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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIV (1969 / Heft 107)

Aus der Kunstwelt 
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46 
 
Ernst Köller 1' 
Am 14. August 1969 erreichte uns die Nachricht, daß unser Freund 
und Mitarbeiter Ernst Köller in der vergangenen Nacht im Krankenhaus 
gestorben ist. Obwohl wir wußten, daß er seit längerer Zeit krank i 
war, traf uns dieser Ausgang unvermutet. Einige Tage vorher hatten r 
wir noch mit einem gemeinsamen Freund über seine Krankheit 
gesprochen und gehofft, daß er wieder gesunden möge. Wir meinten, i 
daß es doch nicht so schlimm um ihn stünde, hatten wir doch erst 
vor kurzem wieder einige Arbeiten von ihm gelesen, die keinen Kranken 
vermuten ließen. Aber dieser Wechsel von spontaner Aktivität und 
depressiven Zeiten war uns schon seit langem bekannt. Er konnte 
in kürzester Frist und mit einer besonderen lntensität und Spontaneität 
seine kunstkritischen Beiträge für uns verfassen. Er saß dann bei 
uns in der Redaktion und tippte sein immer druckreifes Manuskript 
selbst auf der Maschine. Bei solchen Gelegenheiten und in vielen 
Gesprächen und Sitzungen hatte er für uns alle oft etwas Genialisches, 
eine mitreißende Uberredungsgabe und Uberzeugungskraft, woraus 
uns auch sein Einfluß auf so manche jüngere Künstler erklärbar wurde. 
Denn nicht erst in Graz, sondern auch in Wien und vor allem 
während seiner Saizburger Zeit gehörte er zu den Bewegern des 
Kunstgeschehens. Als Sekretär Oskar Kokoschkas hatte er 
entscheidenden Anteil an dem sogenannten .,Kokoschka-Seminar", der 
heutigen internationalen Sommerakademie in Salzburg, und als 
Organisator der großen Sommerausstellungen wirkte er auch noch 
nach seinem Weggang stimulierend auf die Saizburger Kunstszene. 
Wie ein altösterreichisches Schicksal mutete es daher an, daß 
diese dynamische und vitale Persönlichkeit in Wien acht Jahre als 
Effektenschätzmeister und Fachexperte in der Kunstabteilung des 
Dorotheums tätig war. Dieses kleinbürgerlich-bürokratische Dasein 
mit seinen trockenen Verpflichtungen hinter Schalter und Schreibtisch 
und im Verkehr mit seinen Mitmenschen setzte ihm psychisch und 
wohl auch körperlich besonders zu. Das Tätigsein als Promotor 
für so manchen jüngeren Wiener Künstler und die Mitarbeit 
an unserer Zeitschrift konnten die seelische Belastung durch diese 
Brotarbeit nicht mildern, Oft erlebten wir ihn in desparater Stimmung, mit 
dem Wunsch nach einer Veränderung. Als er daher nach Graz ging, 
wo ihn als stellvertretender Leiter des Amtes für Kultur, Sport 
und Fremdenverkehr eine seinen Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit 
erwartete, schien sein Leben endlich in jene Bahn zu schwenken, 
auf der er voll und ganz seine besonderen Fähigkeiten entfalten konnte. 
Seine Aktivitäten schienen uns recht zu geben. In dem im Umbau 
zu einem modernen Stadtwesen begriffenen Graz war es allein seiner 
Initiative und seiner unkonventionellen Volksbefragung zu verdanken, 
daß die Fassade des dem Historismus des 19. Jahrhunders ange- 
hörenden Rathauses nicht verschandelt, sondern als ein Wahrzeichen 
erhalten geblieben ist. Daneben versuchte er durch Einrichtung 
einer Ganggalerie und eines Kulturhauses, zahlreicher Ausstellungen und 
denkmalpflegerischer Unternehmungen auf dem ideologisch und 
parteipolitisch schwierigen Grazer Boden der Kunst und den Künstlern 
zu ihren Rechten zu verhelfen. Daß dies eine Sisyphusarbeit 
bedeutete, war uns von vornherein und vielleicht auch ihm selbst bald 
bewußt, Aber immer wieder raffte er sich auf und ließ sich nicht 
entmutigen, selbst dann, als sich bereits die ersten Alarmzeichen 
einer lange von den Ärzten verkannten Krankheit einstellten. Seine 
psychische Wandelbarkeit hat so manches physische Krankheitssymptom 
überdeckt und überspielt. so daß es nicht ernst genug genommen 
wurde. Zwar stimmten seine letzten Briefe einen Ton an, der 
desparater als sonst klang, doch an einen tödlichen Ausgang wollten 
wir dennoch nicht glauben. i 
Am 8. Oktober 1969 wäre Ernst Köller 51 Jahre alt geworden. Sein ' 
Lebensweg und seine Leistungen überblickend, muß man sagen, 
daß er alles aus der ihm zugemessenen Zeit herausgeholt hat. Als ein 
Vertreter der cverlorenen Generation", wie er sich selbst immer 
bezeichnete, war er ein Mensch, dessen Sensibilität es nicht erlaubte. 
sich von den Katastrophen und tragischen Ereignissen seiner Zeit 
sowie von ihren Menschen zu distanzieren. Er mußte sich mit allem, was 
ihn anrührte, identifizieren und hatte dementsprechend zu leiden 
und mitzuleiden, ohne jedoch den Mut zur Zeit und zu den Menschen 
zu verlieren. 
Wilhelm Mrazek 
Museum des 20. Jahrhunderts - 
Sammlung Morton D. May 
Inwieweit die nach 1950 künstlerisch 
und finanziell stattgefundene Auf- 
wertung des deutschen Expressionis- 
mus gerecht ist, ließ sich an Hand 
einer in gleicher Weise profilierten wie 
umfassenden amerikanischen Privat- 
sammlung ermessen. die dank des 
rechtzeitigen Zugreifens Werner Hof- 
manns in den Monaten August und 
September im Wiener Museum des 
20. Jahrhunderts Station machte 
(Abb. 1 -3). 
Ihr Besitzer, der in St. Louis ansässige 
Geschäftsmann und Hobbymaler 
Morton D. May, einer der führenden 
und weitblickendsten Mäzene dieser 
Stadt, baute sie in engstem Kontakt 
mit dem nach den USA emigrierten 
Max Beckmann auf, dessen Malerei 
in seltener Dichte und Qualität auch 
den Grundstock dieser größtenteils 
museumsreifen Kollektion bildet. 
Vor Wien, wg die Schau den lange 
bestehenden kunsthistorischen Nach- 
holbedarf hinsichtlich der Malerei des 
Expressionismus decken half. war sie 
- ausgehend von Bielefeld s mit 
großem Erfolg in zahlreichen deut- 
schen Städten zu sehen, darunter in 
Köln, Essen und Bremen. Für ein 
eingehendes Kennenlernen des (Eu- 
vres von Max Beckmann ist sie nahezu 
ideal. Beginnend mit frühen Arbeiten 
aus der Zeit seiner kurz währenden 
Mitgliedschaft in der Berliner Sezes- 
sion vor 1910 spiegeln 45 Werke 
chronologisch die künstlerische Ent- 
wicklung bis heraufzu dem grandiosen 
Selbstporträt aus dem Todesiahr des 
Künstlers, 1950. Beckmann eryveist 
sich in dieser beziehungsreichen Uber- 
schau als einer der tiefgehendsten, 
realistischesten Maler, die der Ex- 
pressionismus hervorgebracht hat, Die 
von ihm kongenial beherrschte, formal 
spannungsreiche Verbindung zeich- 
nerischer und malerischer Komponen- 
ten verleiht seinen Porträts, Figuren- 
kompositionen, Stilleben und Land- 
schaften eine ausdrucksbetonte Herb- 
heit, die selbst im Häßlichen der im 
Wahren verborgenen Schönheit nicht 
entbehrt und die Verbindlichkeit einer 
unverkennbaren, im Detail oft se- 
zierenden, doch stets das Ganze und 
Große der Komposition bewahrenden 
Handschrift aufzeigt. 
Mindestens ebenso beeindruckend 
wie der kunsthistorische Anschau- 
ungsunterricht im Falle Beckmann ist 
der in erster Linie durch frühe, kost- 
bare Arbeiten dokumentierte Quer- 
schnitt durch das Schaffen anderer 
bedeutender Expressionisten mitinbe- 
griffen, Namen wie Paul Klee und 
Max Ernst, die zwar von der General- 
linie der Sammlung etwas abweichen. 
jedoch mit ganz hervorragenden und 
typischen Arbeiten vertreten sind. 
Vier Noldes, ein lyrisch-empfindsamer 
"halbabstrakter" Kandinsky (.,Murn- 
auerwinterlandschaft mit Lokomotive. 
1911"), mehrere Jawlenskys, Bilder 
von Hofer, Grosz, Heckel, Kirchner. 
Kokoschka, Macke, Marc, Meidner. 
Modersohn-Becker, Otto Mueller. 
Campendonk, Feininger, Felixmüller, 
Ccrinth, Rohlfs, Schmidt-Rottluff. 
Pechstein und dem erst kürzlich ver- 
storbenen Sozialkritiker Otto Dix er- 
gaben ein durchwegs von erster 
Qualität bestimmtes Panorama moder- 
ner Kunst, wie es in Wien schon lange 
nicht zu sehen war. 
Museum für Völkerkunde - 
Von Hogarth bis Turner 
Dem großen Zeitalter britischer Malerei 
von Hogarth (1697-1764) bis zur 
Mitte des 19. Jahrhunderts galt eine 
siebzig Exponate umfassende Aus- 
Bundesministerium für Unterrich 
Besucherstatistik der Staatlichen 
Museen und Kunstsammlungen 
Das Bundesministerium für Unterrichtg 
bekannt, daß in den ihm untersteheni 
Staatlichen Museen und Kunstsammli 
gen in den Monaten September 1! 
110.722 und Oktober 1969 96.806 i 
i sucher gezählt wurden. 
stellung im_Museum für Volkerkr 
in Wien (Abb. 4, 5). Die von Dr. l 
Cannon-Brooks, dem Direktor 
Gemäldegalerie des City-Muse 
von Birmingham, zusammengest 
von Architekt Johannes Groebner 
gerichtete Schau konnte als die 
deutendste Ausstellung britis 
Malerei gewertet werden, die i 
1945 in Osterreich zu sehen war. 
Qualität des überwiegenden Teile: 
Exponate war beachtlich, au 
sprochene Spitzenwerke waren jer 
relativ selten anzutreffen. Der gr 
Teil der hoch versicherten B 
stammt aus britischem Musealbi 
Unter den privaten Leihgebern be 
sich auch Königin Elizabeth ll.. 
ein Pferdebild von George Sti 
(1724s1806) aus ihrer umfangreii 
Sammlung zur Verfügung stellte. 
Sicherlich war der Uberblick, der 
sehenswerte Ausstellung vermit 
schon im Hinblick auf die verhäl 
mäßig kleine Anzahl der Expc 
lückenhaft, das Gezeigte war ar 
seits aber doch typisch und reprä 
tativ für die auf weiten Strecken 
traditionsbetonte, realistische M2 
Englands. Neben Künstlern, c 
Bedeutung - bei aller Anerkenr 
handwerklich-akademischer F2 
keiten s doch eher im lokalen Be 
zu fixieren ist, konfrontierte die S 
mit einer Reihe von Malern, die ir 
halb dereuropäischen Kunstgesch 
wesentliche Akzente setzten. E 
von ihnen, wie z. B. der „f 
impressionist" Turner (1755-15 
wurden in ihrer eigentlichen Be 
tung erst relativ spät, nach . 
zehnten der Verkennung und I 
einschätzung. richtig erkannt 
analysiert. Turners stark abstrah 
subtile, doch nichtsdestoweniger 
großer Intensität in der Darstei 
des Lichtes und des Atmosp 
sehen beherrschte Malerei konfror 
mit den elementaren Kräften 
Natur. Seine Bilder aus den vier 
Jahren (Leihgaben der berühi 
Tate-Gallery) sind spontane Ma 
für die das reine farbige Gesch 
ausschlaggebend ist. 
Weitere Schwerpunkte besaß 
Ausstellung in den Bildern von . 
Constable (1776-1837), einem 
ler, der starke Bindungen zu 
hatte und selbst die Entwicklung 
Französischen Schule beeinfl 
Seine satte, kraftvolle Landsch 
malerei ist nicht so frei wie die Tur 
Sie weist gewisse Parallelen zur ö 
reichischen Landschaftsmalerei 
2, Hälfte des 19. Jahrhunders 
die näherhin untersuchenswert 
scheinen. Zu den Höhepunkten 
lischer Porträtmalerei zählen vor a 
die Bilder von Reynolds, Ramsey 
Gainsborough. In William Hol
	        
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