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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIV (1969 / Heft 107)

sieht man heute einen frühen Sozial- 
kritiker, was in erster Linie aus seinem 
umfangreichen druckgraphischen 
(Euvre hervorgeht. Die in Wien ge- 
zeigten Gemälde schilderten Szenen 
aus dem Alltagsleben. Sie beein- 
druckten durch einen für die damalige 
Zeit ungewohnten Realismus. 
Künstlerhaus-Galerie - 
Britische Druckgraphik 
Die von lnge Zimmer-Lehmann ge- 
leitete Künstlerhaus-Galerie, die bis 
19. Oktober mit der rund 50 Exponate 
umfassenden Gruppenausstellung 
„12 Britische Artisten - Graphik und 
Objekte" (Abb. 6, 7) die Aufmerksam- 
keit eines am internationalen Ge- 
schehen interessierten Publikums auf 
sich lenkte, war zweifellos gut beraten, 
ihr Augenmerk der britischen Kunst- 
szene zu widmen, zählt doch gerade 
London heute zu den mit Abstand 
führenden Kunstzentren der Welt. Daß 
die fast zur Gänze von der Anglo- 
Elementar Versicherungs AG. bezahlte 
Ausstellung (Gesamtkosten rund 
50.000 S) allerdings nur zum Teil das 
hielt, was man von einem derart 
strukturierten Überblick erwarten 
konnte und nicht nur in der Nomi- 
nierung der Künstler, sondern auch in 
der Auswahl einzelner Arbeiten an 
einem Optimum vorbeiging, war vor 
allem durch organisatorische Schwie- 
rigkeiten begründet. Sich auf die 
Auswahl einer einzigen Galerie und 
der von ihr vertretenen Künstler zu 
verlassen, wie es in diesem Fall ge- 
schah, erwies sich als zu riskant. Daß 
so wesentliche Vertreter der britischen 
Gegenwartskunst wie Joe Tilson, 
Bridget Riley und Richard Hamilton 
fehlten, schmälerte natürlich den 
lnformationswert der trotzdem noch 
immer sehenswerten und aktuellen 
Schau. 
Neben den sehr effektvollen Sex- 
Lithos von Allan Jones hinterließen 
die einer subtilen, farbig und formal 
harmonisch abgestimmten geomet- 
rischen Abstraktion verpflichteten 
multiplen Siebdrucke von Robert 
Denny den stärksten Eindruck. Der 
berühmte Skulptor und Druckgraphi- 
ker Eduardo Paolozzi (geboren 1924 
in Edinburgh) gab 1967 eine Kassette 
unter dem Titel .Moonstrip Empire 
News" heraus. Die 100 Siebdrucke 
dieses inzwischen sehr gefragten 
Mappenwerkes stellen Arrangements 
von Texten und Bildern dar, die aus 
technischen Büchern und Zeitschriften 
stammen und dem Betrachter die 
Möglichkeit bieten, selbst Kombinatio- 
nen festzulegen und somit mit- 
schöpferisch tätig zu werden. Eine 
Reihe dieser vor allem mit werbe- 
graphischen Methoden zusammen- 
gesetzten geometrischen Muster und 
Realitätsfragmente (in ihrer Summe 
sollen sie in etwa die geistigen Struk- 
turen von heute umreißen) war nun 
erstmals auch in Wien zu sehen. 
Von David Hockney, der in graphisch 
harten, linearen Radierungen mensch- 
liche Beziehungen einschließlich sol- 
chen homosexueller Natur apostro- 
phiert, kommt der Ire Patrick Procktor 
her. Er huldigt in farbigen Aquatinta- 
Radierungen einer gefälligen, esprit- 
geladenen Mischung von Hippie- 
realismus und Jugendstil. Dazu im 
denkbar größten Kontrast das elegant 
umgesetzte Multiple des 1938 ge- 
borenen Londoners William Pye, das 
unter den wenigen plastischen Ob- 
jekten der Schau mit Abstand das 
beste war. Eher enttäuschend: die 
vier Lithos von Allan Davie, einem 
der bedeutendsten britischen Maler 
und Kunsttheoretiker. Der Rest der 
Ausstellung: Durchschnittsqualität 
neuerer Tendenzen. 
Galerie Stubenbastei - 
Adolf Frohner 
Adolf Frohner ist der Durchbruch 
gelungen. Diese Feststellung läßt sich 
48 
seit mindestens einem Jahrmit Berech- 
tigung treffen, und sie wurde zuletzt 
durch eine Ausstellung des Künstlers 
in der Galerie auf der Stubenbastei 
überzeugend bekräftigt (Abb. 8). Der 
Grund für die auch international im 
Zunehmen begriffene Anerkennung 
dieses lange Zeit hindurch als Außen- 
seiter gewerteten Malers und Gra- 
phikers liegt vor allem darin, daß 
Frohners neues und neuestes Schaffen 
innerhalb der massiv reaktivierten, 
trendmäßig günstig liegenden .Neuen 
Figuration" eine Sonderstellung ein- 
nimmt. Originäre Ausdruckskraft ge- 
paart mit technischer Raffinesse. 
einem verhaltenen Kolorit und einem 
gepfefferten Schuß derber Erotik ver- 
leihen seinen weiblichen Figuren eine 
nicht zuletzt auch im Thematischen 
begründete Anziehungskraft, die der 
früheren abstrakten Periode Frohners 
nie beschieden war. 
Die zeichnerische Vehemenz, die 
Subjektivität einer ausgeprägten, 
temperamentvollen Handschrift verrät 
neben primär autodidaktisch weiter- 
gebildeter Begabung auch die Inten- 
sität konzentrierter, seit Jahren im 
wesentlichen auf ein Thema be- 
schränkter Auseinandersetzung. Froh- 
ners existenzielle Gleichnisse - de- 
monstriert an Gesichtern, Gesten und 
Leibern von Frauen - charakterisieren 
die Schattenseite unserer Gesellschaft, 
schildern das Milieu von Striperinnen, 
Prostituierten und fettleibigen Party- 
girls, sind jedoch bei aller Realistik und 
Offenheit der Darstellung nie vorder- 
gründig und platt, so daß Absicht und 
Effekt gegenüber dem eigentlichen 
Anliegen den Vorrang hätten. 
Frohners Engagement am Menschen 
ist echt und glaubwürdig. Es bedient 
sich eines Vokabulars, das ganz ent- 
schieden zeitgemäßer, aggressiver und 
verbindlicher ist als die überzahlte 
Salonmalerei der Wiener Schule. Dar- 
über hinaus - und das entscheidet in 
erster Linie über den qualitativen Rang 
seiner Arbeiten - besitzt die Art der 
Umsetzung jene Adäquanz, die die 
Frage nach anderen Möglichkeiten 
gar nicht erst aufkommen läßt. 
Der 1934 in Groß-lnzersdorfin Nieder- 
österreich geborene Künstler, der 
unser Land gemeinsam mit Ernst Fuchs 
auf der 10. Biennale von Säo Paulo 
vertrat, zeigte in der Stubenbastei rnit 
Ausnahme eines einzigen großen Ol- 
bildes ausschließlich Graphik: kon- 
trastreiche Graphitstiftzeichnungen 
sowie zahlreiche noch nie ausgestellte 
Radierungen. Die gegenwärtige Froh- 
ner-Hausse geht allerdings auch aus 
dem von der Galerie Junge Generation 
vor kurzem herausgebrachten nSpiel- 
kartenzykIus" hervor, der sechs mittel- 
formatige Radierungen umfaßt und 
zum Gesamtpreis von 1000 Schilling 
abgegeben wird. 
Galerie nächst St. Stephan - 
Art Brut 
Das Phänomen, dem im September 
eine höchst bemerkens- und analy- 
sierenswerte Ausstellung (Abb. 9) in 
der Galerie nächst St. Stephan galt, 
ist in dem Maße zu wenig bekannt 
und durch grob verallgemeinernde 
Fehlinterpretationen in ein falsches 
Licht gerückt worden, als es auf der 
anderen Seite durch Intensität und 
vielfältige Eigenart künstlerischen 
Ausdrucks für sich einnimmt. .Art 
Brut" nennt Jean Dubuffet, der fran- 
zösische Maler, die Werke von 
Geisteskranken, die an Hand der um- 
fangreichen Privatsammlung des Wie- 
ner Malers und Graphikers Arnulf 
Rainer in der Wiener Avantgarde- 
galerie studiert werden konnten. Der 
französische Psychiater Robert Volmat 
faßt die bildnerischen Ergebnisse 
dieser Außenseiter der menschlichen 
Gesellschaft unter dem Begriff 
msycho-pathologische Kunst" zu- 
sammen. Volmat ist Präsident der 
Internationalen Gesellschaft für Psy- 
chopathologie, die 1959 in Verona 
gegründet wurde. Die Vereinigung. 
der in der Hauptsache Arzte ange- 
hören, hielt vom 26. bis 28. September 
1969 in Linz ihr VI. Internationales 
Kolloquium über das Thema ..Psycho- 
pathologie und Kunst" ab. Seit fünf 
Jahren trägt Arnulf Rainer Bildwerke 
von Schizophrenen und anderen Ab- 
normalen zusammen. Den Grundstock 
seiner Sammlung, von der rund 
100 Exponate erstmals der Öffentlich- 
keit gezeigt wurden, bildet ein psych- 
iatrischer Nachlaß aus Prag, der - so 
wie der Großteil des gesamten Ma- 
terials - weder altersmäßig noch im 
Hinblick auf das Geschlecht der 
einzelnen Autoren mit Sicherheit fixiert 
werden kann. Die Fragen, die die in 
den verschiedensten Techniken ge- 
haltenen Arbeiten aufwerfen. lassen 
sich - ob es sich um rein medizinische 
bzw. künstlerisch-ästhetische handelt 
- nur schwer oder überhaupt nicht 
generell beantworten. Das gleiche gilt 
auch im Hinblick auf ihre Parallelen 
zu den Kunstwerken der Professio- 
nellen. Rainers Sammlung (sie er- 
streckt sich auf Mittel- und Osteuropa 
und enthält auch zahlreiche Beispiele 
aus den Alpenländern) konfrontiert 
mit einer faszinierenden Ausdrucks- 
skala, die Figuratives ebenso umfaßt 
wie abstrakte Darstellungen. Expressi- 
vitäten und klobige Ornamentik ebenso 
kennt wie einen an Paul Klee gemah- 
nenden Lyrismus. Gemeinsam ist den 
Werken, daß sie alle von künstlerisch 
unausgebildeten Kranken stammen. 
Sie sind fast immer Arbeiten von Ein- 
zelgängern und müssen - ohne daß 
gewisse Parallelen geleugnet werden 
sollen - möglichst streng gegenüber 
den Werken von Kindern, Naiven 
beziehungsweise geistig erkrankten 
Professionellen abgegrenzt werden. 
Eine komplexe Ausstellung, die bei 
eingehender Beschäftigung tiefgrei- 
fende Erkenntnisse zuließ. 
Galerie Basilisk - Armin Holzner 
Als gesellschaftskritische Persiflage in 
Pop-Art konnte man die goldüber- 
strichenen Gegenstände bezeichnen, 
die der in Wien ausgebildete Inns- 
brucker Maler Armin Holzner zu 
einem grotesk anmutenden Environ- 
ment (Abb. 10) in der Galerie Basilisk 
(Wien I, Schönlaterngasse) gruppiert 
hatte. Holzner protestierte einerseits 
mit seinen bewußt banalen Arrange- 
ments von patinierten Hemden, Stil- 
Iebemvergoldeten Semmeln, Flaschen, 
Tischen, Socken und dergleichen 
gegen den überholten Materialkult des 
Edlen und Teuren, führte andererseits 
aber auch die daraus ableitbaren 
ästhetischen Folgerungen ad absur- 
dum. Nicht zuletzt warf er mit seinen 
plastischen und reliefartigen Objekten, 
die in verschiedenen Aspekten an 
ähnlich strukturierte Beispiele von 
Segel, Ay-O, Gironcoli und Hoydonck 
denken lassen, die Frage auf, inwieweit 
Verfremdungseffekte und Arrangement 
als legitimes Ausdrucks- und Gestal- 
tungsmittel der Kunst herangezogen 
werden können. 
Galerie Griechenbeisl - 
Robert Lettner 
Robert Lettner, mit Künstlernamen 
Rolett, 1943 in Elne, Südfrankreich, 
geboren und von 1954 bis zum Vor- 
jahr Student an der Wiener Akademie 
der bildenden Künste, zeigte in der 
Galerie im Griechenbeisl seine zweite 
Personalausstellung. Lettner wer vor 
kurzem zusammen mit Italienern, 
Jugoslawen und einigen österreichi- 
schen Künstlern Gast der Internatio- 
nalen Malerwochen auf Schloß Retz- 
hof in der St ' rmark, wo er die Zeit 
dieses Stipendiums intensiv zu nutzen 
verstand. Mehr als zehn großformatige 
Bilder geben davon Zeugnis. Seine 
Kunstharzdispersionsmalereien unter- 
streichen in ihren spartanisch gesetzten 
geometrischen Akzenten Lettners Be- 
 
mühen, geistige Dimensionen abzu- 
stecken. Er selbst spricht im Hinblick 
auf seine fast monochromen Bilder 
gerne von ..Räumen", die für den 
Betrachter Herausforderung zu reflek- 
tierender Auseinandersetzung sein 
sollen. In ihrer Grundhaltung verraten 
seine Arbeiten vor allem Parallelen zu 
den Amerikanern Marc Rothko und 
Jules Olitski, dessen Werke zuletzt auf 
der IV. documenta in Kassel zu sehen 
waren. In der Summe dokumentieren 
Lettners Bilder 7 sieht man von zwei 
wirklich gelösten ab - ein Ubergangs- 
stadium, das das notwendige Be- 
kenntnis zum Experiment mit ein- 
schließt. 
Galerie an der StadtmauenVillach 
- Theo Braun, Cornelius Kolig 
Zu den agilsten Galerien in den öster- 
reichischen Bundesländern zählt seit 
heuer auch die von Adolf Scherer 
geleitete Galerie an der Stadtmauer in 
Villach. Waren es im Frühjahr vor 
allem eine Kollektive des Kärntner 
Malers Erich Schuschnig (Aquarelle 
sowie Handzeichnungen) sowie eine 
von Heide Hildebrand organisierte 
Avantgardeschau mit dem zurück- 
haltend__ formulierten Titel ,Einige 
junge Osterreicher" (Bilder, Graphik. 
und Plastik von Gironcoli, Peter 
Hauser, Kocherscheidt, Kcgelnik, Cor- 
nelius Kolig. Kolland, Kriesche, Lettner, 
Malfatti, Pfaffenbichler, Pongratz, 
Ringel, Schwarzenberger und Erhard 
Stöbe - Abb. 11, 12), die nicht nur 
Aufmerksamkeit im lokalen Bereich 
erzielten, so begann die neue Saison 
1969170 mit zwei nicht minder 
aufschlußreichen Expositionen: Im 
August zeigte der Wiener Maler und 
Druckgraphiker Theo Braun (Abb. 13, 
14) neue Arbeiten, die als Beweis 
dafür herangezogen werden können, 
daß ihr Urheber gegenwärtig zu den 
interessantesten, am wenigsten stag- 
nierenden Persönlichkeiten gegen- 
standsloser Malerei in Osterreich zählt. 
Die rund dreißig Exponate umfas- 
sende Personalausstellung Brauns in 
der vom Kulturamt der Kärntner Stadt 
subventionierten Galerie zeigte dies an 
Hand 1969 entstandener groß- und 
mittelformatiger Malereien sowie einer 
Reihe von Eisenätzungen und Sieb- 
drucken, in denen ebenfalls das für 
Brauns jetzige Schaffensphase signifi- 
kante geometrisch-abstrakte Formen- 
vokabular vorherrscht. Braun konzen- 
triert sich in seinen Arbeiten auf eine 
relativ kleine Anzahl von Elementen, 
die in manchem dem Hard-Edge und 
der Op-Art verwandt sind, nach wie 
vor mutierend eingesetzt werden und 
in immer stärkerem Maße Rundformen 
miteinbeziehen. Dabei unterstützt die 
nicht selten plakative Farbigkeit effekt- 
voll die einander präzise tangierenden 
und sich überschneidenden Form- 
elemente im Sinne eines ausgewoge- 
nen, suggestiven Kompositionsganzen. 
Überdiean dieserStelleschon wieder- 
holt erwähnten Plexiglasplastiken und 
pneumatischen Objekte von Cornelius 
Kolig (sie waren bis 5. Oktober zu 
sehen) wird eine ausführliche Ab- 
handlung von Alois Vogel unter- 
richten, die zu Beginn nächsten Jahres 
in „AIte und moderne Kunst" erschei- 
nen wird. 
Kurhaus Kitzbühel - 
Friedrich Plahl 
Ähnlich erfreulich und sinnvoll wie 
die Aktivität der Villacher Galerie an 
der Stadtmauer ist auch eine von dem 
Kitzbüheler Geschäftsmann Ferd 
Mayer ins Leben gerufene Ausstel- 
Iungsreihe,dieimJännerdiesesJahres 
mit einer großen Exposition von Ernst 
lnsam begann und im Foyer des Kur- 
hauses Kitzbühel ihr ausstellungs- 
technisch ansprechendes Forum be- 
sitzt. Der aus Kitzbühel stammende, 
in Wien lebende Maler Friedrich Plahl 
(in den fünfziger Jahren Schüler 
Boeckls an der Wiener Akademie der
	        
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