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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIV (1969 / Heft 105)

wird, leitet sich wohl durch die hohen 
Einkünfte ab, die diese Apotheke abwarf. 
Dadurch wurde der Hausrat vor wechsel- 
vollen Schicksalen bewahrt. (Als im Jahr 
1951 der letzte Namensträger Petter starb, 
befand sich in seinem Nachlaß noch eine 
große Anzahl sehr früher Wohnungs- und 
Apothekeneinrichtungsgegenstände.) 
Eine artglciche Truhe mit heraldischen 
Lilien beHndet sich im „Germanischen 
Nationalmuseum" in Nürnberg (Abb. 6): 
bei ihr ist die Gürtelzone des Sockels mit 
drei Schubladen ausgestattet. Die Muster 
des Maßwerks sind gleich; teilweise nur in 
ihrer Wechselfolge ausgetauscht. 
Eine Sockeltruhe ähnlicher Art ist im Auk- 
tionskatalog der Sammlung Dr. Alb. Figdor 
(1930) im II. Band, Nummer 525, angeführt. 
Diese maßwerkverzierte Truhe zeigt an 
ihrer Front keine Lilien, aber im dazu- 
gehörenden Tcxt werden sie dennoch er- 
wähnt; denn bei ihr sind sie an den Seiten- 
Hächen angebracht. Merkwürdigerweise ist 
dieses Stück auch an der Rückwand ver- 
ziert. Und zwar durch zwei Kreise mit 
Fischblasenornarnent, wie sie die anderen 
Truhen auf dem Sockelfries tragen. Im 
Aukrionskatalog ist diese Truhe mit: „Salz- 
burg" überschrieben. Wahrscheinlich ein- 
gedenk ihres Erwerbs in dieser Stadt. Als 
Zeitangabe steht: „Um 1500". Was wohl 
für alle diese Truhen gilt. Im selben Kata- 
log Abb. 543 ist eine Schwester der Nonn- 
berger Truhe abgebildet. Ihr Sockel ist 
offenbar vcrlorengegangen. Sonst gleicht 
sie ihr bis ins Detail. Nur die Reihenfolge 
der Muster in den Kreisen ist ausgewech- 
selt. Dieses Stück ist mit „Ober-Italien oder 
Südalpcn" überschrieben, Zeitangabe: 
15. Jahrhundert. 
Auch der bei Falke auf Seite 121 abge- 
bildete gotische Schrank aus Schloß Ach- 
leiten in Oberösterreich trägt im linken, 
obersten Feld solch eine Lilie. Seine For- 
men sind die der auslaufenden Gotik. Er 
wird daher schon als Renaissanceschrank 
bezeichnet und trägt den Sammelbegriff 
„Österreichische Alpen", 16. Jahrhundert. 
Zur Unterstützung der Annahme, daß die 
„Lilicntruhenll Salzburg zugeordnet wer- 
den können, mögen noch zwei halbhohe, 
gotische Paramentenschränke angeführt 
werden. Sie tragen keine Lilien an sich, 
sind aber gleichfalls mit reichem Maßwerk 
überzogen; ohne dazwischenliegende Glatt- 
flächen. Auch sie zeigen eingelegte Rah- 
mungsleistcn. Ihre salzburgische Herkunft 
dürfte außer Zweifel sein. Verwirrend ist 
nur, daß sich ein drittes Stück dieser Art 
auf der Wartburg befindet5. 
Wieder ist es das Kloster Nonnberg, in dem 
der eine Paramentenschrank aufbewahrt 
ist. Er hat leider einen ergänzten Sockel, 
der gänzlich mißraten 7 aber durch die 
darauf angebrachte Jahreszahl 1883 gekenn- 
zeichnet ist (Abb. 8). 
Bevor auf dic Verwandtschaft der Stücke 
näher eingegangen wird, sei noch die Her- 
kunft des zweiten Paramentenschrankes 
angeführt (Abb. 9). In den siebziger Jahren 
des vorigen Jahrhunderts wurde er von 
Baron Löwenstern - einem der frühen 
30 
„Antiquitätensammlef von Rang - (er 
lebte in Oberalm bei Hallein), bei einem Berg- 
bauern ober St. Johann im Pongau (Land 
Salzburg) entdeckt und erworben. Schon 
im Jahr 1920 und in den späteren Jahr- 
zehnten hörte die Verfasserin des öfteren 
die Geschichte des Erwerbs von der Toch- 
ter des Sammlers. Denn die Entdeckung 
dieses reichen, gotischen Möbels in einem 
ärmlichen Bauernhaus auf einer dunklen 
Tenne war für ihn ein Erlebnis gewesen. 
Angefüllt init Hafersäcken, war sie eben zu 
einem ländlichen Vorratsrnöbel geworden. 
Ihr ursprünglicher Standort war sicher in 
einer der umliegenden Sakristeien gewesen. 
Möglicherweise auf Schloß Schernberg oder 
Goldegg im Pongau, wo sie durch den 
Gcschmackswechsel nachfolgender Stile ab- 
gestoßen wurde. Eine Herkunft aus größe- 
rer Entfernung ist bei der Lage am Berg - 
in den siebziger Jahren des vorigen Jahr- 
hunderts - nicht wahrscheinlich. lht jetzi- 
ger Standort ist in Württemberg, wo sie 
vor zehn Jahren durch Erbwege hinkam. 
In allen drei Fällen sind es truhenartige 
Pararnentenschränke, die sich zweitürig 
öffnen. Möglicherweise sind es die ver- 
bliebenen Unterteile von ehemals zwei- 
geschossigen Kästen. Wahrscheinlicher ist, 
daß sie kein Oberteil hatten. Bei allen dreien 
ist die Einteilung gleich, und zwar in eine 
obere und untere Reihe von vier fast 
quadratischen Feldern, die seitlich durch 
hochrechteckige abgeschlossen werden. Der 
Sockel des Wartburger Exemplars gleicht 
vollkommen den Sockeln der „Lilien"- 
Truhen mitsamt den abgerundeten Ver- 
bindungszwickeln. Die St. Johanner Truhe 
zeigt wohl auch den mit Spitzbögen ge- 
zierten Sockelfuß, doch fehlt ihr der Sockel- 
fries, der vielleicht verlorenging, so daß 
man ihn durch einfache Leistenstege er- 
setzte. (Der Verfasserin war eine genaue 
Untersuchung nicht möglich.) Am „Nonn- 
berger" Schrank (er erhielt, wie erwähnt, 
einen neuen Sockel) sieht man in der unte- 
ren Felderreihe unter den mit Maßwerk 
gefüllten Kreisen einen Fries. F.r besteht 
aus vier kleinen Quadraten. In jedem sitzt 
eine formgleiche Kreuzblume. Dieser Fries 
wiederholt sich an dem Wartburger Schrank 
in den zwei linken unteren Feldern und so 
auch in den zwei rechten oberen. Das Maß- 
werk in den hochrechteckigen Vertiefungen 
ist kaum variiert. Dagegen wirkt das 
St. Johanner Stück durch das durchgehende 
Kirchenfenstermotiv strenger und sakra- 
ler. 
Eine nahe Verwandtschaft all dieser Möbel 
ist gegeben. Darum wurde der Versuch 
unternommen, alle in Richtung Salzburg 
zu sammeln. Ihre hohe künstlerische Quali- 
tät entspricht durchaus dem Rang Salz- 
burgs als geistliche Metropole nördlich der 
Alpen. 
Als Entstehungszeit kämen für die Lilien- 
truhen die Jahre um 1490 bis um 1500 in 
Betracht, während die Paramentenschränke 
etwas früher, jedoch nicht in die Mitte, 
sondern in die fortgeschrittene zweite 
Hälfte des 15. Jahrhunderts zu datieren 
wären. 
ANMERKUNG 5 
5 Falke, n. a. 0., 5.118.
	        
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