gefchieht. 
Alle einzelnen Operationen, das ift Nitrirung, Scheidung, Wafchung, 
Filtration und Verarbeitung auf Dynamit, werden in gehinderten leichten Holz 
bauten ausgeführt, die für den Fall einer Explofion durch ftarke Erdwälle von 
einander gefchützt und übrigens fo angelegt find , dafs zur Vermittlung der 
Beförderung des Nitroglycerins aus einem Arbeitsraum in den nächften das natür 
liche Gefälle benutzt werden kann, fomit ein Umfüllen und Hin- und Hertragen 
des Sprengöles vermieden ift. 
Auch die Herftellung der Dynamitpatronen wird in einzelnen, von ein 
ander durch ftarke Erdwälle getrennten Holzhütten vollführt, in welchen je zwei 
bis höchftens vier Perfonen befchäftigt find, denen ftets nur geringe Quantitäten 
von Dynamit übergeben und die fertigen Patronen in kurzen Zeitintervallen von 
einem Vormeifter abgenommen werden. Die Füllung der Patronen gefchieht 
* Es ilt diefe Vorficht infoferne von groser Bedeutung, als bei dem Contatfte des con- 
centrirten Säuregemifches mit Waffer, wo diefes nicht in Maffe vorhanden ift, unfehlbar eine 
bedeutende Erhitzung der Mifchung und a!fo eine Explofion des fchon gebildeten Nitroglycerins 
eintreten würde. 
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Die Zündwaaren und Explofivfloffe. 29 mittelft Handmafchinen, welche nach Art der Cigarrettenftopfer conftruirt und fo eingerichtet find, dafs die in Meffinghülfen gehenden Holzpiftons, welche die in einem am Obertheile derMeffinghülfe beteiligten Lederbeutel aufgefüllte Dynamit- maffe bei jedesmaligem Niedergange durch die Meffmghülfe hindurch in die unter- gehaitene Pergament-Papierhülfe einzudrücken beftimmt find, mittelft einer gegen den Führungshebel drückenden kräftigen Feder, ein ftarkes Herabftofsen nicht zulaffen, wodurch der Gefahr einer Explofion durch Unvorfichtigkeit der Arbeiter vorgebeugt wird. Für die kältere Jahreszeit find die einzelnen Arbeitsräume mit gehinderten Warmwaffer-Heizungen verfehen. Diefe Einrichtung der Nobel’fchen Fabriken hat fich feitber, kleinere durch hochgradige Unvorfichtigkeit der Arbeiter verfchuldete Unglücksfälle abgerechnet, trefflich bewährt und es fpricht wohl für die Zweckmäfsigkeit derfelben am meiden die Thatfache , dafs feit den zwei Jahren ihrer voll- ftändigen Durchführung bei einer Erzeugung von etwa 25.000 Centner Dynamit, inclufive der Fabrication von mehr als zwanzig Millionen Patronen, fich nur ein Unglücksfall in einer Patronenhütte ereignete , welcher nachweislich durch eine grofse Leichtfertigkeit des einen der hiebei verunglückten beiden Arbeiter verfchuldet war. Speciell bezüglich der Fabrication des Nitroglycerins dürfte die Nobel’fche Methode der Maffenprodudtion nicht anzufechten fein. Sie liefert offenbar ein gleichmäfsigeres Produdt als das bei Anwendung des übrigens fehr fmnreichen Rudberg’fchen Apparates oder der Methode möglich ift, welche G. M. Mowbray in den der Erzeugung des Sprengöl-Bedarfes für die Arbeiten am Hoofactunnel dienenden Nitroglycerin-Works bei Maffachufetts eingeführt hat. Mowbray’s Methode, welche in Wefenheit darin befteht, dafs bei ihr die Nitrirung des Glycerins in einzelnen kleineren Gefäfsen, alfo gewiffermafsen im Kleinen vorge nommen und durch die Ausführung vieler folcher Kleinoperationen zu gleicher Zeit der Bedarf gedeckt wird, dürfte, wenn mit der Arbeit der Nitroglycerin- Bereitung überhaupt eine Explofionsgefahr verbunden ift, was nicht bezweifelt werden foll, kaum den Vorzug verdienen. Denn es ift klar, dafs die Beauffichtigung des Proceffes in 100 und mehr einzelnen Gefäfsen eine unbedingt viel fchwierigere und das rechtzeitige Eingreifen für den Fall einer Störung des regelmäfsigen Ganges weniger leicht ift, als das bei einem, wenn auch in gröfserem Mafsftabe fich vollziehenden Einzelproceffe möglich ift, und es wird alfo mit der Anzahl der gleichzeitig in Verwendung flehenden Gefäfse, die zudem neben einander aufgeftellt find, in denen fich eben fo oft der Procefs vollzieht, auch die ^ahi- fcheinlicjikeit der Explofion eine gröfsere werden, die, wenn fie eintritt, trotz der jedesmal nur geringen Menge an Nitroglycerin, die in einem Gefäfse fich findet, um nichts weniger gefährlich wäre, als fie es bei dem Verfahren von Nobel weiden könnte. Ebenfowenig dürfte auch dem neuefter Zeit (1871) von P. Champion empfohlenen Apparate für die Darftellung vonNitroglycerin (ein um eine horizon tale Axe drehbarer Recipient als Mifchgefäfs) einen befonderen Werth haben, und möchte bei diefem fchon das Erfordernifs eines Bewegungsmechanismus, bei dem Metallcontadle und alfo Explofionsgefahren in Folge der Reibung des fich an allen Apparattheilen fehr leicht hinziehenden Nitroglycerins, fchwer zu vermeiden fein dürften, nicht ganz unbedenklich erfcheinen. So dürfte die Nobel’fche Fabricationsmethode fich wohl auch weiterhin erhalten und es bliebe höchftens zu erwägen, ob nicht etwa durch Einführung einer Rührung mit comprimirter und gekühlter Luft, die durch theilweife Expanfion einer weiteren erheblichen Temperaturerniedrigung fähig ift, eine Rühimethode, wie fie Mowbray bei feinen Kleinoperationen in Anwendung gebrach hat, nicht auch mit gutem Erfolge bei der mit gröfserer Malle ausgeführten Nitrirungsmethode Nobel’s zu verwerthen wäre. Eines nicht unwichtigen Fortfehrittes mag hier noch gedacht werden, welcher in den Nobel’fchen Fabriken Dank den Bemühungen I. Trauzl’s in der neueften Zeit zur Durchführung gelangt ift. Es ift diefs die
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