Buchbesprechungen
Alfred Hrdliclta, Alfred Hrdlicka, Künet-
lerbücher. Heinz Mooa Verlag, München.
173 Saiten. Abbildungen. DM 5B,-
Nur Kurt Schwittars kenne über Kurt Schwittars
schreiben, sagte Kurt Schwitters und pflegte
seine Freunde mit erhobenem Zeigefinger zu
ermahnen, kompetente und für die Nachwelt
bestimmte Äußerungen zu Person und Werk
doch lieber ihm selber zu überlassen.
Alfred Hrdlicka scheint der gleichen Ansicht
zu sein. Sein Buch ist iedenfalls nicht nur
das origtnellste Hrdlicka-Buch, das bisher
erschienen ist (und es gibt ihrer schon
etliche), sondern auch das amüsanteste Kunst-
buch des letzten Jahres. Und es ist mehr als
nur amüsant: Es ist spannend wie ein Krimi,
serios wie ein Lexikon, und es birst geradezu
von Primärmaterial (Photos, die die Atmo-
sphäre der Nachkriegsjahre fixieren, Zeitungs-
ausschnitte, die Bildanregungen wurden. und
dergleichen).
Hrdlicka (der Name hat zwei Vokale zuviel,
zumindest das .i" sollte man korrekterweise
nicht aussprechen, sondern lieber verschluk-
ken) hat die Fabulierlust von Horst Janssen.
den Spaß am Schachspiel von Marcel
Duchamp, die Bestimmung zum Zahntechniker
vom Vater, die Leidenschaft für Hell- und
Dunkeleflekte von Rembrandt - nur von Fritz
Wotruba, bei dem er immerhin sechs Jahre
lang, von 1952 bis 1957, an der Wiener
Akademie Bildhauerei larnta, hat er nichts.
und das ist betrüblich.
Überhaupt scheinen mir seine Radierungen
konzentrierter, disziplinierter, gegenwärtiger zu
sein als seine berserkerhalt bearbeiteten
Steine s aber das ist Ansichtssache, und auf
die Ansichten von Kunsthistorikern und
Kritikern hat Alfred Hrdlicka nie viel gegeben.
Sonst würde er nicht so viele von ihnen in
seinem Buch abdrucken, mit durchaus
hamischer Genugtuung: .Das Genitelischa
überschattet bei Hrdlicka das Gentalische" -
das ist eine Pointe, die eine Zeitlang in allen
Hrdlicka-Kritiken wiederkahrte; ein Kritiker
hat sie vom anderen abgeschrieben.
Überhaupt hat Hrdlicka in seiner öster-
reichischen Heimat viel Wirbel hervorgerufen.
Außer Ernst Fischer und Paris Gutersloh,
Friedrich Welz und Otto Breicha, den Pro-
fesseran Muschik, Koller i, Koschatzky und
Mrazek haben nur wenige von früh an sein
Lob verkündet 7 neben Hundertwasser.
Rainer und Mtihl durfte er dort zu den best-
gehaßten und meistverspotteten Künstlern
zählen, was er getrost als ein gutes Zeichen
nehmen darf. Nach seinem Tode wird es, wie
viele Beispiele lehren, gewilS anders werden;
da er sich aber, verstandlicherweise, nicht nur
mit seinem Nachruhm begnügen will, hat er
sich inzwischen in einigen anderen Ländern
umgetan, als Devisenbringer sozusagen, hat
in Venedig ausgestellt, in Ljubljana einen Preis
kassiert, nach England verkauft, in Deutschland
publiziert - die Aktiv äten ließen sich auch
austauschen, er hat sich in der Schweiz
einen Preis geholt, in Deutschland Aus-
stellungen gemacht, in Japan Anerkennung
gefunden, in Osterreich publiziert, protestiert,
schockiert . . .
Sein Buch, das von all dem berichtet. ist
witzig, aber es ist nie nur privat, und nie wird
es albern. Es ist anschaulich, es ist informativ,
und im Grunde ist es ernst, so wenig Hrdlicka
seine Arbeit „tierisch ernst" zu nehmen
scheint.
Alfred Hrdlicka, Drei Zyklen (Winckal-
mann, Haarmann. Floll over Mondrian).
Einleitung von Johann Muachik. Verlag
für Jugend und Volk. Wien, 96 Seiten,
Ab tldungen, DM 52,30
Dieses Werk führt ins Zentrum seiner künst-
lerischen Vorstellungen. Alfred Hrdlicka selber
nennt diese drei Zyklen seinen "Beitrag zur
Kunsttheorie des 20. Jahrhunderts", und damit
scherzt er nicht.
Winckelmanns oadle Einfalt und stille Große"
Mondriens rechte Winkel und gerade Linien
und schließlich Haarmann, der Mörder - sie
alle in einem Atemzug. Was hat das alles
miteinander zu tun? Hrdlicka ist ein engagierter
Künstler, und sein ganzes Werk ist ein Auf-
56
stand gegen den Ästhetizismus. ,lch träume
nicht, ich lese Zeitung", sagt er. Er glaubt
nicht an die Formel von der .stillen Große"
und nicht an das Glück vom Winkel, er
glaubt nicht an die Harmonien und Ordnungen
Mondrians. Sie erscheinen ihm ohne alle
Natur. In Mondrian erkennt er den Erben der
klassizistischen Kunstideale Winckalmanns,
und in seinen so korrekten weißen Bildern sieht
er auch das ..Unbescholtenheitszeugnis"
Haarmenns.
Ästhetik und Verbrechen, das ist ein Thema:
Denn auch Haarmenn wer Ästhet. suchte sich
zierliche und gepflegte Knaben aus gutem
Hause, zerhackte und zerlegte die Leichen
kunstgerecht, schrubbte die blutigen Tische
sauber. und dann, nach getaner Arbeit,
wusch er seine Schürze und machte sich
schwarzen Kaffee. In dieser Prazisionsarbeit
entdeckt Hrdlicka den gleichen verhängnis-
vollen Mechanismus, den ein anderer ..Ästhet"
dann anderthalb Jahrzehnte später in den
KZs ins Werk setzen ließ.
Hrdlickas Botschaft ist (denn er hat so etwas
wie eine Botschaft): man darf nicht abstrahie-
re man darf von den Untaten und Ver-
hältnissen dieser Welt nicht absehen, nicht
ablenken, nicht abstrahieren. So füllen sich
in seinem Zyklus .Roll over Mondrian'
Mondrians weiße Felder mit Blut, in den
Rechtecken und Quadraten zwischen den
schwarzen Balken erscheint was Mondrian
werschweigt", ein Gespenstertanz brutaler
Szenen, Kongo. Golgatha, Vietnam, und
grausige Wahrheit erschlägt den schönen
Schein. Es wird heute viel von ..gesellschalt-
licher Relevanz" geschwätzt. Wenn es so
etwas in der aktuellen Kunst gibt. dann hier:
Hrdlickes Zyklen sind gesellschaftlich relevant,
weil sie künstlerisch relevant sind.
Alfred Hrdlicka, Randelectil, mit einer
Einführung von Krictian Sotriffer und
einem Werkkatalog der Druckgraphik.
Kunatverlag Schroff. Wien. DM 56.-
Hrdlicka ist überhaupt ein Mann der Zyklen.
Geneugenommen wird ihm jedes Einzelblatt
zum Zyklus. zum Bilderbogen von Epinal, zur
Simultandarstellung einer Summe erschrecken-
der Einzelheiten. Sein Ruhm begann mit dem
Zyklus .Martha Back", jener Krankenschwester.
die dem Heiratsschwindler Ramon aufsaß und
ihre unzähligen Konkurrentinnen der Reihe
nach vergiftete.
Randolectil gehört zu den Psychopharmaka,
ist ein .Beruhigungsmittal", kein Rauschgift,
keine Droge. Hrdlickas Bericht ist der .Ein-
schleichversuch tn die Wahnwelt psychisch
Erkrankter", seine Bletter sind Studien aus
einem Tollhaus, das sich freilich rasch zur
Bühne der Welt weitet - Strip-tease in Soho
und Variationen zu Rembrandts .Nachtwache"
gehören genauso dazu wie das Count-down
zum Weltraurnstart. ..Randolectil' ist aber
noch mehr: eine Verhöhnung der so beliebten
Jomantischen Verästelung von Kunst und
Wahn"; es sell uns die gedankenlose Freude
an jenen Kunstübungen vergallen, die wir
gerne konsumieren, während wir ihre Schöpfer
als Irre aus iedem gesellschaftlichen Zusam-
menhang ausschließen.
Alfred Hrdlicka - es schien mit ihm alles
so amüsant, so ironisch, so wienerisch zu
beginnen. Und es endet in bitterstem Ernst.
mit dem Blick in die Abgründe menschlicher
Psyche. Aber vielleicht ist gerade das das
Wienerische an Hrdlicka.
Wieland Schmied
Kerlheinz Pilcz. Grotealten, Zeichnungen.
Radierungen. Künatlermonogrephle den
Weilburg Verlages. Baden bei Wien 1970
Der kleine niederösterreichische Verlag hat
schon einmal mit einem gut ausgestatteten
bibliophilen Werk überrascht, nun legt er eine
Künstlarmonographie vor, die angenehm aus
dem Rahmen der üblichen Werke dieser Art
fällt. Wohl gibt es auch hier wesentliche
Beispiele aus dem Euvre des Graphikars,
besonders aus den lllustretionswerken zu
Edgar Allan Foa, zu Wilhelm Hauffs Märchen.
zu H. C. Artmann, auch finden wir eine
Betrachtung aus der Feder des Kunsthistori-
kers Rupert Feuchtmüller über den Künstler,
und über .Das Groteske bei Kerlheinz Pilcz"
referiert der Kunstkritiker Peter Baum, das
Ganze wird aber durch poetische Texte auf-
gelockert und erweitert. Einleitend erzählt uns
Rainer Pichler eine vertrackt gruselige Ge-
schichte von Karlheinz Pilcz, spater schreibt
Hannes Schneider ..Von einem erstaunlichen
Nashorn", und H. C. Artmenn spendiert einen
Sechszeiler und ist daher auch mit von der
Partie. Des Buch ist sorglaltig ausgestattet
und gebunden und wurde vom Kunstler
signiert. Ein Band für die Freunde des Un-
heimlichen, des Schwarzen Humors und des
feinen Strichs.
Alois Vogel
"I0 Jahre Gala a im Griechenbeial. Do-
kumentation. Selbstverlag. Wien 1970.
61 Saiten
Fern einer Selbstbeweihraucherung und jeder
Lobhudalai der gatanen Arbeit werden 19 ver-
schiedene Kritiker zitiert, die über die Galerie
und ihre Ausstellungen schrieben. Sehr viele
Fotos, auch viele Farbwiedergaben erganzen
diesen Text. 51 Künstler, deren Werke im
Leute der Jahre gezeigt wurden, sind in der
Broschüre vertreten, und ihre Namen sprechen
für das Unternehmen. Jeder wird beim Durch-
blättern neidlos feststellen müssen, daß diese
Galerie eine der wichtigsten in Wien ist und
mehr Kulturerbeit geleistet hat als manches
von der offantlichen Hand geforderte Unter-
nehmen. Neben dem dokumentarischen Wert
der Schrift ist diese sicher auch eine wertvolle
Information.
Alois Vogel
Ronald F. Michael r "Britiah Pawter".
Collector Menographe. Ward Leck lt 60..
London, 95 Seiten. 82 Abbildungen. 25:
Diese "n London kurzlich erschienene ,.Mono-
graphie" beweist das bleibende Interesse
weiter englischer Sammlerkreise für das alte
Zinn. Der Verfasser ist die bekannte englische
Autorität für dieses Sondergebiet und in
dieser Hinsicht der Fonführer der von H. H.
Generell begründeten wissenschaftlichen Zinn-
forschung in England. Die Illustrationen des
kleinen Werkes sind gut und bringen die
nüchterne Eleganz des britischen Zinns zur
Geltung. Der knappe Text enthalt alles für
den Sammler Wissenswerte. Der kontinentale
Zinnliebhaber. der sich über die britische Abart
informieren will, kann sich daher das Durch-
arbeiten umfangreicher Werke sparen. Er
wird finden, dallt - so wie in Amerika - die
durch den anspruchslosen Charakter des
Metalls gegebenen ästhetischen Möglich-
keiten selten überschritten werden. Auch
Britanniametall ist kurz beschrieben und
illustriert, da man in letzter Zeit dieser weniger
sympathischen Abart mehr Bedeutung bei-
legt. Auch in England bereitete anfangs des
19. Jahrhunderts das Aufkommen dieser
Kategorie der altert Zinngießerei ein ruhmloses
Ende. Mr. Michaelis beschreibt deutlich das
vom Zinnguß abweichende, verbilligte Her-
stellungsverfahren.
Robert M. Vetter
Grete Leaky. Schloß Eggenberg. Da:
Programm für den Bildschmuck. Verlag
Styria. Graz-Wien-Koln 1370. 308 Seiten.
1 Stammtafel. 5 Vignetten. 63 Abbildun-
gen im Tortt und 55 Abbildungen auf
Kunatdruckpapier, öS 195.-
Grete Lesky, Vorkämpfarin fitr einen neuen.
jedoch uralten Zweig humanistischer Wissen-
schaft, die Emblemkunde, hat ihr Wissen und
die Liebe zur Sache in einer Reihe von Einzel-
untersuchungen und Ouelleneditionen nieder-
gelegt. Hier versucht sie nun in exemplarischer
Form, ihre Kenntnisse en einem bedeutenden
Bauwerk der Steiermark, an Schlnß Eggen-
berg, anzuwenden, des sich durch seine
Besitzer und ihren Anspruch in die bezeich-
nendsten europäischen Beispiele barocker
Welt- und Baugesinnung einreiht.
Die Bildhaftigkeit des Denkens, die Ver-
bindlichkeit der formalen und inhaltlichen
Traditionen fand ihren Niederschlag in
Reihe von Emblembüchern. In diesen
war vor allem Ssavedras ,Fürstensp
maßgebend. Darüber hinaus erhellen g
liche Neufunde, vor allem das 1681
fürstlich Eggenbergischen Hofmaler
Adam Weissenkircher veröffentlichte
gramm für den von ihm geschmückten
saal des Schlosses (den berühmten .,Plan
Saal") - das in Faksimile vollständig w
gegeben ist - den Gesamtzusarnmer
der bildlichen Ausstattung, ihren lnhz
Detail und ihre Bedeutung im ganzen.
Das schöne, reich ausgestattete BLIC
vergnüglich anzusehen und zu lesen,
im - oft launig geschriebenen - Ter
Schritt und Tritt die Freude an der Sach
der Einklang mit jener humanen Le
weisheit zu spüren ist, die im Emblen
wurde und von uns wieder entdeckt
beherzigt werden sollte.
Das Buch durfte in keiner kunst- und gi
geschichtlich, aber auch in keiner ht
kundlich orientierten Bibliothek fehlen.
Hans Aurenha
Eingelangte Bücher:
Eugen Kusch, Peru im Bild, 184 Seit!
120 ganzseitige Abbildungen, s Farbta
Leinen, Verlag Hans Carl, Nürnberg 1
DM 3B."
Gerhard Bott. Sepp Schmolzer-Kunst
Schmuck, 135 Seiten, 138 Abbildungt
Leinen, Geschichtsverein für Kärnten,
Landesmuseum. Klagenfurt 1970.
DM 59,50
Eva Frodl-Kraft, Die Glasmalerei, Entwic
Technik, Eigenart, 140 Seiten. 35 Sch
weißabbildungen. 24 Farbtafeln. Leine
Verlag Anton Schroll Et Co. Wien 197
ÖS 290,?
Horst Locher, Das Recht der bildende
Kunst, 352 Seiten, Leinen. Verlag Ker
Thiemig KG, München 1970,
DM 13,-