6
Helle, kräftige Farben bilden zunächst meist geometrische Muster,
welche Teppiche und Matten, den ursprünglichsten Schmuck der Wände,
nachbilden sollen. Der Ursprung der einfachsten Motive aus der Textil
industrie ist leicht zu erkennen und wird sich auch bei complicirteren
noch durchfühlen lassen; daneben kommen aber auch Muster vor, in
welchen helle weiße oder gelbe Windungen vorherrschen, die augen
scheinlich aus gebogenen Drähten gebildete Metallverzierungen nach
ahmen sollen. Ueberall aber sind dazwischen Blumenmotive in strenger
Stylisirung verstreut und noch mehr als bei der Wand-Decöration bilden
Lotus- und Papyrusblüthe den Schmuck der Capitäle und den Abschluss
fries der Wand, gleichsam Blumenkränze symbolisirend, welche bei fest
lichen Gelegenheiten um diese Bauglieder gelegt wurden. Wie alt und
frühe schon durchgebildet eine symbolische Decoration war, dafür haben
wir ein anderes Beispiel in jenen Deckenfeldern, die uns auf blauem
Grunde den fliegenden Sperber, das mythische Bild der Sonne, zeigen,
oder zerstreute Vögel, die sich in blauer Luft tummeln. Solche Decken
bekennen eingestandenermaßen, dass sie das ausgespannte Himmelszelt
imitiren wollen. Wie nun der Schmuck der Wände durch Teppichmuster,
die Verwendung des vegetabilischen Ornamentes, die symbolische Ver
zierung ausgezeichneter Räume durch alle Kunststyle bis in unsere Zeit
fortdauerte, so finden wir auch schon auf ägyptischen Wänden eine vierte
Art der Verzierung, nämlich durch historische Gemälde sowohl religiöser
als profaner Art. Ja dieselben bilden sogar den gewöhnlichsten Schmuck,
überziehen die Wände ganzer Tempel und aller Gemächer der Grab
kammern, indem sich die ornamentale Verzierung auf ein um diese
Wände und die einzelnen Bildfelder laufendes Band, auf Friese, Ver
zierung der Decken und der freistehenden Bauglieder, wie Säulen,
Anten etc. erstreckt. Nicht immer sind diese Malereien flach, sondern
oft werden sie durch ein sehr flaches Relief des Stucco - Ueberzuges
gehoben, und nur wenn diese Reliefs selbst schon in schönfarbigem
Steine, wie in Rosengranit, ausgeführt sind, entbehren sie des farbigen
Ueberzuges.
Der Zeit am nächsten stehen nun die Ueberreste assyrischer Deco-
ralion, die wir in einem Pultkasten der Wandnische vorlegen. Sie sind
aus Layard’s Werk: »The monuments of Niniveh« genommen. Die ver
suchte Restauration eines Saales zeigt uns ein ähnliches Decorations-
system wie das ägyptische, nur ist der Eindruck schwerer, die Ornamen-
tation weniger durchgebildet und beweglich, der Einfluss der Metall-
decoration auf die Malerei noch mehr in die Augen springend. Sowohl
die als häufigstes Motiv verwendete Rosette ist den Köpfen von Bronze
nägeln nachgebildet, auch der als gewöhnliches Decorationsmotiv ver
wendete Lebensbaum weist mit seinen drahtartig verflochtenen Zweigen
auf metallische Vorbilder hin.