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Volltext: Alte und Moderne Kunst XV (1970 / Heft 113)

ne Zeitlang ist der Einfiuß von Mackintosh 
Hoffmanns Gluvre klar erkenntlich, aber 
m Zeitpunkt, als die Stoclet-Entwürfe aus- 
arbeitet wurden, hatten die beiden Künstler 
h bereits in sehr verschiedener Weise weiter- 
twickelt. Dies wird aus einem Vergleich 
r Stoclet-Entwürfe mit dem Wettbewerbs- 
twurf von Mackintosh für das „Haus eines 
instfreundes", 1901 (Abb. 30, 31), ersichtlich: 
der Schaffung eines streng durchorgani- 
rten, axial integrierten Ganzen geht 
)ffmanns endgültiger Plan weit über Mack- 
'0sh hinaus. Wo der Schotte noch die lose 
ruppierung prachtvoll modellierter Volumina 
t, welche eine Erbschaft des Interesses an 
llerischen Gruppierungen des Mittelalters 
, dort hat der Wiener die ordnende Axiali- 
der klassischen Kompositionsweise. Wo 
ackintosh seine Oberflächen als modellierte 
grenzungen von skulptierten Volumina be- 
ndelt, in welche Öffnungen, wie das lange 
legenhausfenster, eingeschnitten sind, dort 
handelt Hoffmann seine Oberflächen als 
ir definierte, eingerahmte Flächen, die ie- 
:ils ein Eigendasein führen und die Plastizi- 
r der Volumina überhaupt nicht betonen. 
as sein Lehrer Otto Wagner postuliert hatte, 
Jrde in Hoffmanns Architektur erfüllt; „die 
ielförmige Ausbildung der Fläche" wird 
m Leitmotiv einer neuen Architektur. 
a gibt ein unerhört eindrucksvolles Beispiel 
r diese intensive Beschäftigung mit der klar 
f-inierten, tafelförmigen Fläche, das gleich- 
itig eine Idee von der Starke schöpferischer 
lantasie bei Josef Hoffmann gibt: 1902 
huf er als Teil seiner Innenraumgestaltung 
r die Ausstellung von Klingers Beethoven 
der Secession ein abstraktes Relief in Gips- 
hnitt (Abb. 32), das in kaum glaublicher 
eise Entwicklungen vorwegnimmt, die erst 
wa fünfzehn Jahre später im Neoplastizismus 
ld der „StiiW-Bewegung zur Reife ge- 
igten. 
er echt revolutionäre Charakter dieser asym- 
etrischen Komposition von Rechteck-Körpern 
in unserem Zusammenhang ein Beweis dafür, 
ß ähnliche Erscheinungen in der Kompo- 
ion des Palais Stoclet (Abb. 33) nicht als 
JMERKUNGEN 14-21 
Da: zirrrririir, ll (1901), 201. 
ln Wrighrs Frühwerk gibt es einige auffallende Parallelen zu 
Hislrrriririri, cf. u" Aufbau, XIV (Aug. 1959). 29a. 
Zitiert nach Carl 1a. Schorske, „Schnitzler und Hofmnnnsthal". 
Wrrri wir: Wahrhrir. xvll (Mai 1962), m. 
bloß zufällige Ergebnisse betrachtet werden 
dürfen. Zugleich aber zwingt uns dieses Re- 
lief, die Frage zu stellen, wieso es zu dem 
Umschwung vom kurvenreichen Überschwang 
der frühen secessionistischen Periode zur Vor- 
liebe für quadratische Einfachheit kommen 
konnte. 
Hoffmann schuf nur verhältnismäßig kurze 
Zeit in Formen, die direkt mit dem inter- 
nationalen „Art Nouveau" im engsten Sinn 
dieses Ausdrucks zu tun hatten. Dann begann 
er dieser Kunstrichtung gegenüber kritisch zu 
werden und sich der rationaleren Wurzeln 
seines Schaffens und der Disziplin der Tradi- 
tion zu entsinnen. Wohl unter dem Einfluß 
des Strebens nach „Sach1ichkeir" von Män- 
nern wie Lichtwark und Muthesius schrieb er 
bereits 1901: „Auch die Moderne leidet unter 
unerträglichen Fehlern . . . Man nimmt nicht 
Rücksicht auf die gerade Faserung des Holzes 
und macht Curven über Curven..."14. Er 
begann nun damit, „Art Nouveau" auf seine 
eigene schöpferische Weise zu überwinden, 
indem er sich den einfachen Elementarformen 
zuwandte, dem Quadrat und dem Würfel, in 
Schwarz und Weiß. Das Sanatorium Purkers- 
dorf und das Palais Stoclet stellen seine fort- 
geschrittensten architektonischen Lösungen 
mit Hilfe würfelförmiger und quadratischer 
Formen und genau definierter, lichter Flächen 
dar. 
Freilich haben Quadrat und Würfel dies ge- 
meinsam, daß sie inhärent richtungslos sind 
und daher nicht dynamisch wirken. Etwas 
von dem Gefühl, daß statische Elemente 
additiv aneinandergefügt wurden, bleibt 
ebenso typisch für das Palais Stoclet wie die 
offensichtliche Negierung starken tektonischen 
Ausdrucks. Auffallend ist aber, daß es an dem 
Gebäude verschiedene Stellen gibt, wo offenbar 
entsprechend der inneren Logik des Entwurfs 
eine visuelle Trennung von zwei benachbarten 
Flächen der auf der Hand liegende nächste 
Schritt gewesen wäre. Das trifft bei den ver- 
schiedenen brückenartigen Elementen, die 
erwähnt wurden, ebenso zu wie bei den 
spitzwinkeligen, bugartigen Erkervorsprün- 
gen, bei denen eine virtuelle Bewegung der 
beiden sehrägstehenden Flächen impliziert ist 
11 Arrllilrrluml Assutialion Julllllrll, l.xxv (Jan. 195a). 170. 
"Johannes Dubai, „Gustav Kliml", in: cruirr- Kliml riiia figvn 
Srllieleit Katalog d. Gnggenhcim Museums, New York, 
was, . 
Wjnl. Anltlitnn lnsl. rißarrriirrrrr, XII (Okt. 1924). 422. 
w 1,11. Snr. Anlliltrllllrll Hlsiiiririris. xxuz (Mai 1962). SH. 
- vergleichbar dem Sich-Öffnen von i 
Türflügcln einer Doppeltür. Otto Wal 
hatte in die gleiche Richtung gewiesen, al 
die Ecklösung am Postsparkassenamt 
durchführte, daß zwei Fassaden als u: 
hängige, tafclartige Flächen behandelt s 
die an der Ecke nicht miteinander in Be 
rung treten, sondern voneinander durch 
etwas zurückgesetzte, schräge Fläche getrl 
sind. Aber weder bei Wagner noch bei P 
mann wird der entscheidende letzte Sc 
getan, der den Innenraum durch eine tats 
liche Trennung der ihn umgrcnzenden Fläl 
„befreit" und somit ienen Prozeß der „akt 
Dematcrialisierung" eingeleitet hätte, de. 
wichtig für das „Neue Bauen" der zwan: 
Jahre wurde. Dies wurde nur bei Frank L 
WrightIS und erst später bei anderen A1 
tekten erreicht. 
Wo bei Hoffmann eine virtuelle Bcweg 
vorkommt, ist sie ihrem Wesen nach 1' 
von klar definierter Dynamik, sondern 
ein passives Bewegtwerden: ein Aneinan 
vorbei-Schweben und -Gleiten von Elemer 
das einen Eindruck „passiver Demate: 
sierung" hervorruft und an ähnliche 
denzcn in Bildern von Gustav Klimt erinl 
in denen Formen und Körper aneina 
vorbeizutreiben scheinen, als wären sie r 
von einem eigenen Willen in Bexveg 
gesetzt. 
Bei aller Vorsicht, die geboten ist, wenn 
Vergleiche zwischen verschiedenen Gebi 
schöpferischer Tätigkeit ziehen will, wird 
doch an die Glissando-Effekte erinnert, d 
charakteristisch für die avantgardistische M 
der Periode sind, und vielleicht sogar an l- 
von Hofmannsthals Versuch einer Charak 
sierung der ganzen Epoche, als er 1901 
dem _]ahr, in dem das Palais Stoclet begol 
wurde - schrieb: „. . .das Wesen un: 
Epoche ist Vieldeutigkeit und Unbestir 
heit. Sie kann nur auf Gleitendem ausrl 
und ist sich bewußt, daß es Gleitendes 
wo andere Generationen an das Feste gl 
ten" I6. 
Im Palais Stoclet wurde eine neue R: 
auffassung deutlich angekündigt und vo 
geahnt, wenn auch noch nicht durchgef 
1' H. S. Goodharl-Rendel. Hmll Arrllilcrllln i: Made. l. 
1947. a7; Entll Ksiirrrisriri, Arrllllzrfllve lii m, Ar. Uff 
Cambridge, Mm. 1 v. 
11 Erich MChdClSOhn. llr t (im?! xlnllirekren. Mvlllfllltn 191 
11 LCOIIIHdO Bcncvolo, Slnlld arllnirrlrirrriirrri 17101107111. um 
m. 
 
 

	        
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