eine neue, umfangreiche, stilkritisch fundierte
Neumann-Monographie in der Art der in den
fünfziger Jahren erschienenen Hildebrandt-
oder Fiseher-von-Erladu-Monographien seit lan-
gem aussteht und vorläufig auch nicht zu er-
warten ist.
Das von Günther Renner im Seinsheim-Archiv
in Sünching neuentdeckte Konzept eines Briefes
von Johann Philipp Franz von Sthönborn an
seinen Bruder Friedrich Carl, das hier an-
schließend im Wortlaut veröffentlicht wird,
läßt die Problematik um den Anteil Neumanns
am Entwurf der Schönbornkapelle erneut her-
vortreten. Aus ihm geht hervor, daß der Würz-
burger Fürstbisdiof am 19. März 1721 seinen
Bruder in Wien bittet, Johann Lucas von Hilde-
brandt zur Ausarbeitung eines Projektes für die
Schönbornkapelle zu veranlassen. Dadurch
wird der Verdacht bestärkt, den der Verfasser
seinerzeit bei der Rezension der Hildebrandt-
Monographie von Bruno Grimschitz7 andeu-
tete, daß nämlich Hildebrandts Würzburger
Aufenthalt im Oktober 1719 nicht nur für die
erste Idee eines großzügigen Residenz-Neu-
baues in Würzburg, sondern auch für die frühe
Planungsgeschidue der Schönbornkapelle be-
deutsam war und daß Hildebrandts großer,
sorgfältig gezeichneter und lavierter Riß, S. E.
44, der die Kapelle im Grundriß und in einer
Kombination von halbem Schnitt und halbem
Fassadenriß zeigt (Abb. 5, 6), als Entwurf der
ersten Planungsphase der Kapelle zugehört.
Bisher hat man geglaubt, daß dieses Blatt der
Sammlung Edtert, das leider zu den Kriegsver-
lusten des Mainfränkischen Museums zählt, von
Hildebrandt erst um 1724 auf der Grundlage
von Neumanns Ausführungsprojekt gezeichnet
wurde, möglicherweise als Vorlage für eine
Stichpublikationö. Es liegt nun nahe, den
Wortlaut des neuentdeckten Briefkonzepts auf
Hildebrandts Zeichnung zu beziehen, die be-
kanntlich in fast allen Einzelheiten der Fassa-
denerscheinung dem ausgeführten Bau ent-
spricht. War uns in diesem kombinierten Riß,
der durch seine graphische Qualität bestach
und der die beachtlichen Maße von H7 X 62 cm
aufwies, ein bereits im Frühjahr 1721 bei
Hildebrandt in Auftrag gegebenes Projekt zur
Schönbornkapelle erhalten, so bedarf unsere
bisherige Vorstellung von der Planungsgc-
schichte des Baues, ihrem Ablauf und den sie
bestimmenden Faktoren einer grundlegenden
Korrektur. Diese Vorstellung basiert weit-
gehend auf der seinerzeit richtungweisenden,
gerade in der archivalischen Auswertung so
verdienstvollen Baumonographie von Walter
Boll", die in der methodischen Durchführung
zunächst logisch und einleuchtend erscheinen
mag, leider jedoch schon im Ansatz problema-
tisch bleibt. Bolls Analyse des Planmaterials
setzt stillschweigend voraus, daß Balthasar
Neumann als der eindeutig bezeugte Erbauer
der Schönbornkapelle zugleich auch ihr künst-
lerischer Sdaöpfer war - wie dies bei dem
Neumann-Biographen Keller und vor allem in
der Würzburger lokalhistorischen Literatur zu
lesen ist"). Boll berücksichtigte nicht, daß der
auf Neumann und sein Baubüro zurückzufüh-
rende Entwurfskomplex, S. E. 27 (Abb. 20),
31, 32, 38 u. 40, anhand dessen er eine folge-
richtige Planentwicklung zu rekonstruieren ver-
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s Hildebrandt: Schonbornkapellenprtqekt, Atme s.
o Hildebrandt: Snhdnborxikapellenproiekt. Grundnß