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Volltext: Alte und Moderne Kunst XV (1970 / Heft 112)

überall Rücksicht genommen werden, inso- 
ferne sie irgend dazu dienen konnten, hervor- 
ragende Persönlichkeiten deutlicher zu be- 
zeichnen, oder die Kunstzustände der ver- 
schiedenen Perioden im Allgemeinen anschau- 
licher zu machen"37. 
Wolzogen schrieb 1867 über den Zyklus: 
„Ohne seine dichterische Freiheit aufzugeben, 
läßt der Maler den einzelnen Personen und 
Thatsachen, wenn auch hie und da nicht au- 
thentische mit unterlaufen, ihr individuelles 
Recht widerfahren, und eben hierdurch ist es 
ihm möglich geworden, Compositionen zu 
schaffen, die für sich selbst deutlich und be- 
deutsam sind. Vorzugsweise verstand er es 
auch hier, seine tiefere poetische Erfassung 
des geistigen Gehalts in den Erscheinungen 
der Wirklichkeit vermittels einer Zeichen- 
Symbolik und durch allegorische Gestalten 
vorzuführen" 38. 
Cornelius) Fresken in der Glyptothek waren 
noch vom überlieferten griechischen Mythos 
ausgegangen und hatten mit ihm verallge- 
meinernd göttliches und menschliches Wirken 
gedeutet. Schinkel hatte sich in seinem Fresken- 
zyklus in der Vorhalle des Berliner Museums 
von einem festgelegten Sagenstoff gelöst und 
schilderte einen selbst erdichteten, an anti- 
kische Vorstellungen angelehnten romantisch- 
heroischen Mythos von der „Bildungs- und 
Geistesgeschichte der Welt insonderheit des 
Menschengeschlechtes"39. Die Fresken der 
Pinakothek lösten aus diesen allgemeinen 
Darstellungen den Komplex der neueren Ge- 
schichte der Kunst heraus. Sie stellten einen 
historisch faßbaren Zusammenhang dichterisch 
verklärt dar. Diese Darstellung, als malerische 
Dichtung betrachtet, daher ganz legitim gar 
nicht um historische Richtigkeit bemüht, ist 
die erste ihrer Art. Sie trat an die Stelle der 
vorhergehenden großen Museumszyklen, die 
noch nach einer der Bauaufgabe Museum ent- 
sprechenden Form tasteten. 
Da die einzelnen Säle für vorherbestimmte 
Bilder und Bildergruppen geplant waren, 
konnte Klenzes ornamentale Dekoration darauf 
Bezug nehmenw (Abb. 12). Der Charakter 
des Ornaments in jedem einzelnen Saal war 
auf die stilistische Eigenart der Epoche, der 
Malerschule oder des Künstlers abgestimmt, 
die darin ausgestellt waren. Im Rankenwerk 
konnten figürliche Motive auftauchen. Außer- 
dem waren Medaillons oder Schilder einge- 
streut, die Reliefdarstellungen enthielten oder 
Texte Wiedergaben: Namen von Künstlern 
und Ruhmesinschriften. 
Das Deckenornament des ersten Saales ent- 
hielt Reliefs mit Szenen aus dem Leben Jan 
van Eycks, die nicht gedeutet sind. Inschriften 
gaben Künstlernamen wieder: „Meister Wil- 
helm, Johann van Eick, Johann Hemling, 
Quintin Metsys, Bernhard van Orley, Lucas 
van Leyden, Johann von Mabuse, Johann 
Schoreel." 
Im Ornament des zweiten Saales waren vier 
Szenen aus dem Leben Dürers dargestellt, 
darunter „Empfang Dürers in Antwerpen" 
und „Kaiser Maximilian und Dürer besichtigen 
einen Triumphzug". 
Auch die Dekoration des Rubens-Saals (Abb. 
12) enthielt „einfache allegorische Darstel- 
lungen"4l: Jupiter als Stier, der die Europa 
22 
raubt, vielleicht Anspielung auf Rubens' 
Sinnlichkeit; eine auf einem Pfau schwebende 
weibliche Figur, Juno, auch als Allegorie der 
Rubens'schen Malkunst gedeutet; Neptun, der 
drei Quellen aus dem Fels schlägt, vielleicht 
Anspielung auf Rubens" künstlerische Frucht- 
barkeit; eine Szene aus der Prometheus-Sage, 
vielleicht Anspielung auf Rubens' Schöpfer- 
kraft; Allegorien der Erdteile Asien, Afrika, 
Amerika, Europa, vielleicht Anspielung auf 
Rubens' Weltgeltung; im Rankenwerk: Gra- 
ziert, Genien, Faune u. a. 
Im bildlichen Programm der Pinakothek blieb 
Ludwigs Anspruch, als Kunstförderer be- 
wundert zu werden, nicht mehr unsichtbar. 
Dem Eintretenden brachte sich der bayrische 
Herrscher durch die beiden Löwen in Erinne- 
rung. Im Saal der Stifter präsentierte er sich 
unter seinen Vorfahren, die sich um die Kunst- 
sammlung verdient gemacht hatten, als der 
V ollender von deren Werk und Errichter der 
Pinakothek. In der Reliefserie mit Darstel- 
lungen aus der bayrischen Geschichte trat er 
im letzten, den Endpunkt der Entwicklung 
wiedergebenden Medaillon auf: bei der Grund- 
steinlegung der Walhalla, nicht, wie man er- 
warten könnte, bei der Grundsteinlegung der 
Pinakothek. Die Lünetten über dem Eingang 
und Ausgang der Loggien enthielten jeweils 
die sinnbildliche Darstellung, in der ein be- 
kränztes L, der Anfangsbuchstabe des Herr- 
schernamens, auf Ludwig hinwies. Den Höhe- 
punkt aber bildete das Fresko in der Lünette 1, 
„König Ludwig im Palmenhain der Musen" 
(Abb. 11), das Ernst Förster ausführlich be- 
schrieb. „An der Hand seines Genius tritt 
König Ludwig in den Palmenhain der Musen, 
Begeisterung erfaßt ihn, wie er sich umgeben 
sieht von Geistern der Vorzeit, die von Jugend 
auf seine Seele mit Bewunderung und Liebe 
erfüllt. Da steht der blinde Sänger der Iliade, 
neben dem jugendlichen Dichter der Aeneide, 
zu denen Horaz sich gesellt, Catull und Pro- 
perz; da sitzt am Boden Dante und lauscht 
den Worten Beatricens, hinter ihm Boccaccio, 
welchem Petrarca sich nähert, ohne zu merken, 
daß Laura, die sich Sappho angeschlossen, 
auf ihn die Blicke richtet. Und wendet der 
König sich zu seiner Linken, so erblickt er 
Michel Angelo und Leonardo in tiefen Ge- 
danken, Raphael, den Blick nach oben ge- 
richtet, von wo himmlische Musik erklingt, 
und unverwelkliche Kränze herabgeworfen 
werden. Aber auch die Erdenschönheit ist ihm 
ins Land der Unsterblichkeit gefolgt, die 
schöne Fornarina. Masaccio und Fiesole, 
Dürer und Holbein, Van Eyck und Rubens, 
und wen man noch gern sehen würde von 
italienischen und deutschen Meistern, können 
wir uns bei den anonymen Gesichtern denken 
(in der Ausführung sind wahrscheinlich auf 
Wunsch des Königs, v. Klenze, v. Cornelius 
und Zimmermann hinzugetreten)"4l. 
Neue Pinakothek 
Das Bildprogramm der Neuen Pinakothek 
(Abb. 3, 13-27) beschäftigte sich ausschließ- 
lich mit der zeitgenössischen Kunst43. 
Die ungewöhnliche Architektur des Gebäudes 
war von vornherein darauf angelegt, einem 
Zyklus von Wandmalereien an den Außen- 
wänden des Obergeschosses Platz zu bieten. 
13 Neue Pinakothek. Entwurf zum Fresko im rcrlltclt Feld d 
Ostwand: Architektur. Bildhauerei, Erzgicßcrei 
14 Neue Pinakothek, Entwurf zum FlCSkO ilu linken Feld d 
Ostwand: Frcskomalcrci, Ölmalerei. Vaselunalcrei 
15 Neue Pinakothek, Entwurf zu Kunstlcrdarstelltlngen an d 
Nordwand: Thorvaltlscu. Klcnv: 
ANMERKUNGEN 37744 
37 Comclius-Zimrnerrnann 1840, S. VI. 
35 Wolzogen 1867, S. 65. 
39 Max Schasler, Die königlichen Museen von Berlin, Der 
1855, S. 5 f. 
447 Zusammenfassend dargestellt bei Böttgcr 1968. S. 353i} 
4' Lco von Klcnzc. Sammlung architektonischer Entwürfe. 
41 Förster 1375, S. 17. 
43 Die Beteiligung Ludwigs und anderer Personen an der l 
hndnng des Programms ist noch nicht ausreichend crforsc 
B ist zu hotTen, daß div: angekündigte Dissertation Mittlmei 
dazu ncucs Material liefcrn wird, 
4' Skizzen Wilhelm von Kaulharhs zu den Fresken dcr Net 
Pinakothek befinden si in den Bayer. Staatsgemildesaln 
lungen in München. e sind in ol auf Leinwand gern. 
Die Maße srimrnm im einzelnen nicht überein, sondern schw: 
ken zwischen 70-80 cm (Höhe) und 150- 180 crn (Brei! 
Nicht alle Bilder sind datiert. Die bekannten Daten - 18' 
1353. 1354 - zeigen jedoch. daß die Skizzen jeweils vor i 
Ausführung der cinzelnm Fresken entstanden sein müsst 
WAF 406 (Abb. 25) Ludwig l. und die von ihm gcsammcll 
Kunstschätzc, 80 x 165 cm, "Entwurf 
den Bildern an dcr Pinakothek. IV li 
an dcr Südscitc. W. Kaulbach. Müncl 
1848." 
WAF 407 (Abb. Z3) Deutsche Künstler in Rom. 80 x 168 c 
WAF 408 (Abb. 24) Aufträge Ludwigs an die Künsrl 
77,5 x 164 cm. "Entwurf zu den Bild: 
an dcr N. Pinakothek. lll Bild an I 
SlidSvClfC von Wilhelm Kaulbach. 1H 
WAF 409 (Abh. 22) Bekämpfung des Zopfcs. 81 X1785 c 
WAF 410 (Abb. 26) Die unter Ludwig tätigen Maler, 8( 
  
168 Ctrl. 
was 411 (Abb. 21) Die unter Ludwig tätigen Architekt 
a0 x 168 CHI. 
war 412(Abb.28) Die unter Ludwig tätigen Bildliau 
80 x 178 cm. 
WAF 413 (Abb. w) um weibliche Gestalten: Architekt 
Erzgicßcr . Bildhauerei; 13 x es cm. 
was 414 (Abb. 20) um weibliche Gestalten: Monument 
malcrci. Vascluualcrei, Taftlmalel 
13 x es cln. 
WAF 415 (Abb. a3) Künstlerftst. 74 x lso cm. 
WAF m (Abb. 29) Glasmalerei, 73x68 cm, .,wk 185 
war 417(Abb.J1) fgääcllanmailufaktur, 1a x67 cm, .,v 
WAF m (Abb. 32) Huldigung an Ludwig. 72 x l11 cm. 
was 419 (Ahnao) Erzgießerei, vsxiss cm, "WK 185 
was 420 (Abb. 21) Thorvaldseu, Klenze, 74x 11a cm. 
WAF 421 Cornelius. Ohlmüllur. l'. v. H4 
74 x 163 Cm. 
WAF 422 Gärtner. Schnorr, H. v. Hrss, Rottma 
74 x 298 Cm. 
WAF 423 Zirblaud, Srhwanrhaler. Schurn, 71 
162 cm. 
WAF 424 Kaulhach. Sehraudolph. 73,5 x 179 1' 
Der Aufsatz Schaucnbcrgs 1921 hat" zahlreiche Angaben 1 
Erklartutg des Dargestellten.
	        
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