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Volltext: Alte und Moderne Kunst XV (1970 / Heft 113)

mit Spiegeln an den schmalen Stützen zwischen 
den breiten Fenstern, spiegelt der Bibliotheks- 
raum das intellektuelle Leben. Bei vollem 
Tageslicht oder in gleichmäßiger elektrischer 
Beleuchtung geht man beim Suchen eines 
Buches an der Bücherwand entlang: die ein- 
fachen Beleuchtungskörper sind am Übergang 
der Decken- in die Wandvertäfelungen in 
eine schräge Leiste eingelassen. 7 Eine höhere 
Brüstung unter dem rechteckig gegliederten 
letzten Fenster hebt diesen Raumabschnitt der 
Bibliothek hervor: in diesem „Travt':" steht 
der Arbeitstisch. Hier ist der Raum recht- 
winkelig geknickt. Das aus kleinen, farbigen 
und in Messingrähmchen eingesetzten Glas- 
tafeln bestehende Fenster läßt das Tageslicht 
nur durchschimmern und gibt diesem letzten 
Teil der Bibliothek einen völlig anderen 
Charakter. Irn kleinen, der Bibliothek angefüg- 
ten Raum, der gänzlich im Hauskern liegt und 
den das Tageslicht nicht erreicht, kann man am 
Kamin seinen Gedanken nachgehen. AlleRäume 
im Hochparterre haben die gleiche Deckenhiihe. 
Die Räume im I. Stock sind entweder durch 
eine schmale Treppe im Hauskern oder durch 
eine Schneckenstiege aus den Gesellschafts- 
räumen des Hochparterres erreichbar. 
Aus der ursprünglich offenen Veranda im 
I. Stock, vorbei am Eckrisalit, betraten die 
Gäste einen großen blusiksalon, der die 
ganze Länge des Hauskernes einnimmt. Der 
Parkettboden, die Wandverklcidungen, die 
Kassettendecke in naturfarbenem, leicht pati- 
niertem Eichenholz, die zahlreichen Bilder, ja 
die ganze Ausstattung dieses Raumes erinnern 
an die Bildergalerie eines Schlosses. Das 
einzige Fenster in einer tiefen Nische, ziemlich 
hoch angesetzt, am Ende der Längsachse 
bietet Aussicht auf die Baumkronen und ist 
eher ein „Naturbild" als eine Lichtquelle. 7 
Die Beleuchtungskörper sind an den beiden 
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Längswänden knapp unter der Decke, über 
den Bildern angebracht. Der Salon kann durch 
eine Treppengalerie auch von den Privat- 
räumen betreten werden. 
Als Verbindung der Privaträume mit dem 
Hochparterre dient eine schmale Treppe, 
an deren Ende eine Vessinggittertür die 
Privat- von den Gesellschaftsräumen trennt. 
Die Perspektive der Wandverkleidungen und 
die Balkendecke, das schmale Fenster mit 
einfarbigem transparentem Glasmosaik geben 
dem Treppenraum den Charakter eines ge- 
heimnisvollen Schachtes. Diese Raumgestal- 
tung knüpft an die Vorstellung des Bauherrn 
an, der eben eine „Geheimtreppe" zu den 
Privaträumen haben wollte. 
Der Mittelpunkt dieser Privaträume sollte 
das Schlafzimmer sein. Das seltene Ver- 
kleidungsmaterial unterstrich die Einzigartig- 
keit dieses Raumes: die ins Silberweiß spie- 
lende Perlmutterdecke harmoniert mit gold- 
gelben Blumeneschenholz-Wandverkleidungen, 
mit Mcssinggittern, die die Heizkörper ver- 
decken, und mit hellblauen Seidenvorhängen. 
Köpfe von Messingnadeln zeichnen Quadrate 
auf die Perlmutterdecke, schwarz-weiß karier- 
ter hlarmorfußboden verleiht dem Schlaf- 
zimmer Noblesse. Die geringere Höhe des 
Raumes unterscheidet das Schlafzimmer von 
allen anderen Räumen im I. Stock; seine In- 
timität wird noch durch eine Bettnische betont. 
Völlig im Hauskern gelegen, mußte in erster 
Linie mit künstlicher Beleuchtung gerechnet 
werden; das Tageslicht konnte nur durch eine 
WandölTnung eindringen, die sonst durch 
einen Vorhang verschlossen War. Der Perl- 
mutterdecke kommt im Hinblick auf die 
Beleuchtung eine wichtige Rolle zu, sie 
reflektiert das Licht der in den Ecken des 
Raumes am Rand der Holzverkleidung ange- 
brachten Beleuchtungskörper. Eine Waschecke 
hinter der Wandverkleidung ergänzt den Kom- 
 
fort des Schlafzimmers. Die freistehenden 
Möbel wurden nicht von Loos entworfen, 
nicht einmal ausgewählt. Das Ehebett sollte 
ursprünglich aus Messing sein. 
Der an das Schlafzimmer angrenzende Teil 
der sonst (iffenen Veranda war verglast (die 
heutige Verglasung der ganzen Veranda ist 
aus späterer Zeit) und dient am Tag als Arbeits- 
platz, abends als Sitzecke am Kamin. Dies 
stimmt mit der Konzeption von Loos überein; 
auch bei Adaptierungen von Wohnungen 
richtete dieser gerne einen Teil des Schlaf- 
zimmers als Sitz- und Arbeitsecke ein. Die 
heutige Möblierung dieses Verandateiles ist 
ebenfalls späteren Datums. 
Im zweiten an das Schlafzimmer anschließen- 
den Raum geht nur noch die Raumgestaltung 
auf Loos zurück: Die Kassettendecke be- 
rücksichtigt die Gliederung der Fensterwand, 
die sich in der Mitte durch eine Tür auf den 
Balkon öliinet. 
Zu den Privaträumen gehörte das Badezimmer 
im I. Stockwerk. Scinc luxuriöse Ausstattung 
in antikisierendem Charakter entsprach den 
Intentionen des Bauherrn und ging teilweise 
auf seinen direkten Wunsch der 
Körper, mit allen physischen Bedürfnissen, 
war für Dr. Beet 7 wie für den antiken Men- 
schen 7 etwas, dessen man sich nicht schämen 
mußte, das hingegen gepflegt werden sollte. 
Er wünschte es, beim Badezimmer einen 
Raumteil für Gymnastik zu haben. Diesem 
Zwecke ist der obere Teil dieses Raumes, mit 
Oberlicht und Kamin gewidmet. - Die zwei 
Marmorbadexxannen sind im unteren Raum- 
teil, zu dem man über vier Stiegen zwischen 
den Säulen hinuntcrsrcigt, eingebaut. 7 Das 
Badezimmer war der einzige Raum mit ver- 
schiedenen Fußbodenhöhen. 7 Der Bauherr 
wollte sonst „keine Fußhoden-Niveauverschie- 
dcnheiten im ganzen Haus! Man darf nicht 
stolpern!" 
zurück;
	        
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