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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIV (1969 / Heft 105)

1720 wieder nach Weißen zurück. Um sich 
die Gunst der Meißener Manufaktur neuer- 
dings zu erwerben, zerstörte er vor seiner 
Rückreise den gesamten in Wien lagernden 
Vorrat an Porzellanmasse. im gleichen Jahr 
verließ auch llunger Wien. Er war später 
Francesco Vezzi dabei behilflich, in Vene- 
dig eine Porzellanmanufaktur zu gründen, 
wobei er ebenfalls Kaolin aus Aue ver- 
wendete. lm Hinblick auf diese historischen 
Tatsachen ist es weiter nicht verwunderlich, 
daß die frühesten Erzeugnisse Du Paquiers 
 
sowie die Produkte der kurzlebigen Vezzi- 
Manufaktur in Material und Technik Bött- 
gers Meißener-Porzellan ähneln. Allerdings 
sind bisher keine Arbeiten, die mit unseren 
Figuren auch nur im entferntesten ver- 
wandt wären, Du Paquier, Vezzi oder 
Meißen zugeschrieben worden. 
Anläßlich eines kürzlich erfolgten Besuches 
im Österreichischen Museum für ange- 
wandte Kunst in Wien Gel dem Verfasser 
jedoch die Ähnlichkeit zwischen den beiden 
Figuren und einem kleinen Flachrelief 
(Abb. 7) auf, das auf einer Seite einer sechs- 
eckigen Tcekannc (Abb. 8) zu sehen ist. 
Die Ähnlichkeit ist viel zu ausgeprägt, um 
zufällig zu sein. Sie erstreckt sich auf Hal- 
tung, Kopfputz, die halbrunden Lappen 
an der Taille, ja selbst bis zu den Kostüm- 
falten. Das über die Schulter der Figur 
hinausragende Zepter (Stock) ist auch bei 
unseren beiden Figuren zu finden, bei 
denen es allerdings im Laufe der Zeit ab- 
gebrochen sein dürfte (Abb. 1). Wilhelm 
Mrazek, der die Teekanne in seiner 
Abhandlung über Du-Paquier-Porzcllan4 
abgebildet und mit „ca. 1720" datiert hat, 
teilte dem Autor mündlich mit, daß diese 
unzweifelhaft mit Du Paquier in Verbindung 
gebracht werden kann. Die Zuschreibung 
der Teekanne an Wien kann wohl kaum 
bestritten werden, nachdem die beiden figür- 
lichen Reliefs auf einem Wandleuchter in 
einer Bemalung wiederkehren, die für eine 
spätere Entwicklungsphase der Manufaktur 
typisch ist (Abb. 13). 
Natürlich ist es möglich, daß die Ähnlich- 
keit zwischen den beiden weißen Figuren 
und dem Relief auf der Teekanne dadurch 
zustande kam, daß in beiden Fällen eine 
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gemeinsame graphische Vorlage verwendet 
wurde. Wird aber einmal die Zuschreibung 
an Wien ins Auge gefaßt, bietet sich eine 
kleine Gruppe frühen Du-Paquier-Porzel- 
lans zum Vergleich an, die den weißen 
Figuren in der Klasse, in der Glasur oder in 
der Äludellierting ähnlich sind. Aus der 
Erinnerung würde der Autor sagen, tlali 
die Teekanne mit dem Relief in Klasse und 
Glasur nahekotnmt und daß dies auch für 
ein Paar seltener, ebenfalls im Österreichi- 
schen Museum für angewandte Kunst in 
Wien befindlicher Tetrinendeckel (Abb. 9 
und 10) zutrilTt. Das Victoria ö: Albert 
Museum besitzt zwar eine gute Sammlung 
an Du-Paqtiier-Porzellan, jedoch entspricht 
die Porzellanmasse dieser Objekte unseren 
Figuren überhaupt nicht, und die meisten 
Stücke scheinen aus der mittleren oder 
späten Produktionsperiode Du Paquiets zu 
stammen. Hingegen sind Masse und Glasur 
der beiden Figuren dem Material einer 
Blumenvase im British Museum mit der 
Aufschrift „Vienne 12 July 1721" (Abb. 12)5 
verwandt. 
Das wenige, das wir über die ersten Jahre 
der Manufaktur Du Paqtiiers wissen, läßt 
darauf schließen, daß mit Porzellanerden 
verschiedener Herkunft experimentiert 
wurde. Im Mai 1718 schrieb Hunger an 
einen Bekannten in Heißen, daß Kaolin 
aus Passau einen guten Ersatz für Porzellan- 
crde aus Aue darstelle. Trotzdem schien die 
Verwendung dieses Kaolins aus Passau 
Schwierigkeiten zu bereiten, denn Samuel 
Stölzel empfahl die Einfuhr von fünfzig 
Zentnern Kaolin aus Aue, wie es in Meißen 
verwendet wurde, und Hunger erzählte, 
daß mit diesem sächsischen Kaolin zum 
erstenmal erfolgreich Porzellan hergestellt 
werden konnte. Aber natürlich stellte eine 
Quelle, die von seiten Meißens leicht zu 
blockieren und mit Transportproblemen 
verbunden war, keine ideale Lösung dar, 
so daß die Suche nach einer geeigneten 
Fundstelle innerhalb Österreichs fortgesetzt 
wurde. 
Am 10. April 1720 meldete ein sächsischer 
Diplomat namens Anackcr, daß in der vor- 
angegangenen Woche große Mengen Por- 
zellanerde aus Ungarn angekommen seien 6. 
Diese Nleldung wird bestätigt durch den 
Breslauer Arzt Kundmann, der 1723 no- 
tierte, dalä Wiener Porzellan aus Kaolin 
aus „Dehreczin" in Oberungarn hergestellt 
werde "I. Im Hinblick auf diese Entwicklung 
ist es verständlich, daß frühes Du-Patjuier- 
llartpnrzellan Linvollkommenheiten auf- 
weist und von Stück zu Stück variiert, bis 
endlich Anfang 1720 die Zusammensetzung 
der Porzellanmasse mit Hilfe des tingari- 
schen Kaolins weitgehend stabilisiert wer- 
den konnte. Wenn die beiden weißen 
IU 
Figuren überhaupt aus der Wlanutaktur Du 
Paquiers stammen, so gehören sie in die 
frühe, experimentelle Periode, ehe die 
Stabilisierung erfolgte, möglicherweise so- 
gar in die Zeit vor Stölzels und Hungers 
Abreise aus Wien. 
Wenden wir uns vom Material nun der 
Modellierung zu, so wird es schwierig, ent- 
sprechende Vergleichsstücke zu linden. 
Über Du Paquiers Manufaktur ist nicht 
viel historisches Material vorhanden, und 
die erste schriftliche Bestätigung darüber, 
daß Figuren dort hergestellt wurden, 
stammt crst aus dem Jahre 17353. Es ist 
als fast sicher anzusehen, daß bei Du 
Paquier auch schon früher Figuren ent- 
standen, wenn es auch scheint, als oh die 
meisten freistehenden zwischen 1730 und 
dem Verkauf der Manufaktur an den öster- 
reichischen Staat 1744 hergestellt wurden. 
Die Du-Paquier-Figuren, die von der mo- 
dernen Forschung bis jetzt eindeutig identi- 
fiziert werden konnten, sind viel kleiner") 
als unsere beiden Figuren von ostasiati- 
schem Typus und unterscheiden sich von 
diesen durch eine völlig andere Art der 
Modellierung, auch dann, wenn sie nicht 
direkt nach Meißener Figuren von Kändler 
und seinen Gehilfen kopiert wurden. Diese 
sind nahezu alle mit Emailfarbe bemalt. Ein 
aus dem Jahre 1725 datiertes und im Museo 
Civico in Turin befindliches Uhrgehäuse 
aus Porzellan (Abb. 11) bildet für uns den 
besten Hinweis auf den Wiener Figuren- 
stil, denn die Chinesenknaben, die einen 
Teil des Uhrgehäuses bilden, scheinen sich 
geradezu aus der barocken architektoni- 
schen Fassung zu lösen, um sich als Figuren 
selbständig zu machen. Zu Stücken wie
	        
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