Buchbesprechungen
Fritz Novotny. Uber des ..Elementare" in
der Kunstgeschichte und andere Auf-
sätze. Verlag Brüder Rosenhaum. Wien.
1968, 186 Seiten, S 175.-
Fünfzehn Essays werden von 85 Abbildungen.
einer Farbtafel und vier im Text eingestreuten
wiedergaben erganzt. Schon die Aufzählung
dieser außeren Merkmale zeigt, wie reich
das Buch ausgestattet und wie niedrig der
Preis im Verhältnis zu ähnlichen Publikationen
ist. Die Veröffentlichung wurde von der
Österreichischen Galerie zum Abschied ihres
Direktors herausgegeben und wendet sich
naturgemäß an ein Fachpublikum. Die ein-
zelnen Aufsätze erschienen schon in ver-
schiedenen Zeitschriften und Katalogen, sie
widmen sich, wie der erste, der auch dem
Buch den Titel gab, allgemeinen Fragen der
Kunst und der Kunstgeschichte oder einer
bestimmten Einzelperson. ihrem Werk, einer
Gruppe ihres Werkes, ja überhaupt riur einer
einzelnen Arbeit. So werden in vier Abhand-
lungen Werke Van Goghs betrachtet. Be-
sonders die genauen analytischen Vergleiche
einzelner Zeichnungen sind außerordentlich
aufschlußreich und sovirohl für jeden jungen
Kunsthistoriker als auch für den kunst-
interessierten Laien unbedingt zum Studium
zu empfehlen. Mit wissenschaftlicher Gründ-
lichkeit und doch in leicht faßlicher Diktion
werden Zusammenhänge und Folgerungen
gegenübergestellt. Dasselbe giit vor allem auch
für die Adalbert Stifter und sein Werk be-
schreibenden Zeilen. Dicht werden die Faden
von dem literarischen zu dem malerisch-
zeichnerlschen Werk gesponnen, und es
zeigt sich besonders in diesen Aufsätzen.
wie stark der Autor auch über sein engeres
Fachgebiet hinaus Wesentliches auszusagen
hat. Wie etwa der Einsatz des Hilfsverbums
nsein" in einer Stifterschen Landschaftsbild-
beschreibung als entscheidende sprachliche
Steigerung erkannt wird (s. 91) und ahn-
liches erweist den urbanen Charakter dieser
Studiert. Jeder Freund des großen öster-
reichischen Dichters yilird mit viel Genuß
diese Zeilen lesen. Uber Kokoschka und
Boeckl kommen wir in unsere Zelt. Cezanne.
über den Novotny in zwei eigenen Arbeiten
in diesem Buch schreibt, wird die Brücke zu
Boeckls Landschaft „Staaizer Kegel", von
der auch die einzige Farbwiedergabe des
Buches stammt. Auch von diesem Aufsatz
gilt, was wir schon andeuieteri, hier könnten
viele unserer flüchtigen Tagesjournalisien
lernen, wie ein Kunstwerk aufgeschlossen zu
betrachten und auf seine ihm eigene. inne-
wohnende Ordnung einzugehen ist. V
A. .
B itte Klesse. Seidanstoffa in der ita-
ienischen Malerei des 14. Jh. Schritten
der Abegg-Stiftung Bern. Band I. Bern
1967. 524 Seiten mit 12 Farbtafeln,
211 Abbildungen und 519 Zeichnungen
Mit dem Werk von Brigitte Klesse wird ein
neuer und wichtiger Vorstoß nicht allein
fur die Geschichte der europäischen Seiden-
weberei in der Zeit ihrer ersten großen Blüte
unternommen, sondern ein ganz prinzipiell
aufs höchste zu begrüßender Weg der For-
schung für ein Spezialgebiet mit vorbild-
hafter Genauigkeit vorgeführt: Die Werke
des Kunsthandwerkes - hier die Seidenstoffe
der Zeit von ca. 1300 bis 1420-1430 -
nicht allein als Objekte der Spezialforschung
zu betrachten, sondern sie in den allge-
meinen kunstgeschichtlichen Zusammenhang,
dem sie entwachsen sind, zu stellen; genauer
gesagt, die auf den Werken der italienischen
Malerei des Trecento wiedergegebenen Ge-
webeornamente rrlit den aus dieser Zeit
im Original erhaltenen Stoffen in direkte
Beziehung zu setzen. Aus dieser Betrachtung
ergeben sich für beide Bereiche eine ganze
Reihe wichtiger Erkenntnisse und Schlüsse:
Die genaueren Datierungs- und Lokalisierungs-
möglichkeiten, die für die Bildwerke zur
Verfügung stehen, besitzen auch Bedeutung
fur die Stoffe; diese gemalten Gewebemuster,
die im Verlauf des 14. Jh. nicht riur an Hand
der Stoffe selbst, sondern nach Patronen.
die Eigentum bestimmter Werkstätten waren,
gemalt wurden, bieten wieder Anhaltspunkte
für die Frage der Werkstattzugehorigkeit ein-
zelner Bildwerke.
Diese im ersten Hauptteil des Buches, der
Text und Abbildungen umfaßt, dargelegten
Zusammenhänge und Schlüsse haben ihre
breite Basis in dem Katalogteil, der den
zweiten, umfangreicheren Abschnitt des
Werkes bietet. ln 519 selbst angefertigten
Zeichnungen von Gewebemustern in Bildern
hat die Autorin erstmalig ein wahres Bild-
lexikon der Webcreiornameniik des italieni-
schen 14. Jh. geschaffen, das eine ganz
wesentliche Bereicherung des bisher be-
kannten Formen- und Musterschatzes auf-
weist.
Jeder Fachmann wird die hier vor Augen
geführte Frucht einer jahrelangen uner-
müdlichen Detailarbeit gebührend einzu-
schätzen wissen. Das in allen Teilen Vor-
züglich ausgestattete und gedruckte reprä-
sentative Werk aber wird auch von weiteren
Leserkreisen mit Interesse und Freude benutzt
werden. Der Autorin und der Abegg-Stiftung,
die dieses Buch als erstes ihrer neuen Schrif-
tenreihe vorlegt, ist zu dieser Leistung zu
gratulieren und zu wünschen, daß dieses
vorbildhafte Werk Anregung zu weiteren
Arbeiten von gleichem Hang sein möge.
Dora Heinz
56
. . ' Oskar Kokoschka. Sein
Leben - S ne Zeit. 355 Seiten. eine Farb-
tafel. zahlreiche Abbildungen im Text.
Bei Florian Kupferberg (1958)
J. P. Hodin, ein gebürtiger Frager, ist ein
,.Kokoschka-Fan". Er lernte den Meister
gegen Ende des zvteiten Weltkrieges in
London kennen und führte mit ihm unzählige
Gespräche, die in vorliegendem Buch zu
einer in ihrer Art einzigartigen Biographie
vereinigt wurden. Eirigestreur sind zahlreiche
schriftliche Ausführungen, Reden und der-
gleichen von Kokoschka selbst. Hodin identi-
fizierte sich mit seinem Protagonisten der-
maßen, daß sogar seine Diktion mit der des
großen österreichischen Malers fast identisch
ist. In 14 Kapiteln wird das innere und äußere
Werden Kokoschkas eingehend in der Art
behandelt, daß ein Grundtencr vom ersten
Aulscheinen im Leben des Kunstlers bis zur
unmittelbaren Gegenwart verfolgt wird. Da-
durch gewinnt die Biographie einen außer-
ordentlichen Grad von Lebendigkeit, zumal
das. was der Autor zu berichten hat, völlig
ungeschminkt und ohne jede verschonerung
zum Ausdruck kommt. Da dem Werk eine
Tabelle mit Lebensdaten, ein sehr aus-
führlicher Apparat von Anmerkungen und ein
ausführliches Narnensregister beigegeben ist,
ist es von außerordentlichem wissenschaft-
lichem Wert. Es ist neben dem rein kunst-
wissenschaftlichen Standardwerk von Hans
Maria Wingler für die Kokoschkaforschung
von nahezu unabdingbarem wen.
Ernst Köller t
Marianne W. Marti , Futurist Art and
Theory 1909-1915. Clarendon Press:
Oxford University Press195B. XXX, ZZS S.
mit 15 Text- und 219 Tafelabb.. Biblio-
graphie und Index, 26.65
Wohl kaum eine Kunstrichtung zu Beginn
des zwanzigsten Jahrhunderts hat den
theoretischen Aspekt in Form von Manifestsn
so sehr in den Vordergrund gestellt wie der
Futurismus. Hier in dem italienischen Bereich
erhielt das Manifest seine Form als polemische
Literaturgattung, wie sie auch heute noch
von Künstlern benutzt wird. Gerade die
literarischen Konzepte haben aber den Zu-
gang zu dieser Kunst erschwert, weshalb
die Richtung im Verhältnis zu Kubismus und
Expressionismus, zur abstrakten Kunst des
Blauen Fleiters und zu der aus Osteuropa
kommenden konstruktiven Kunst unterbe-
wertet wurde, obwohl es zu allen diesen
Richtungen vielfältige Wechselbeziehungen
gab. Allerdings ist eine sachliche Wertung
dieses dynamischen Expressionismus auch
dadurch gehemmt worden, daß man den
Futurismus in seinen politischen Zielen als
Vorstufe des Faschismus gesehen hat, zumal
der Begründer der futuristischen Theorie, der
Dichter Marinetti, mit Mussolirii befreundet
war.
Es gibt nun zwar schon eine Reihe von
Einzeluntersuchungen und Veröffentlichungen
von Dokumenten, es fehlte aber bis jetzt,
sieht man von mehr popuiaren Darstellungen
ab, an einer fundierten Untersuchung auf
streng historischer Grundlage. Marianne
W. Martin hat mit dem vorliegenden Buch,
das aus ihrer Dissertation hervorgegangen ist,
diese Lücke zu füllen versucht. Sie hat für
die erste Phase des Fulurismus von 1909 bis
1915. den sogenannten il prima futurismo,
eine Arbeit Von großer Sorgfalt vorgelegt.
die auf der Grundlage der futuristischen
Theorien vcir allem den bildenden Kunsten
gilt. Das Buch konzentriert sich, nachdem es
die historische Situation zu Beginn des
Jahrhunderts in Italien darstellt und hier auf
wichtige Vorläufer, die Macchiaioli, hin-
weist, auf die futuristische Kunsttheorie und
untersucht dann vor allem das Werk von
Boccioni, Carrä, Russolo, Balla und Severini.
Die Autorin zeigt, wie die Manifeste den
Künstlern halfen, ihre Gedanken zu ordnen.
wie sie diese Gedanken dann in künstlerische
Werke umsetzten und wie doch aber auch
wiederum die verschiedenen Künstler als Ein-
zelpersönlichkeiten sich in diesem Ringen
um ein Grundkonzept entwickelten. Ein
exzellentes Buch.
Horst-Herbert Kossatz
Anton Henze. Der Mensch in seiner
Kunst. 48 Seiten, Verlag Aschendnrf.
Münster 19GB
Der bekannte Kunsthistoriker und Kritiker
Anton Henze, der einige sehr beachtete
Werke über die westfälische, rheinische und
niedersächsische Kunstgeschichte, aber auch
verschiedene Bücher über die moderne Kunst
geschrieben hat, bringt in diesem Büchlein
auf nicht ganz fünfzig Seiten einen Uber-
blick auf die Entwicklung der Kunst von der
Mittelsteinzeit bis in die Gegenwart. Die
Broschüre ist für junge Menschen in den
Mittel- und Hauptschulen gedacht. In leicht
lesbare Kapitel gegliedert, werden die Zu-
sammenhänge des menschlichen Lebens und
der Kunst besprochen. Es ist verständlich,
daß bei einer solch kurzen Abhandlung eines
solch umfassenden Gebietes sehr selektiv
vorgegangen werden muß. Die Schrift ist
somit - durch eine Menge guter Bildber-
spiele unterstützt s eine Anregung zur
Erweiterung der Kenntnisse und trägt dazu
bei, schon im jungen Menschen ein Ganz-
heitsdenken anzuregen. A. V.
Corrado Ricci e Giulio Zucl: Guida
di Bologna. ed. Andrea Emillani. N. Za-
nichelli - Edizione Alfa Bologna.
Jeder an Kunst interessierte ltallenreisende
wird die Neuerscheinung des längst ver-
griffenen Fuhrers durch Bologna von c. Ricci
und Zucchini wärmstens begrüßen. Die von
A. Emiliani mustergültig besorgte und auch
um interessante Illustrationen vermehrte Neu-
bearbeitung verdient jedes Lob. Mit der
Genauigkeit, die dem Besucher Venedigs an
Hand von Lorenzettis Führer an keinem der
geradezu zahllosen Kunstwerke vorübergehen
läßt, ist es nun wieder möglich, auch Bolognas
Schatze in ihrer reichen Gesamtheit zu er-
lassen. Der 320 Seiten starke Band enthält
überdies alle notwendigen lndizes sowie auch
eine Bibliographie aller alteren Guidenliteratur.
Nach dieser Leistung erwartet man mit Freude
und Spannung vom selben Autor die kritische
Neuausgabe von Malvasias Pittura di Bologna.
Gunther Heinz
Kurt Moldovan. Cortes in Mexiko. Verlag
Jugend und Volk. Wien-München 1959.
72 Seiten. S 260.-
Das Buch ist in dem sehr ansprechenden
Breitformat von 310x240 mm erschienen, in
dem der Verlag schon einige ähnliche kost-
bare Werke auf den Büchermarkt gebracht
hat. Der bekannte Graphiker Kurt Moldovan
schuf anlaßlich einer Reise durch Mexiko
eine Unzahl von Zeichnungen, von denen er
die dreißig besten fur dieses Buch aus-
wählte. Mit wenigen und darum um so
charakteristischeren Strichen hält der Künstler
Szenen aus der Eroberung des Landes durch
die Spanier fest. Szenen, wie er, Moldovan,
sie bei dem Besuch der historischen Stätten
im Geiste nachvollzog. Die einzelnen Blätter
gehen, in einem auf die Technik des Zeichners
präzise Rücksicht nehmenden Druck, alle
Feinheiten der harten Linie, des nassen
Pinselstriches und des lockeren Wischers
wieder. Die von Moldovan gewählten Themen
werden, selbst dann, wenn es sich um
komplizierteste Formationen handelt, leicht
und gewissermaßen aus dem Handgelenk
beherrscht. Großartig die Pferde bei der
Rückkehr des Cones, ebenso die Flachen-
teilung und Symbolik bei "Cluetzalcoatl", die
für die lndraner mystische Einheit der spa-
nischen Roite (Mensch, Tier, Waffe) in dem
Blatt .,Die Spanier". Treffend scheint uns
auch das Wuchern des Urwaldes mit wenigen
lockeren Strichen beim "Marsch durch
Tabasco" festgehalten.
Kurze Texte in Deutsch, Englisch und Spanisch
stehen jedem Bild gegenüber. Ein sehr
schlichter biographischer Abriß gibt am Ende
des Bandes eine kurze Ubersicht vom Schaffen
des Künstlers. Dieses Werk überbietet sicht-
Iich noch das erste, ähnliche Buch Moldovans,
,Antike Szenen", das ebenfalls im Verlag
Jugend und Volk erschienen ist. "Cortes in
Mexiko" ist sowohl ein Geschenkbuch für
den Kenner und Liebhaber als auch ein wich-
tiges Sfudienobjekt, das in keiner Bibliothek
jener Schulen, die die Graphiker und Maler
von morgen besuchen, fehlen sollte. A V
Eingelangte Bücher
Alfred Hagenlocher, Wilhelm Laage - Das
graphische Werk, 282 5., 500 Abb. in Kupfer-
tiefdruck, Leinen. Verlag Karl Thiemig KG,
München, 1959. DM 140."
Udo Kultermann, Gabriel Grupello 308 5.,
175 z. T. ganzseitige Abb" Leinen. Deutscher
Verlag der Kunstwissenschaft, Berlin, 1959.
DM 60."
Hans Muhlestein, Die Etrusker im Spiegel ihrer
Kunst, 324 S. 78 Abb., Leinen. VEB Deutscher
Verlag der Wissenschaften. Berlin, 1969.
DM 36,-