bisher vom Beschauer abgewandte Figur eine
fünfundvierziggradige Wendung vorgenom-
men, um sich ihm frontal mit gerade gerich-
tetem Blick darzuhieten.
Einer der ersten, der sich mit diesem Form-
und Bedeutungsmtxtiv auseinandersetzte, ist
j. Langel. lir glaubte in der Frontalität ein
Formprinzip zu erkennen, das jeder Primär-
phase der Kunst eigentümlich ist und daher
in keinem Kunstkreis fehlen kann. Dieser
Hypothese schloß sich A. Furtwänglerl an.
Allerdings spezifizierte keiner der beiden
Forscher, ob er unter Primärphase eine des
Technisch-nicht-hewältigen-Könnens meint
oder um eine Primärphase des Mentalen. Bei-
den Hypothesen widersprechen aber die Fak-
ten. E. (iotnbazrl ist in seiner Untersuchung
gründlicher und meint: „On peut expliquer
la frontalite chez les primitifs . . . aussi par
une raison de meticr; Partiste craignant de
briser son tr-uvre colle les bras au eorps et ne
disjoint pas les jambes." Eines wird hier
eindeutig klar, auch Gombaz trennt die Frei-
plastik nicht von Flachhildwerken. Seine Be-
hauptung hat daher auch tatsächlich für die
Großplastik Ägyptens ihre Geltung, wo der
Künstler außerdem noch durch den Mangel
4
s
adäquater VUcrkzeuge und durch den äußerst
harten Werkstoff gehandikapt vrar. (Hier dürfte
man sich fragen, inwieweit das Aufkommen
eines neuen Werkstoffcs, z. B. Eisen oder
Bronze, und neuer Werkzeuge stilbildend
wirken konnten.)
Handelt es sich bei Lange und A. Furt-
wängler bei der Frontalität um eine Primär-
phase (daher allen Stilarten gemeinsam), so
entgegnet dem E. Suys5 mit Recht, daß manche
Kunstkreise, etwa die Griechen, im Laufe
ihrer Entwicklung mit dieser Primitivität ge-
brochen haben, während andere, z. B. die
Ägypter (sie! d. A.), an ihr unabänderlich
festhielten. Ähnlich wie Riegel unterscheidet
also auch Suys nicht zwischen Freiplaslik und
zweidimensionalem Relief und Bild. llr kommt
daher zu dieser absurden Behauptung, obwohl
gerade Ägypten - das wohl in der Große
plastik frontal bleibt -A in der Malerei und
der Reliefbildnerei die Frontalität nie gekannt
hat. lm Gegenteil: gerade an den XWerkcn
Agyptens läßt sich das Prinzip der Profil-
haltung am reinsten nachweisen. Dennoch
kommt Suys zu einem nicht uninteressanten
Resultat, indem er den Bedeutungsgehalt dieser
Körperhaltung erkennt. Zur Unterstützung
seiner These bringt er einen Hieroglj
text, dem zufolge Neferhutep, ein Phar:
XIII. Dynastie, dem Osiris eine Statt
richten will, vorher aber die heiligen I
nach der „richtigen Haltung" befragt.
aber war eine frontale, und Suys scl
„En rin de conipte, on le voit, la rupt"
la frontalite dans la statuaire divine sup
son origine moins un progtes d'ordre
tique qu'un changement dans Pespri.
gieuxlm.
Auch G. RodenwaldV hat den Bedcu
wert der Frontalität erkannt. Aber aucl-
Erklärung wird dem Problem nur zur.
gerecht. Er untersucht nämlich dieses
Prinzip ausschließlich an Denkmäleri
römischen Kaiserzeit, wo es aus eine
steigerten Bedürfnis nach Pathos vetv
wird, das sich auch in der zeitgenöss
Literatur nachweisen läßt. Das ist zwe
richtig, und so sind seiner Meinung na
Kaiserdarstellungcn, etwa am Titusberg,
frontal aufgebaut. Da Rodenwald, im (
satz zu Suys. das Phänomen ausschli
an Werken der weltlichen Kunst unter
sieht er nur ihre gleichsam säkular
Komponente. Soweit die Deutungsve-
der Frontalität.
XVas das Ursprungsland des hlutivs ar
so stehen sich hier zwei widersprüc
Thesen gegenüber, und zwei Grundhalt
lassen sich hier hcrauskristallisieren.
Gruppe von Forschern sieht in der Fror
östliches Formgut, die zweite westliches
klassisches. H. Seyrigs, G. Roden
M. Rostowcetfl" und der Wiener E. I
glauben den Ursprung im Osten zu f
H. Seyrig, dem das fast ausschließliche
kommen der Fruntalität in seinem spe
Forschungsgebiet Syrien seit dem Begit
christlichen Ära nicht entgehen konnte, k
in zahlreichen Aufsätzen immer wiedt
das Problem zu sprechen. Allerdings
fiziert er im Laufe der Zeit seine ursprün
Meinung. Vorerst stellt der Forscher
daß diese Körperhaltung in den syr
Denkmälern allmählich die einzige
zwischen dem ersten und dritten Jahrhi
läßt sich hier kaum noch eine Prorilligur
weisen. Man würde allerdings erwartet
sich der Gelehrte nun auch die Frage
dem Grund dieses so auffälligen Wechs
der Körperhaltung stellt, besonders
diesen Gebieten, wie in Äigfvpten, bishe
die Prorilhaltung verwendet wurde. D01
den Historiker steht die Llrslarungsfra;
Vordergrund. Seyrig erkennt in der Fron
östliches, wahrscheinlich syrisches F0
und bestenfalls eine „Primärphasäl. Rostt
geht i geographisch einen Schritt x"
Da er nachweisen kann, daß die Fron
in graeco-buddhisrischen Denkmälern v:
syrischen verwendet wird, können die
das Motiv von graeco-hurldhistischen Ä
mälern entlehnt haben. Als Vermittler r
Rostowceff nordiranische Denkmäler a
Rostowcefli und Seyrig, als den wicht
Vertretern der östlichen These, schließ
auch Hopkinsll an. Unter den deui
Forschern haben sich V. Müllerß und
Buddelti gleichfalls zur östlichen Thes
kannt. Ob es sich im engeren Sinn un