Horst- Herbert Kossatz
HANS ESCHER - AUFKLÄRER
UND ENZYKLOPÄDIST
Obwohl e oder trotzdem? - der Graphiker und
Illustrator Hans Escher schon seit 1918 Wiener
ist und nichtvon ungefährab und zu von amusischen
Menschen gebissen wird, hat er doch bis heute
ein Leben neben dem offiziosen Kunstbelrieb dem
fetten Leben vorgezogen. Zwar hat er mehrere
Jahre lang französischen Rotwein, algerische
Schönheiten und italienischen Cappuccino auf sich
einwirken lassen, und dies nicht nur als Soldat,
dennoch glaubt er, auch heute noch, an das
Finstere im Menschen, ohne deswegen gleich selbst
ein Schwarzer zu sein.
Man wird es ihm entschuldigen, daß er sogar
beruhmte Kunstschulen absolvierte, da er sich
schon bald nach genauerer Betrachtung seiner
Umwelt den Hang zum allzu Schonen aus dem
Kopf schlug, der Farbe entsagte und mit der
scharfen Linie des Stichels und der ätzenden Saure
seine Umwelt nach der Devise zu schrecken
begann: „Und hast Du noch ein Unterhemd. ge-
hörst Du zum Establishment," Schnell zeichnet er
etwa, ohne dabei seine Zunge zu schonen, auf
die Rückseite einer Speisekarte den entblößten
Korpus einer nicht unbekannten Persönlichkeit;
gleichzeitig dramatisiert er dessen Leben und schil-
dert eingehend die Besonderheiten seines Liebes-
lebens.
Escher sieht mehr; sein scharfer Blick verbiegt ihm
aber bisweilen die mit Spucke geputzte Brille;
leicht vervollständigt er dann in der Vorstellung
das Gesehene. Manchmal geht ihm die Phantasie
dabei durch, dann formt er antike Münzen ab,
besieht alte Stadtpläne oder schreibt zur Beruhigung
Entschuldigungsbriefe für seinen Sohn.
Er könnte eine volkskundliche Studie darüber ver-
fassen, so sehr hat er sich seit seiner frühesten
Jugend mit dem in Wien ietzt schon fast ausge-
storbenen Ritus des „Stechens" beschäftigt; den-
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umw-
Hans Escher in seinem Atelier
Hans Escher, Au nres ma blonde, 1961. Radierung
Hans Escher, Soldaten, Kameraden, 1961. Radierun
Hans Escher, Unfallstation, 1968. Federzeichnung