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Volltext: Alte und Moderne Kunst XV (1970 / Heft 111)

fangen, nur in seiner Freizeit malend, nach der 
prosaischen Arbeit eines geringbezahlten Statt- 
haltereibeamten zum anerkannten Repräsen- 
tanten der Dafi-ingefschen Schule empor- 
arbeitete. 
Patricius Kittner erlangte seine problematische, 
unsystematische künstlerische räusbiltlung bei 
dem zweitrangigcn Brünncr Maler-Autodidak- 
ten, dem hiönch Leopold Kül'()ll1l3äiy, der ihm 
durch seinen Konservatismus den künstleri- 
schen Aufschwung eher erschwerte und den 
Anlauf seiner Karriere eher im ungünstigen 
Sinne prägte. Über seine Weiteren, vorerst 
dilettantischen Kunststudizn und niibere Fin- 
aristokratiseh-kuliirierten Wien, bildete für 
den Poitrlitisten keinen inspirativen Ansporn. 
Die erste Wandlung machte sich in Kittners 
Schaden in der zweiten lliilfte der dreißiger 
_lahre bemerkbar, als der Maler den Beispielen 
der Wiener Portriitschule Daftingefscher Prä- 
gung begegnete. Die aus dieser Zeit erhaltenen 
Miniaturen zeigen klar, daß der junge Künstler 
von dem noblen Lawrenceschen Stil Daflin- 
gers und seiner Nachfolger ebenso begeistert 
war wie die übrigen miihrischen Maler seiner 
Zeit. Patricitis Kittner absorbierte sehr rasch 
die neuen Anregungen, die im guten Gegen- 
satz zur traditionellen Manier seiner Porträts 
Erkenntnissen, welche in Wien geschulte 
Mährer in ihre Heimat brachten-i und die sie 
in ihrer weiteren künstlerischen Tätigkeit gel- 
tend machten, wahrscheinlich aber auch auf 
der Iklüglichkeit, Nliniatur- und Aquarellpor- 
träts, welche Adelige aufihre mahrischen Land- 
sitze mitbrachten, in Augenschein nehmen zu 
können. Kittner porträtierte zahlreiche Mit- 
glieder des Adels seiner Heimat, und es steht 
außer Zweifel, daß er, voll Ehrgeiz, es mit 
den Wiener Arbeiten aufnehmen wollte. Ob 
der Künstler von Dafiingcr direkt oder nur 
von den Werken seiner Schüler und Nach- 
ahmer beeinl-lußt und inspiriert wurde, läßt 
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zelheiten seines Lebens sind wir nur unzu- 
reichend informiert. Aus seinen Aufzeichnun- 
gen gebt hervor, daß seine künstlerische Tätig- 
keit jedoch bald an Umfang zunabm. ln der 
Zeit vom Mai 1835 bis November 1337 ver- 
zeichnete er allein 196 Miniaturporträts für die 
Brünncr Bourgeoisie und den Kleinadel. Seine 
ersten Arbeiten, gegen linde der zwanziger 
Jahre, stehen vollkommen unter dem läinfiuß 
der traditionellen Konventionen des 18. jahr- 
hunderts und der bereits unmoderti geworde- 
nen Kunstauffassung des Empire. Fain zeitlich 
retardicrter Pointillisrnus wechselt ab mit 
trockenen Konturen, kaltem Kolorit und un- 
verkennbaren Kompositionsproblemen sowie 
Sünden gegen die Anatomie. Die Llnausge- 
glichenheit des künstlerischen Ausdrucks wird 
nur zeitweilig vom unmittelbaren Reiz eines 
naiven Primitivismus überdeckt. Die künst- 
lerische Ambition des jungen Beamten-Malers 
erschöpfte sich zumeist darin, dalS er die phy- 
sische Ähnlichkeit des Porträtierten, der meist 
aucb nicht mehr verlangte, zum Ausdruck 
brachte. Das eher ruhige, bürgerliche Milieu 
des kleinstädtischen Brünn, so entfernt vom 
18 
vor dem jahr 1840 stehen. lir übernimmt 
nicht nur das äußerliche Arrangement und 
Kontptisitionsmerkmale der Wiener hliniattir- 
portrats, sondern auch ihre Ausdrucksmittel. 
Noch tut er dies aber mit der Ungelenkheit 
des Dilettanten, der manche handwerkliche 
Voraussetzungen sowohl der Komposition wie 
auch der Anatomie und Handschrift nicht be- 
herrscht. Trotzdeni aber ist diese Verwandlung 
der entscheidende Anfang von Kittners zxteiter 
künstlerischer Periode, jener der vierziger 
_lahre, die deutlich im Zeichen der Wiener 
Impulse und Inspirationen steht. 
Wie Kittner mit der Wiener Miniatur in Be- 
rührung kam, wissen wir bis heute nicht; wir 
können nur annehmen, daß er weder in Wien 
studierte noch längere Zeit da verbrachte, denn 
dazu hatte er als Statthaltercilveamter niederen 
Grades auch nicht die nötige Zeit. Qeine Toch- 
ter Marie bestritt übrigens in ihrer Korrespon- 
denz gelegentlich der Ausstellung Patricius 
Kirtners in Brünn 1909 jeden direkten Kon- 
takt ihres Vaters mit den bedeutendsten Re- 
präsentanten der Wiener Schule. Des Malers 
Beeinflussung fußte zweifellos vielmehr auf 
sich mit Sicherheit nicht sagen. Offensichtlich 
aber stand der Künstler mit der Dafnngefschen 
Schule während der ganzen vierziger jahre- 
hindurch mit wechselndem Erfolg in einer 
starken Auseinandersetzung 4. Können wir 
einerseits in seinen Miniaturen manchesmal 
eine geradezu sklavische Abhängigkeit beob- 
achten, so ist ein andermal eine ausgesprochen 
subjektive Auffassung feststellbar. Von seinen 
autodidaktischen Anfängen kam Kittner aber 
auch in dieser Schal-liensperiode nicht ganz los, 
und deshalb war es ihm auch nicht möglich, 
trotz seines echten Talentes eine erfolgreichere 
Stellung in der Werthicrarchie der Wiener 
Porträtschtile einzunehmen, die allem 
souveränen malerischen Vortrag, diskrete Be- 
seelung, idealisierte lilcganz und Noblesse so- 
wie kultivierten Reiz schätzte. Außerdem 
fehlte dem Künstler jener gesellschaftliche 
Charme, welchen die aristokratisch-hötische 
Gesellschaft eben voraussetzte und verlangte. 
Ab der vierziger Jahre können wir Kittners 
Vilerk in zwei Scl1a5ensperi0den teilen. Im 
ersten Abschnitt dominieren Miniaturportrats 
auf kleinen Elfenbeinformaten. Diese sind teil- 
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