standen, über den Künstlern hochgehalten
wurde. Zum Teil reagierten die Putten in
Gestik und Mimik auf die unter ihnen stehen-
den Künstler: zwei Putten mit dem Blick auf
Schnorr von Carolsfeld, der sich frühzeitig in
einem Zeitungsartikel polemisierend über
Kaulbachs Malereien an der Neuen Pinakothek
geäußert hat, iiüsterten miteinander; die
Puttenpaare über Kaulbach selbst rangen ent-
setzt die Hände. Schilder bezeichneten die
dargestellten Künstler.
Die zwölf übrigen größeren Bildtlächen waren
mit einer Serie von Historienbildern gefüllt,
die sich zum Ziel setzte, die Entwicklung der
zeitgenössischen Kunst unter Ludwig I. und
deren wichtigste Vertreter, die Verdienste
Ludwigs um einzelne Kunstgebiete und schließ-
lich dem König dafür dargebrachte Huldi-
gungen der Künstler und des Volkes zu
schildern (Abb. 16-27). „Kunstschöpfungen
König Ludwigs" überschrieb das erste „Ver-
zeichnis der Gemälde in der Neuen König-
lichen Pinakothek" von 1855 den Zyklus. A
Alle Bilder enthielten Szenen, die in sich die
Einheit von Ort und Zeit zu wahren schienen.
- Die Handlungen der ersten sieben Bilder
auf der Südseite waren erfunden, um histori-
sche Vorgänge abgekürzt zu symbolisieren;
Akteure, Requisiten und Hintergründe, die
nie zusammen erschienen sind oder hätten er-
scheinen können, in der ersten Szene sogar
Phantasiegestalten und mythologische Figuren,
waren in ihnen kombiniert. - Die drei Bilder
der Westseite zeigten Szenen im Innern
bayerischer Kunstanstalten, die glaubhaft rea-
listisch inszeniert waren, jedoch ebenfalls nicht
mögliche Figurenkombinationen enthielten. -
Zwei Bilder an der Nordseite mit Huldigungs-
szenen machten gleichfalls den Eindruck
möglicher Realität. Sie vereinten jedoch ver-
schiedene historische Begebenheiten und füg-
ten frei erfundene Personen hinzu.
Die sieben Bilder an der Südfassade, der
Hauptfront des Gebäudes, sollten von rechts
nach links gelesen werden (Abb. 16722). Sie
waren jedoch in eine etwa symmetrische
Ordnung gestellt. Die drei Bilder mit Dar-
stellungen zur zeitgenössischen Kunst-
geschichte auf der rechten Hälfte gehörten
zusammen; sie waren historisch aufeinander-
folgend gemeint. Die drei Bilder der linken
Hälfte, Darstellungen der unter Ludwig
tätigen Maler, Architekten und Bildhauer,
ließen sich zusammenfassen; sie mußten als
historisch gleichzeitig erscheinen. Das Mittel-
bild, Ludwig als Museumsgründer, Kunst-
sammler und Denkmalpiieger, stellte Ludwig
vor den Giebel der Glyptothek in die Mitte,
so daß seine Gestalt und der Glyptotheks-
giebel die gesamte bemalte Fassade beherrsch-
ten.
Das erste Bild stellte die „Bekämpfung des
Zopfes" dar (Abb. 16). Die drei Grazien waren
in ein Verlies gesperrt, auf dem ein drei-
köpfiges perückentragendes Ungetüm mit
scharfen Krallen sie bewachte. Von links
schwebte Minerva mit Schild und Speer und
einer Eule hinter sich heran. Sie schickte drei
Kämpfer gegen den Zopf vor: Winckelmarin,
der ein Tintenfaß schleuderte, Thorvaldsen,
24
der einen Hammer schwang, und Asmus
Carstens mit den wiedergefundenen Walfen
des Griechentutns. Hinter ihr stieg Schinkel
mit geschultertem Winkelmaß aus dem Spree-
sumpf (eine deutlich gegen Berlin-Preußen
gerichtete Polemik). Von rechts ritten Cor-
nclius mit einem zweibändigen Schwert,
Overbeck mit der Glaubensfahne und Philipp
Veit, der einen Vierten nach sich zog, auf dem
Pegasus gegen den Zopf an. Ein Vertreter
des akademischen Klassizismus um 1700 mit
Kunsttraktat und Gliederpuppe, Geratd de
Lairesse, wurde von ihnen überrannt.
Das zweite Bild zeigte das Studium der
deutschen Künstler in Rom (Abb. 17). Vor
der Porta del Popolo, durch die ein junger
Künstler mit dem Ranzen auf dem Rücken
einzog, saßen ein Eremit und eine junge Mut-
ter mit Kindern. Friedrich Overbeck war vor
ihnen niedergekniet. Christoph Nilson (der an
der Ausführung der Fresken mitgearbeitet
hat) saß und malte die Gruppe; das „Kunst-
blatt" diente ihm als Unterlage der Farbtuben.
Georg Hiltensperger stand neben ihm und
zeichnete die Gruppe in ein Skizzenbuch.
Von rechts kam ein Zug mit Früchten be-
ladener junger Bauern und zwei tanzende
Paare. Michael Echter (der an der Ausführung
der Fresken mitgearbeitet hat) und Julius
Muhr standen und zeichneten ihn. Auf der
Mauer saß Adam Eberle, dahinter erschien
Kaulbach, und beide skizzierten ebenfalls den
Zug.
Im dritten Bild war die Berufung der Künstler
aus Rom nach München dargestellt (Abb. 18).
Rechts standen die Meisterwerke Roms, der
„Kapitolinische Zeus", die bronzene Petrus-
statue aus St. Peter, Michelangelos Moses,
Raffaels Teppiche „Paulus in Lystra" und
„Berufung Petri". Links erschienen die zu-
künftigen Meisterwerke in Bayern, die Ruh-
meshalle, die Bavaria und die Walhalla. Ein
Herold trat zwischen den Säulen der Wal-
halla hervor und hielt eine Liste der späteren
Vorhaben Ludwigs I. empor: „Walhalla,
B. Ruhmeshalle, Feldherrnhalle, Siegesthor,
H. Bonifatiuskirche, Mariahilfkirche, H. Lud-
wigkirche, Allerheiligen-Cappelle, Pinakothek,
N. Pinakothek, Bibliothek, Kriegsministerium,
., Glyptothek, Kunstausstellungsgebäude,
Universität, Königsbau, Saalbau, Odeon, Lud-
wigshof, . . .". Vor dieser Liste kniete Gärtner,
Heinrich von Hess beugte sich zu ihr herab,
Klenze und Cornelius, eine Mappe mit seinen
Illustrationen unter dem Arm, standen davor,
Schnorr von Carolsfeld trat herzu. Hinter
ihnen saß Schwanthaler und drehte sich zu
ihnen um. Alle wandten sich damit der Wal-
halla zu, in der später ihre Büsten aufgestellt
werden sollten. Vier andere Gestalten ver-
körperten die Unberufenen, weniger Erfolg-
reichen, ein Kniender mit Skizzenbuch, ein
Kunstgelehrter mit Romführer, ein ewig
Kopierender und ein Verzweifelnder, der
seine Zeichnung zerknüllte (in dem man
vielleicht den unglücklichen Victor Emil
Janssen sehen kann). Inschriften mit Kreuzen
in der Mauer rechts erinnerten an die früh
verstorbenen Künstler Carstens, Eberle und
Fohr. Rechts musizierten unbekümmert zwei
Ziegenhirten.
Das vierte, mittlere Bild pries Ludwig als
Museumsgründer, Kunstsammler und Denk-
malpl-leger (Abb. 19). In der Mitte stand der
König in der Tracht des Hubertusordens
vor dem mit Löwen verzierten bayrischen
Thron. Hinter ihm sah man den Portikus der
Glyptothek, die Südfassade der Alten Pinako-
thek und die Hauptfront der Staatsbibliothek.
Links wurden ägyptische und klassisch-antike
Kunstwerke gezeigt, eine Statue vom Zeus-
tempel in Aegina, der „Barberinische Faun",
die „Barberinische Muse", eine Statue der
Minerva, ein römischer Kandelaber und einige
Fragmente. Winckelmann stand zwischen die-
sen Skulpturen und erklärte sie. Rechts er-
schienen Sammler und Museumsbeamte Lud-
wigs: Sulpiz Boisseree mit einem mittelalter-
lichen Glasgemälde, Galeriedirektor von Dillis
mit einem mittelalterlichen Triptychon, der
Kunstbeauftragte Martin von Wagner mit
neuergrabenen antiken Vasen, Franz Brulliot,
der Inspektor der Kupferstichsammlung, mit
einer Graphikmappe. Aufschriften der Rollen
vor dem Thron erinnerten an die Restauratio-
nen des Bamberger Doms, des Speyerer Doms
und der Glasfenster des Kölner Doms.
Das fünfte Bild zeigte die unter Ludwig
tätigen Maler (Abb. 20). Im Hintergrund sah
man links Heinrich von Hess mit einem Fresko
der Allerheiligen-Hofkapelle, rechts Cornelius
und seinen Mitarbeiter Karl Hermann mit
einem Fresko der Ludwigskirche. Im Vorder-
grund links stand Karl Rottmann vor einer
Ölskizze seines Griechenlandzyklus (der in
einem eigens dafür angelegten Saal in der
Neuen Pinakothek gezeigt wurde) und dis-
kutierte mit den Malern Heinrich Bürkel
(vorn), Peter von Hess (dahinter), Dietrich
Monten und Albert Adam. Hinter ihnen lehnte
ein Karton zu den Nibelungenfresken in der
Residenz, ohne daß deren Urheber, Schnorr
von Carolsfeld, dargestellt wäre. Dahinter er-
schien der Kunsthistoriker Athanasius von
Raczynski, der einen Band seiner in den
Jahren 183671841 erschienenen „Geschichte
der neueren deutschen Kunst" Kaulbach ge-
widmet hatte. In der Mitte des Bildes arbeitete
Johann Schraudolph an einem Madonnenbild;
Clemens Zimmermann und der Stecher Sa-
muel Amsler sahen ihm zu. Das vor ihm
sitzende Modell sollte sicherlich an die berühmte
Vittoria Caldoni erinnern, ein italienisches
Mädchen, das vielen deutschen Malern in Rom
Modell gesessen hatte. Von rechts kamen ein
Herold und ein Schatzmeister mit Orden.
Das sechste Bild stellte den Baubetrieb und
die unter Ludwig tätigen Architekten dar
(Abb. 21). Der bedeutendste von ihnen, Leo
von Klenze, saß etwas abgesondert links in
einer Bauhütte am Zeichentisch. Vor der
Hütte standen August von Voit (Erbauer der
Neuen Pinakothek), Ziebland und Ohlmüller;
Gärtner, als offener Gegner Klenzes, hatte
sich abgewandt und sah den Steinmetzen und
Maurern zu, die an dem von ihm entworfenen
Siegestor arbeiteten. Im Hintergrund standen
Klenzes Walhalla und Befreiungshalle.
Das siebente Bild schildert die Tätigkeit der
Bildhauer unter Ludwig (Abb. 22). In der
Mitte waren die eigentlichen bayerischen
Bildhauer am Werk: Schwanthaler saß vor
seinem Walhalla-Giebel und blickte zu seinem