Zwei eigenartige weiße Porzellanhguren
(Abb. 1), um deren Zuschreibung es hier
gehen soll, veranlassen uns, den eigent-
lichen Ursprung der Porzellaniigur als einer
europäischen Kunstform erneut zu unter-
suchen.
Als diese zwei Figuren bei einer Auktion
in Amsterdam im Jahre 1965 1 auftauchten,
erregten sie bcgreifliche Verwirrung. Sie
waren im Auktionskatalog abgebildet und
als „Englisch, 18.]ahrhundert" beschrie-
ben, obwohl sie aus Hartporzellan bestan-
den. Im November 1965 wurden beide
Figuren als ein Posten bei einer Auktion in
London ausgeboten 1. Hier waren sie weder
abgebildet noch näher bestimmt, jedoch
hätte die ungewöhnliche Beschreibung des
Auktionators eigentlich mehr Interesse er-
wecken müssen, als tatsächlich der Fall
war: „Für diese Figuren konnte keine be-
friedigende Zuschreibung an eine be-
stimmte Manufaktur angegeben werden",
schrieb der Verfasser des Katalogs, „doch
handelt es sich dabei olfensichtlich um pri-
mitive und frühe Arbeiten." Trotz dieses
Hinweises erzielten die geheimnisvollen
Figuren nur einen mäßigen Preis und kamen
bald darauf in den Besitz der Firma David
Drey, die eine der Figuren an das Ehepaar
Blofeld verkaufte, während die zweite vom
Victoria 8c Albert Museum erworben wurde
und in einer Ausstellung der Neuerwerbun-
gen des Museums im Sommer 1967 als
„Deutsch, 18. jahrhundert" aufschien.
Auf den ersten Blick könnte man die
Figuren irrtümlich wohl als ostasiatisches
Porzellan ansprechen. Ihre Hersteller hätten
sich durch einen solchen Irrtum wahr-
scheinlich geschmeichelt gefühlt. Weiße
Porzellanfiguren wurden in Te Hua in der
chinesischen Provinz Fukien schon früh-
zeitig, mindestens gegen Ende der Ming-
Dynastie, hergestellt, und zu Anfang des
18. Jahrhunderts wurden sie bereits in
großen Mengen für einen europäischen
Kundenkreis produziert, der mehr Wert
auf Eigenart als auf Qualität legte.
In Europa wurden diese Blanc-de-Chine-
Figuren häufig zusammen mit ostasiatischen
Vasen in Nischen oder auf Konsolen von
„Porzellanzimmern" aufgestellt. König
August der Starke von Sachsen und Polen
beabsichtigte zweifellos, die große Anzahl
rXNVXll-JkKLJNu zN ".1 Z
xmmlx xunllrxullnlul 1m [Sulluuvu m viFlÜ 1.x Allwcn
. uxulnnmklulvrl 11::.:-:x'u1.1 N, 4
Kumlvczlluuclx w um um w A). ("Juloguu m. w.
ÄJIHMX} wa lkuu-u 11+ um! 114-! Kiufux xunn
Nlüxxl wmn. IHHÄUIY. runk guhuhrr m. A. L dru
um" um w." Rllkxvnuxrmll. rhnxreudxln. nwe m. H
XYluu. um 171i Link; FILQUI H. Wüim. Lulluuxuu
Uluflkklwl. xmhrv Flgm P{y MLVun. Xithum 8x Alburl
ÄHINUHHI H 1-) Wim)
"an m Funu rm . . .
wumnun; m hm h: m m: ucnig HnlY-
fvuhu '11 llcnlwvx du Sun zu cluitxvn.
. Suthrln N ("n nlWK IQIL. f, 71:.
um gßlvuhrl Mm K. zu darum
lLwxÄu-lllc. NUXUU Mr. mmß 1. . de! vcnuthre. KllU
(nnhlklllr m. Nlmk: nur d" Lundmlcr Auktion w
wkxxnwlxxllvlvn.
von Fukien-Figuren, die er erworben harre
und von denen sich heute noch viele in
der Dresdner Sammlung befinden, für einen
ähnlichen Zweck zu verwenden (Abb. 2).
Johann Friedrich Böttger war es zum
erstenmal in Europa gelungen, Porzellan
herzustellen, das dem chinesischen Porzellan
ähnelte. Die Meißener Manufaktur wurde
von König August im Jahre 1710 ge-
gründet, um diese Erfindung auszuwerten.
Es überrascht daher wohl kaum, daß in
dem königlichen Patent, das bei dieser
Gelegenheit erlassen wurde, die Herstellung
von Porzcllanüguren vorgesehen war und
daß einige der frühesten davon Kopien von
Fukien-Figuren aus der königlichen Samm-
lung waren. Bci einem Objekt (Abb. 3)
scheint es sich tatsächlich um den Abguß
von einer Figur Kuan Yins 7 in der Art
wie die Figur in Abb. 2 -- zu handeln.
Meißencr Figuren der Kuan Yin und des
Lao Tse haben mit den beiden weißen
Figuren, denen unser Artikel gewidmet
ist, vieles gemeinsam. In Größe, Einfach-
heit der Modellierung, dem Fehlen jeglicher
Bemalung und vor allem dem Aussehen von
Porzellanmasse und Glasur sind diese bei-
den bis jetzt nieht bestimmten Figuren den
frühen Meißener Kopien von Fukien-
Figuren ähnlicher als irgendeinem anderen
europäischen Porzellan. Auch neigt das
Material dieser beiden Figuren zur Bildung
beängstigende: vertikaler, von der Basis
aufsteigender Brandrisse - eine Tendenz,
die gleichfalls an vielen frühen Meißener
Figuren wahrnehmbar ist. Die Glasur der
beiden Figuren hat einen leicht grünlichen
Ton, wie er auch häufig an Meißener Kuan-
Yin-Figuren zu beobachten ist; diese ent-
hält viclc kleine Blasen und bildet an man-
chcn Stellen Verdickungen, während andere
frei von Glasurmasse bleiben. Im Hinblick
31