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Objekt: Alte und Moderne Kunst XIII (1968 / Heft 98)

Maria Razumovsky 
DIE GRÄFIN 
LEON RASUMOFSKY UND 
IHRE WOHNUNGEN 
 
Es gibt und gab immer Menschen, die 
ihre Wohnungen mit Liebe und Verständnis 
einrichten und Freude an schönen Gegen- 
ständen haben. Manchmal wachsen ihnen 
die geliebten Räume so ans Herz, daß sie 
von ihnen Bilder anfertigen lassen, so wie 
man liebe Menschen porträtiert. Solche 
Interieurs spiegeln zuweilen den Charakter 
des Besitzers, die Atmosphäre und den 
Lebensstil der Epoche, in der sie entstanden 
sind, besser als eingehende schriftliche 
Schilderungen. Die neun Aquarelle, die 
Gräfin Maria Grigorjewna Rasumofsky, 
geborene Prinzessin Wjasemsky, ihren 
Nachkommen hinterlassen hat, sind dafür 
ein Beispiel. Sie stellen Räume aus drei 
verschiedenen Häusern dar, und zwar aus 
dem Palais Larochefoucauld d'Estissac, Rue 
St-Dominique 100 in Paris, das die Gräfin 
1842 und l843ki845 bewohnte („Mon 
cabinet" Abb.2 und ,.Grancl salon" Abbß), 
sowie aus ihrem Stadtpalais in Petersburg 
in der Großen Morskaia-Straße („Mon 
salon bleu" Abb. 4, „Petit salon iaune" 
Abb. 5, „Le grand cabinet" Abb. 6, 
„Chambre de bain" Abb. 7 und „Chambre 
a coucher" Abb. 8) und ihrem Land- 
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haus in Peterhof („Salon avec orangerie" 
Abb. 9)l. Von den Pariser Bildern, die 
1845 entstanden, ist eines signiert j. Ro- 
bertsl; die russischen stammen zum Teil 
von L. Premazzi3 und wurden 1846-1847 
angefertigt. Die neun Aquarelle tragen 
französische Bezeichnungen von der Hand 
der Besitzerin und wurden 1906 vom Vater 
des heutigen Besitzers, Graf Camillo Razu- 
movsky, von Fürstin Marie Wjasemsky aus 
Kaluga erworben. 
Der Lebensweg, den wir hier nachzu- 
zeicbnen versuchen, war selbst für damalige 
russische Verhältnisse nicht alltäglich. Prin- 
zessin Maria Wjascmsky wurde am 10. 4. 
1772 als siebentes von zehn Kindern ge- 
boren. Ihr Vater, Fürst Grigorij Iwanowitsch 
Wjasemsky, war ein nicht eben reicher 
Gutsbesitzer, wenn auch die Familie als 
Abkömmlinge von Rurik zu den vor- 
nehmsten Rußlands gehörte; die Mutter 
kam aus der Bojarenfamilie Beklemischew. 
Mir sechzehn Jahren heiratete Maria den 
nur um drei Jahre älteren Fürsten Alex- 
ander Nikolajewitsch Golitzyn. Leider war 
der junge Mann ein Verschwender und 
leidenschaftlicher Spieler, der bereits nach 
wenigen Jahren sein großes Vermögen 
restlos durchbrachte. Eine Bitte um finan- 
zielle Unterstützung, die Maria an den 
Zaren Paul richtete, blieb erfolglos. In der 
Familie hat sich die mündliche Überlieferung 
erhalten, daß Fürst Golitzyn schließlich, als 
er nichts mehr besaß, bei einer Kartenpartie 
mit seinem besten Freund seine Frau als 
Pfand einsetzte und verlor - eine Über- 
lieferung, die durch die Tatsache, daß sich 
Maria in bestem Einvernehmen von ihrem 
Manne trennte und 1801 den Freund 
heiratete, in den Bereich des damals Mög- 
lichen rückt. 
Dieser zweite Mann, mit dem Maria 
17 Jahre lang in glücklichster Ehe lebte, 
war Graf Leon (Lev Kirillowitsch) Rasu- 
mofsky (geb. 1757), der vierte Sohn des 
Grafen Kirill Grigorjewitsch Rasumofsky4 
und der Gräßn Katharina Iwanowna, geb. 
Narischkin. Leon hatte, zusammen mit 
seinem älteren Bruder Andre (Andrej 
Kirillowitseh) 5, eine sorgfältige Erziehung 
genossen, er kannte Westeuropa und sprach 
wie jedermann aus seiner Gesellschafts- 
schicht besser französisch als russisch. Er 
war ein überdurchschnittlicher Kunst-
	        
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