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noch seinen kirchlich ernsten Charakter sich bewahrt hatte. Wenn
auch im XVI. Jahrhundert die Rocbettes und die Alben
noch nicht mit jenen breiten Spitzensäumen in ausgeschnittener
Arbeit und im Relief-Stich (point de Venise) garnirt zu wer
den pflegten, wie das im XVII. und XVIII. Jahrhundert
der Fall war, so wurde dagegen schon im XVI. Jahrhundert
von der ausgeschnittenen Arbeit zur Verzierung der Hemds
kragen und Handkrausen ein sehr ausgedehnter Gebrauch ge
macht. Insbesondere fanden die ausgeschnittenen Arbeiten mit
geometrisch angelegten Musterungen bei reicher Ausstattung
der laufdecken, mit quadratischen Leinenstoffen zusammen
gesetzt, bei der Aristokratie allgemeine Anwendung. Auch hot
die Einrichtung des bräutlichen Anzuges und die Anfertigung
des trousseau in vornehmen Häusern in Hülle und Fülle Ge
legenheit, gegen Schluss des XVI. Jahrhunderts die venetia-
nische Technik der Weisszeugarbeiten zur Geltung zu bringen.
Als seit den Tagen lerdinands I. und Philipps II. das spanische
Kostüm und die Anwendung des schwarzen Sammt für Oberge
wänder zur Mode geworden war, fanden es auch die Diplomaten
und Krieger für angezeigt, dem Gebrauche der Mode folgend,
die spanischen Kragen, die über dem s’chwarzsammtnen Koller
sich ausbreitete, . mit den kostbarsten Spitzen geometrischer
Musterung zu garniren. Ja selbst an dem Todtenhemde auf dem
Paiadebette wurde eine Fülle von feinem Spitzenwerk aufgeboten,
um die Leiche hochstehender Personen auszustatten. Mit einem
^t. Garnirungen von Spitzen war der unentbehrliche Schmuck
für den jungen Weltbürger, wenn er zum Taufbrunnen geführt
wurde, für die Braut und den Bräutigam, wenn sie an den Trau
altar traten, für den Diplomaten, wenn er bei Hofe erschien, für
den Krieger, v r enn er im vollen Waffenschmuck öffentlich auftrat,
füi den Geistlichen, wenn er mit dem Superpelliceum bekleidet
dem Chordienste beiwohnte, oder wenn er mit der Albe und den
Messgewändern angethan das heil. Opfer verrichtete.
Wenn also dem eben Gesagten zufolge seit dem Schluss des
XVI. Jahrhunderts der Gebrauch und das Tragen von mehr oder
weniger kunstreich gearbeiteten Spitzen bei allen Berufsklassen,
bei Jung und Alt, Hoch und Niedrig so allgemein war, dass mit