Aus dem bisher Gesagten geht hervor, daß
die beiden Figuren zu einer ungewöhn-
lichen Kategorie von Figuren dcs 18. Jahr-
hunderts gehören. Sie vereinen in sich tech-
nische Unbeholfenheit und künstlerische
Fertigkeit in einer Weise, die Vertrauen in
ihre Echtheit erweckt. Angenommen, daß
es sich nicht um Meißener Figuren handelt,
obwohl Masse und Glasur an die Arbeiten
aus der Frühzeit dieser Potzellanmanufak-
tur erinnern, denkt man sofort an die
beiden zeitlich nächsten europäischen Ma-
nufakturen, die Hartporzellan hcrstellten,
nämlich Du Paquier in Wien und Vczzi in
Venedig.
Im frühen 18. Jahrhundert wurden die Ge-
heimnisse der Hartporzellanherstellung ges
nauso ängstlich gehütet wie industrielle
Produktionsgeheimnisse in unseren Tagen
- und ebenso erfolglos.
Die ersten wichtigen Informationen über
Meißener Produktionsmethoden gelangten
schon 1717 in fremde Hände. Ein gewisser
Christoph Konrad Hunger, ein Emailleur
aus Dresden, der beim Zechen mit Böttger
viel erfahren hatte, ging nach Wien, um
dort gemeinsam mit einem Unternehmer
namens Claudius Innocentius Du Paquier
eine Porzellanmanufaktur zu gründen. An!
fang 1718 verließ auch Böttgcrs Halb-
bruder, just Friedrich Tiemann, Meißen
und brachte Risse der Meißener Öfen nach
Wien. Ihm folgte 1719 Samuel Stölzel, der
der Brandspezialist der Meißener Manu-
faktur gewesen war.
Schwierigkeiten hatte man jedoch mit der
Beschaffung von Porzellanerde. Sie war in
den Österreichischen Erbländcm vorhana
den, mußte jedoch anfangs aus Aue im
sächsischen Erzgebirge eigens nach Wien
gebracht werden. Stölzel kehrte Anfang
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Kuan Yin aus T6 Hua, um 1700. H. 36 em. Von den
Staatlichen Kunstsammlungen Dresden als Dupllkit im
Jahr 1926 verkauft. Derzeitiger Standort unbekannt
Kuan Yin. Meißen, um 1710i1715. H. 36,5 cm. Nach
dem chinesischen Original (Abb. 2) kopiert DdCf viel-
leicht nachgcgossen. Staatliche Kunstsammlungen
Dresden, Forzellansammlnng
Schauspieler (z), japanisch. Arila. spätes 17. hhrhillidert.
H. 31,8 cm. Vicloria 54 Albert Museum, London
(325-1877)
Die Profilansichten der beiden Porzellanfiguren geben
Aufschluß über ihre verschiedene Grüße, Ausüuhrung
im Detail und Erhaltllngszusllnd (Zepter und einige
Federn der Kopfbedeckung sind abgebrochen)
Die Rückansichlcn der beiden Purzcllnntiguren. Die
cingeritzten Muster auf dem Gewand der rechten
(größeren) Figur fehlen auf dein der linken. Über den
rechten Schultern beider Figuren Waren die jetzt ab-
gCbIDCllCnCD Zepter ursprünglich sichrbzr (vergleiche
Abb. 8 und 13)
Teekanne, Manufakrur Du P2 uier. Wien, um 172),
H. 19,7 cm. Österreichisches useum für angewandte
Kunst, Wien
Ausschnitt mit Rclicfngur aus der Teekanne Abb. 7.
Vergleiche Abb. e rechte (größere) Figur
ANMERKUNGEN 3-4
1 Siehe Otto Wzlchz, KcrunliIe-Freund: a" smlwiz, Nr. 41.
Januar 195a. 5.15.
ß Ösrmeidaisczhcs Museum am angewandte Kunst, Wiznzr
Porzellan au: a, Mnnufnkluv o" Pnquiers. von Wilhelm
Mrzzek, Wien 1952, Abb. 3. Dr. MrazL-ks vor der Voll-
endung stehende Srudic über die Geschichle der Wiener
Manufaktur wird mit Interesse erwarte! (s. S. 34).
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