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Litteratur-Bericht.
Zum flinfundzvvanzigjährigen Bestehen der nModenwelta. l 865- l 890. Berlin,
I. October 1890. 4". t66 S.
Die decurative Kunststickerei. l. Aufnäharbeit. Von Frieda Lipper-
heide. z. Liefg. Berlin, 1890. Abbild. in Fol., Text in 4.". 72 S.
Mit Holzschn. M. 15.
Dieses Buch -Zum funfundzwanzigjährigen Bestehen der Modenwelu, legt Zeugniss
ab von dem Erfolge einer Thatigkeit, welche die Begründer und Herausgeber dieser
Zeitschrift, das Ehepaar Franz und Frieda Lipperheide, mit gerechtem Stolze erfüllen
kann. ln jeder Cultursprache erscheint heute eine Ausgabe, und die Zahl der Exemplare,
welche mit jeder Nummer über die Welt ausgehen, ist zu Hunderttausenden angewachsen,
darin alle Concurrenten besiegend. Aber der Erfolg ist kein außerlicher geblieben, und
was wir an dieser Stelle betonen müssen, die nModenweltu, als Unterhaltungsblatt ge-
nannt die llllustrirtt: Frauenzeitunga, hat ganz wesentlich in die moderne Reform des
Geschmackes und der Gewerbe eingegriffen und zur Verbreitung richtiger Anschauungen
auf diesem Gebiete der Kunst im Hause und in 'der Familie beigetragen. Eine unaus-
gesetzte Reihe kritischer Artikel über Ge enstande des Kunslgewerbes, zahlreiche Ab-
bildungen mustergiltiger Gerathe und Ge aBe haben in allen Zweigen Läuterung des
Geschmackes gebracht; ganz insbesondere aber sind die Arbeiten in der Damenhand
unter der Mitwirkung dieser Zeitschrift völlig umgeschaifen worden. Wer weiß nicht,
wie die heutige Stickerei, nach Stil, Technik und Gegenständen der Verzierung, eine
ganz andere geworden ist, wie viel sie an Veredlung, Mannigfaltigkeit, Schönheit und
zugleich vernünftiger Anwendung gewonnen hat.
ln dieser Richtung ist Frau Frieda Lipperheide unermüdet thatig gewesen. Sie
hat sich nicht mit der Zeitschrift begnügt, sondern eine ganze Reihe selbstandiger
Publicationen in Buchform zur Verbesserung der weiblichen Handarbeit geschaffen, alle
gleich ausgezeichnet durch schone und elegante Ausstattung, durch die Vortreiflichkeit
der Muster und die Klarheit der technischen und künstlerischen Erläuterungen. Von
diesen Publicationen liegt uns gleichzeitig das zweite Heft des in diesem Blatte (Neue F.
Nr. 2.9) bereits besprochenen Werkes vor: nDie decorative Kunststickerei, l. Aufnah-
arbeitc, mit farbigen Tafeln, und ein Heft mit erläuterndem Text und zahlreichen
Abbildungen in Holzschnitt, welche alte Muster, ihre Details, die Art der Herstellung
und Wiedergabe, verschiedene Arten ihrer Verwendung an modernen Gegenständen zur
Darstellung bringen. Die Muster, so auch die der großen farbigen Tafeln. welche in
Originalgröße gehalten sind, gehören fast sammtlich den schonen und wirkungsvollen
applicirten Stickereien der italienischen Renaissance an. Keine andere Art konnte besser
gewählt werden, um reiche, künstlerische Eifecte in großgehaltener Zeichnung mit
möglichst wenig Mühe zu erzielen, daher sie denn ganz besonders zur Decoration der
Gemächer und der Sitzmobel geeignet ist.
Was das Werk selber betrilTt, welches zur Erinnerung an den fünfundzwanzig-
iahrigen Bestand des Unternehmens als eine Festschrift von der Firma Franz Lippetheide
herausgegeben, so ist es für sich selbst nicht ohne einen eigenthurnlichen Werth. Es
erzablt uns die Geschichte der Gründung der v-Modenweltu wie der llllustrirten Frauen-
zeitung- und deren Erfolg und rasches Wachsthum; es gibt (in Verkleinerung) die
Titel aller Editionen in den verschiedenen Sprachen und Ländern; es enthält die
Satzungen einer Stiftung von 100.000 Mark, welche die Herausgeber Franz und Frieda
Lipperheide zum Besten aller Angestellten ihres Unternehmens gemacht haben, und
manches Andere noch, was speciell mit der Zeitschrift, ihrer Herstellung und ihrem
Betriebe in Verbindung steht. Es ist aber außerdem noch ein recht werthvolles und
nützliches Costümbuch, das zwar nur einen Abschnitt der Costumgeschichte darstellt,
aber gerade denjenigen, über den man am meisten wissen sollte, und von dern man
oftmals am schwersten das Material erlangt, und das ist gerade die neueste Zeit, die
Epoche des I9. Jahrhunderts. Wer hat die Mode-Journale aufbewahrt? Ja, wenn man
sie aus älteren Jahrhunderten hatte, so waren sie als hochgeschatztes Quellenmaterial
in die Bibliotheken aufgenommen worden. Aber wer kümmert sich um das, was eben
noch Mode war und als Mode der Wissenschaft der Aufbewahrung unwürdig scheint.
Es war daher ein guter Gedanke, bei dieser Gelegenheit eine Zusammenstellung von
Costümbildern in historischer Folge zu machen, welche mit dem Jahre 1776 beginnt
und mit der jüngsten Gegenwart endet. Das Buch erhält dadurch einen allgemeinen
und bleibenden Werth. .l. v. F.
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