unvollkommenen Schulung doch früh zu
künstlerischen Ergebnissen persönlicher
Prägung zu gelangen. Die Strömungen,
die in Böhmen seit dem Ende der achtziger
jahre geltend waren, stellten nämlich ein
Gemisch heterogener Stilrichtungen ver-
schiedenen Ursprungs und von differen-
zierter Bedeutung füt die Entwicklung dar.
Sie wurden überdies durch Künstler unter-
schiedlichen Ranges verkörpert, die in
Böhmen eben erst zu wirken begonnen
hatten und Neuerungen mit her brachten,
auf die man hierzulande noch nicht vor-
bereitet war. Es ist das Verdienst Brandls,
daß er mit der Sicherheit des großen
Talentes aus diesem Nebeneinander das
herausgriH, was für die hiesigen Verhältnisse
fruchtbringend und entwicklungsfähig, mit
der älteren fortschrittlichen Tradition ver-
einbar war und besonders, was seiner
eigenen Begabung und seinen Neigungen
entsprach. S0 schuf er eine authentische
Kunst, die ebenso europäische Gültigkeit
wie einheimischen Ruf besitzt.
Brandl hat in seine Malerei neben der
Venezianer und Bologneser Richtung auch
jene Erkenntnisse aufgenommen, zu denen
man im 17. Jahrhundert in Flandern und
Holland gelangt war. Diese bereits zur
Zeit der böhmischen Gotik so entschei-
dende Verbindung zweier Traditionen, der
west- und der südeuropäischen, war für
den Barock Böhmcns von besonderer Be-
deutung. Wir haben bereits an anderer
Stelle ausführlich aufzuzeigen versucht, wie
wichtig für die Akklimatisierung und Ent-
Wicklung des Barock in Böhmen die
realistische Beobachtung niederländischer
Prägung mit ihrem Sinn für Sachlichkeit
und namentlich die Fähigkeit war, den
Beschauer nicht nur durch die Expressivität
der pathetischen Gebärde der Italiener,
sondern auch durch Gefühlstiefe, das
mehr lyrische Erlebnis, die oft leidvollen
Wirklichkeiten zu fesseln. Erst durch die
Entfaltung dieser Eigenschaften vermochte
sich die Barockkunst ihre tragfähige Basis
in der ganzen Breite des böhmischen Volkes
zu schaffen und weitere schöpferische
Kräfte zu wecken. Brandl hat diese For-
derungen instinktiv begriffen und ihnen
künstlerischen Ausdruck verliehen. An
Byss, einem Eklektiker, der spontan vor
allem die niederländischen Anregungen mit
italienischen und zum Teil auch fran-
zösischen Elementen verband, fesselte ihn,
wie dieser es verstand, das Gegenständ-
liche, das er mit zeichnerischer Exaktheit
erfaßte, auch ins Erhabene zu transponieren,
wobei er auf die Schönheit der einzelnen
plastischen Form ebenso achtete wie auf
die dekorative farbige Wirkung der Kom-
position. Aus dem Werk von Byss hat
Brandl die Sauberkeit der Modellierung
und den Gefiihlsausdruck übernommen,
der den verfeinerten, bolognesisch orien-
tierten Spätwerken Scrctas entsprach. Unter
diesen Voraussetzungen konnte der Bei-
trag von Byss in Böhmen heimisch werden.
Bei Godyn war Brandl vor allem von der
pathetischen, plastisch üppigen Form des
Hämisehen Barock beeindruckt, der zwar