OSTERRElCl-[ISCHES
MUSEUM FUR
ANGEWANDTE KUNST-
AUSSTELLUNGEN
1 Nikopma. Griechisch, 1. Halfte17.JahrhunderLElchenholz,
Tempera auf Levkas, Gold, 225x164 cm
2 Ikone mit mehreven Heilxgen. Griechisch, 1. Halfte 17. Jahr-
hundert. Nußholz, Tempera auf Levkas mit Goldgrund,
19,7X14,B cm
GRIECHISCHE IKONEN UND MINIATUREN
Vierte Sonderausstellung der Bibliothek und
Kunstblättersammlung. Ausstellungsraum der
Bibliothek, 28. April bis 27. September 1970
Die auf unbestimmte Zeit erfolgte leihweise Über-
lassung einer Privatsammlung griechischer Ikonen
an die Bibliothek des Österreichischen Museums für
angewandte Kunst gab Anlaß dazu, die religiöse
Kunst der Ostkirche in einer Ausstellung zusammen-
zufassen. Dieser Bestand wurde durch weitere Leih-
gaben ergänzt, darunter einige besonders kostbare
byzantinische Codices der Handschriftensammlung
der Österreichischen Nationalbibliothek. Aus alle-
dem ergab sich, eine kleine Ausstellung unter dem
Thema „Griechische Ikonen" vor allem aus jener
Zeit zu zeigen, in der Griechenland unter türkischer
Besetzung, unter der Herrschaft der Mohamme-
daner stand und somit die europäische Kultur
Griechenlands zurückgedrängt war und die Ost-
kirche es übernommen hatte, das Bewußtsein dieser
Kultur weiter zu erhalten. Es ist Verdienst der Ost-
kirche, daß das Christentum in diesen Ländern über
fast fünf Jahrhunderte hinweg tatsächlich erhalten
geblieben ist. Dafür spielten nicht nur die religiösen
Aktivitäten der Klöster und einzelner Pfarreien eine
entscheidende Rolle, sondern auch jene Kunst-
werke, die in unmittelbarem Zusammenhang mit
dem Kult stehen, vor allem die Ikonen.
Ikonen sind Bilder religiöser Szenen und heiliger
Personen. Nach Einrichtung und Auffassung der
Ostkirche sind diese Darstellungen aber wesentlich
enger mit dem Kult verbunden, als es im Westen
in allen Jahrhunderten der Fall war. Man erwartete
von Ikonen eine besondere Vermittlung religiöser
Verinnerlichung und Kontemplation und hat, von
dieser Voraussetzung ausgehend, die Bilder nach
besonders strengen Gesetzen verfaßt und dadurch
ihre intensive religiöse Wirkung erreicht. Man ging
sogar so weit, durch Konzilsbeschlüsse die Stellung
und Bedeutung dieser Bilder festzulegen. und man
legte ein Malbuch an, eine Anweisung an den je-
weiligen Künstler, wie die einzelnen Bilder thema-
tisch und formal herzustellen sind. Daraus ergab
sich eine strenge, in vielen Fällen oft völlig gleich-
bleibende Form, die für uns oft den Eindruck der
Kopie erweckt.
Für die wichtigsten Bilder, das sind vor allem die
von Christus und Maria, sind ganz besondere Typen
entwickelt worden, die in mannigfachen Beispielen
aus vielen Jahrhunderten existieren. Somit handelt
es sich bei Ikonen nicht um eine persönliche Vor-
stellung des einzelnen Künstlers, um seine indi-
viduelle Anschauung der religiösen Probleme und
Vorstellungen, sondern um allgemein gültige Vor-
stellungen, die durch das Bild jedem einzelnen Be-
trachter vermittelt werden sollen. Man spricht daher
in den religiösen Texten der Ostkirche von einer
Transparenz der Ikone, durch die man gleichsam
hindurchsehen kann, um durch den Heiligen auf
das Heilige zu blicken. Daraus ergeben sich gewisse
formale Konsequenzen, wie die Frontalität. starrer,
strenger Blick aus übergroßen, geweiteten Augen,
Bewegungslosigkeit und ausstrahlende Ruhe. Selbst
Szenen aus dem Christusleben oder dem Leben der
Heiligen erreichen dabei in den meisten Fällen
einen zuständlichen Charakter. Die künstlerische
Durchführung der Bilder ist selbstverständlich von
sehr unterschiedlicher Natur.
Freilich gab es auch bedeutende Künstler, die die
Absicht dieser Kompositionen voll erfaßten und
formal in meisterhafter Weise durchtührten, und es
entstanden einzelne volkstümliche und klosterliche
Arbeiten von bescheidener künstlerischer Form. Die
Wirkung war in allen Fällen aber die gleiche.