1 joscf Hofflnann. Entwurf fur den Ncubau cincs Hauses
(Kärmncr Straße. Wien)
)OLF LOOS
ER JOSEF HOFFMANN
nlzre 1898 uerbfmtlirlrte fldalf Laos in der Zeiß
'l „Deleuralfue Kunrt", 1898, S. 227 1011er dem
„Flin Wiener Anlzilelel" folgenden Heitrqq
Mir fällt es schwer, über jauf Hajfznann zu
schreiben. Stehe ich doch im stärksten Gegen-
satz zu jener Richtung, die von den jungen
Künstlern nicht nur in Wien vertreten wird.
Für mich ist die Tradition alles, das freie
Walten der Phantasie kommt bei mir erst in
zweiter Linie. Hier aber haben wir es mit
einem Künstler zu thun, der mit Hilfe seiner
überquellenden Phantasie alten Traditionen,
und auch ich muß gestehen, daß es sehr viel
Ölgötzen darunter giebt, erfolgreich an den
Leib rückt.
Den grössten Erfolg hat der Arrhiielet Haf-
mann. Sowohl das Konkurrenzprojekt zum
Pavillon der Stadt Wlien für unsere Jubiläums-
Ausstellung sowie jenes für die beiden Zins-
häuser am Mehlmarkt sind Musterbeispiele für
eine moderne Lösung der Wiener Material-
frage. Die Sucht, Steinquadern zu imitieren,
ist hier vollständig aufgegeben und der
Mörtel bedeckt nach dem Prinzipe der Ver-
kleidung die Fläche ohne Fugenunterbrechung.
Einen ausserordentlichen EEekt hat sich
Hofmann für die im frischen Putz aufgetragenen
Lorbeerblätter des Zinshauses ausgedacht.
Dieselben sollen nämlich grün bronziert wer-
den, während die Früchte als matte Glüh-
lampen gedacht sind. Die Anknüpfung an die
alte Stuccateurtechnik ist bei unseren Zement-
gussfassaden mit Freuden zu begrüssen. Mit
gemischten Gefühlen werden hingegen viele
Leute aber entnehmen, dass Haßmann dem
Hauptgesimse den Krieg erklärt, das seiner
Meinung nach bei unseren hohen Häusem
seinen Zweck als Schutz gegen Regen für die
ganze Fassade schon langst nicht mehr erfüllen
kann.
Obwohl ich mich mit den Möbeln in keiner
Weise für einverstanden erklären kann, so
ist andrerseits wieder zu bedenken, dass bei
unseren versumpften Verhältnissen nur dann
eine Erweckung der Geister gelingen konnte,
wenn man recht laut und recht i grell in
das Horn stiess. In diesem Sinne ist ja auch
das Ver Sacrurn zu nehmen, das Hnjfmann
schon mit manch wertvollem Buchschmuck
versehen hat. Nun sind wir aufgerüttelt und
es steht zu helfen, dass unser Künstler gerade
so wie Ver Sacrum, das von Nummer zu
Nummer vornehmere und diskretere Töne
anschlägt, mit dem erwachten Wien glimpf-
lieher verfahren wird. A. L.
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