Horst-Herbert Kossatz
JOSEF HOFFMANN,
ADOLF LOOS UND DIE
WIENER KUNST DER
JAHRHUNDERTWENDE
Josef Hoffmann wurde wie Adolf Loos in
Mähren geboren, dennoch gibt es 7 sieht man
von der unrühmlichen Tatsache ab, daß beide
in Wien nicht mit großen öffentlichen Bau-
aufgaben betraut wurden 7 bei ihnen kaum
Gemeinsamkeiten. Das mag nicht zuletzt darin
seine Erklärung finden, daß Adolf Loos in
Dresden und nicht in der so beherrschenden
Schule Otto Wagners studierte und darüber
hinaus zu der Zeit, in der das Wiener Konzept
der „Neukunst" erarbeitet wurde, in Amerika
weilte und hier ganz andere Impulse in sich
aufnahm. Nach Wien kam er als Außenstehen-
der mit ganz anderen Vorstellungen, als sie
hier gerade entwickelt wurden.
Hoffmann gründete mit gleichgesinnten Freun-
den 1892 (sie!) den „Siebener-Club", eine
Stammtischrunde, zu deren ständigen Mir-
gliedern die Architekten Joseph Maria Olbrich
und Friedrich Pilz sowie die Maler Leo Kain-
radl, Adolf Karpellus, Max Kurzweil und
Koloman Moser gehörten. An dieser Gruppe
nahmen gelegentlich aber auch Max Fabiani,
Josef Grünhut, Sigmund Walter Hampel,
Arthur Kaan, Ludwig Koch, Jan Kotera,
Franz Xaver Pawlik, Carl Schwaiger und
Joseph Urban teil. Mit Fabiani, Hoffmann,
Kotera, Olbrich und Urban gehörten somit
die später bedeutendsten Architekten der
jüngeren Generation zu dieser Gruppe. Man
diskutierte und illustrierte gemeinsam Bücher;
mit dem Signum der Gruppe „C 7" gezeich-
nete Illustrationen finden sich aber auch in
dem nicht unwichtigen Katalag der Aurmllung
im Künxtlerbauie. „Seresrian der Wilden" und
„Freie Vereinigung der Zabmen" Kiinrtlerlfext,
Wien am 4. illärg 7895, was insofern eigenartig
ist, als der hier mitillustrierende Koloman
Moser erst 1896 Mitglied des Künstlerhauses
wurde.
Auch Hoffmann, Kurzweil und Urban wurden
in diesem Jahr Mitglieder des Künstlerhauses,
während Olbrich schon 1894 und Koch 1895
dieser Vereinigung beigetreten waren. Fast
scheint es, als ob durch diese Beitritte die
Stellung der „Jungen" jene Festigkeit erhielt,
die dann zum Austritt der Secession aus dem
Künstlerhaus führte. Doch ich greife vor.
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Der „Siebener-Club" hatte in den Räumen des
Cafe Sperl und im „Blauen Freihaus" getagt,
wo es seit 1881 eine andere Tafelrunde von
Künstlern gab, die sich nach dem Besitzer des
Lokals, der Haagen hieß, „Haagengesell-
Schaft" nannte. Diese Runde umfaßte etwa
60 Künstler; die Mitglieder des Künstler-
hauses aus diesem geselligen Kreise betätigten
sieh besonders im Aquarellisten-Klub der
Genossenschaft.
Aus den beiden Stammtischrunden entstand
im Zusammenschluß mit den „mißvergnügten
Modernen" der Kiinstlergenossenschaft um
Gustav Klimt jene Gruppe, die in Haagens
Hotel Viktoria und an anderen Orten ihre
Zusammenkünfte abhielt, um die Gründung
der Secession vorzubereiten. Am 3. April
schickte Gustav Klimt an die Presse und an
den leitenden Ausschuß des Künstlerhauses
die Mitteilung, daß sich am selben Tage die
„Vereinigung bildender Künstler Österreichs"
gebildet habe, bestehend aus 40 Mitgliedern.
Ihnen wurde die Mißbilligung der „Alten"
ausgesprochen, worauf eine Gruppe von
17 Künstlern am 24. Mai 1897 demonstrativ
aus der Genossenschaft austrat. Es wäre
interessant, über die Rolle Hoffmanns in
dieser Entwicklung mehr zu wissen, da er
erst am 2. Juli 1897 der Secession beitrat
und nicht an dem gemeinsamen Austritt
teilnahm, sondern erst einen Tag später,
am 25. Mai, gefolgt von Kurzweil, Lenz,
List, Pochwalski und Sigmundt, die Ge-
nossenschaft verließ.
Nur kurze Zeit später, am 6. Juni 1897,
wurde ein Mitglied der neuen Vereinigung,
Felician Freiherr von Myrbach, als Leiter der
Fachklasse für Graphik an die Kunstgewerbe-
schule des Österreichischen Museums für
Kunst und Industrie berufen. Nachdem Myr-
bach dann am 25. Februar 1899 zum provi-
sorischen Leiter dieser Schule ernannt worden
war, berief er als ersten im April desselben
Jahres Josef Hoffmann als Leiter der Archi-
tekturklasse, obwohl sich Otto Wagner für
Olbrich eingesetzt hatte. Am 3. August 1897
hatte aber noch an einem anderen bedeutenden
Institut ein Direktionswechsel stattgefunden:
Arthur von Scala übernahm das Museum für
Kunst und Industrie und begann unverzüglich
von dieser Seite ljier eine Reform des Kunst-
handwerkes zu fördern. Schon bei Eröffnung
der Winterausstellung 1899 sagte der Leiter
des Unterrichtsministeriums, Dr. Ritter von
Hartel, in Anwesenheit Olbrichs, Wagners,
Myrbachs und Hoffmanns: „Die fortschritt-
liche Bewegung auf dem Felde kunstgewerb-
liehen Schaffens fesselt heute unsere Blicke
wie kaum zu einer anderen Zeit und wie kaum
eine andere culturelle Bewegung . . . Wer
wollte nicht sehen, daß das Kunstgewerbe aus
dem Wandel und dem Aufschwung der hohen
Kunst und der wiederhergestellten innigeren
Verbindung mit derselben verjüngende Kraft
schöpfte und dass die Erweiterung und Ver-
tiefung kunstwissensehaftlicher Betrachtung
seinem Schaffen neue Quellen erschloß?"
Hoffmann hatte sich in der Zwischenzeit zu
einem bedeutenden Ausstellungsarchitekten
der Secession neben Olbrich entwickelt;
nach dessen Weggang im Jahr 1899 übernahm
er dessen führende Rolle in Wien. In di
Jahr wirkte er im Österreichischen Mu:
als Juror bei einer Konkurrenz für Entv
von kunstgcwerblichen Objekten mit Pr
aus dem Hoftiteltaxfonds, bei der in der di
Konkurrenz 7 als Aufgabe war ein l
service für einen einfachen Haushalt zu
werfen - Kolo Moser für ein von E. I
lowits eingcsendetes Service den ersten
erhielt.
Seit 1896 war aber auch Adolf Loos in i
Er hatte in Chikago die Geschäfts- und I
bauten kennengelernt, die unter dem N:
„Schule von Chikago" als eine der Wu
moderner Architektur angesehen werden
Architekturentwicklung war durch einen
ßen Brand im Jahr 1871 und den Börscnl
von 1873 sehr beeiniiußt worden. Von
bis 1887 baute Henry Hobson Richardso
Großhandclshaus für Marshall Field in
sivem Maucrwerk, dessen blockhafte
schlossenheit und straffe Monumentalitä
weitere Entwicklung bestimmten. Die
Otto Wagner vergleichbare Persönlichki
Chikago war aber dann Louis H. Sull
der mit Dankmar Adler nicht nur den
schen amerikanischen Wolkenkratzer der F
zeit mit Sockel, Schaft und Kopf konzij:
sondern auch als Theoretiker große Bedci
erwarb. Nach allgemeiner Annahme muß
seinen 1892 erschienenen Aufsatz „Orna
in Architecture" gekannt haben, in de
unter anderem heißt: „Ich halte es für
leuchtend, daß ein Gebäude ohne je;
Verzierung allein auf Grund seiner MüSSi
Proportion ein Gefühl der Erhabenheit
Würde vermitteln kann. Nicht einleuc
erscheint mit, daß die Verzierung wese
zur Steigerung dieser elementaren Wert:
tragen sollte. Warum also verwenden w
Ornament? . . . Wenn ich diese Frage in
Aufrichtigkeit beantworten soll, dann m
ich sagen, daß es vom ästhetischen Stand]
aus uns nur zum besten gereichen kt
wenn wir für eine Zeitlang das Ornz
beiseite ließen und uns ganz und gar a1
Errichtung von in ihrer Nüchternheit s
geformten und anmutigen Bauwerken
zentrierten."
Diese Sätze klingen wie ein Loos'sches
gramm, und dies um so mehr, als Loos,
er wirklich an seinen Bauten ein Orn:
verwendete, es im Sinne Sullivans tat, t
seinem Text fortfuhr: „Nachdem wir
Stufe erreicht hätten, könnten wir Ohlfli
fahr darangehen, zu überlegen, bis zu we
Grade die Anbringung von Ornamente
Schönheit unserer Bauten zu erhöhen,
neuen Reiz sie ihnen zu verleihen im:
wäre."
Adolf Loos muß daneben aber auch
sichten mit nach Wien gebracht haben,
auf der Weltausstellung von 1893 in Ch
gewann. Schon auf der Pariser Weltaussti
von 1878 hatte man in den Berichtet
einem „Pullmancar-Stil" bei der Behan
der flachen und starren, ganz auf die Fä
der Hölzer gestellten amerikanischen l
gesprochen. In Chikago hatten die Arner
sich selbst gefunden. Julius Lessing s-
damals: „Wir aber, die wir mit dem