MAK

Volltext: Alte und Moderne Kunst XVI (1971 / Heft 115)

uuuwvvual ... o... ..p.,.....g...c...c...c 
9, 15) hin: „Dieser ist mir ein auserwähltes Ge- 
fäß, damit er meinen Namen vor allen Völkern 
verkündige." In der Höhe thront die Ecclesia 
als Personifikation des Neuen Bundes auf Wol- 
ken. Ihre Kennzeichen sind Kreuz, Kelch und 
Hostie sowie die Heilige Schrift, die ein Engel 
vorzeigt. 
., .., xpunaaua 
Die dritte Hauptgruppe in der Mitte des Bil- 
des (Abb. 10) kann ebenfalls nur mit Hilfe der 
Programmtexte, ferner der genannten Skizzen 
und Zeichnungen gedeutet werden. Die Frau 
mit Kindern links außen symbolisiert die Cari- 
tas, hier jedoch wegen des Buches, das eines der 
Kinder hält, speziell als „Liebe zum Lernen" 
(1778) zu verstehen. Der blumenbekränzte 
Jüngling mit Harfe bezeichnet den „Duldungs- 
geist, welcher viele ungleich thönende Saiten 
der Cythar zusammenstimmet" (1778). Die 
auf die Säule gestützte Frau stellt die 
Stärke oder Standhaftigkeit dar. Rechts außen 
zerbricht ein Engel Lanze und Pfeil über 
dem Knie, ein Putto hält sid1 eine schwarze 
Larve vor das Gesicht. Das Programm von 1778 
berichtet nicht davon. Nach dem Programm von 
1794 bedeuten „Pfeile, Larven, Becher und 
mehrere solcher Werkzeuge" die „Abwege, auf 
denen die Menschen straucheln und die sie oft 
in den Abgrund der Verderbniß stürzen". Oben, 
im Zentrum des Bildes, selbst im Original 
kaum erkennbar, ahnt das Auge die Lid-irge- 
stalt einer thronenden Frauenfigur, der alles 
beherrschenden „ewigen Weisheit". 
Genau besehen handelt es sich also nicht um 
eine Allegorie der Theologie, Wissenschaft und 
Künste, sondern um die Offenbarung der ewi- 
gen Weisheit in der Geschichte der Menschheit. 
Diese Geschichte beginnt im gestaltlosen Dunkel 
mit der Erschaffung des Menschengeschledrts 
aus dem Urstoff Erde. Unter dem Einfluß des 
göttlichen Lichtes wandelt sich die Menschheit 
vom zügellosen, in Unvernunft dahinvegetie- 
renden Triebwesen zur geordneten, dem Gesetz 
unterworfenen Gesellschaft. Der königliche 
Held Alexander der Große und sein hochge- 
züchtetes Leibroß vertreten den neuen Zustand 
einer äußeren Ordnung. Ihnen, denen Gewalt 
und Stärke Macht über Mensch und Tier 
verleihen, stehen die Heroen des Geistes gegen- 
über, die die Ordnung des Lebens und des 
Weltalls erforschen. Die erste Gruppe bilden 
die Verächter vergänglicher Ehrenstellen, Be- 
sitztümer und Eitelkeiten. Die Weisen des 
Altertums auf der anderen Langseite vertreten 
die vier klassischen Fakultäten Philosophie bzw. 
Theologie, Medizin, Jurisprudenz und Natur- 
Wissenschaften. Diesem Prozeß der „natürli- 
chen" Erleuchtung des Menschengeschlechts folgt 
die unmittelbare Offenbarung der göttlichen 
Weisheit in der Religion. Sie vollzieht sich am 
deutlichsten im Alten und Neuen Bund, dort 
noch verhüllt, in der Kirche Christi offen- 
kundig. Der Quell des Lichtes, die göttliche 
Weishcit, ist dem Menschen nicht sichtbar. Ihre 
Kennzeichen sind Liehe, Toleranz, Standhaftig- 
keit sowic der Kampf gegen das Laster. Von 
ihrem Glanz lebt die gesamte Sdröpfung, die 
dadurch „der göttlichen Natur theilhaftig" 
werden konnte. 
So spröde dieses Programm für die Darstel- 
lung im Bild zu sein scheint, für einen Maler 
wie Maulbertsch bot es ungeahnte Möglich- 
22 
neue... u... ucscrmartc um nun Mrcucnwng um: 
Menschengeschledrtes wurde für ihn zur Dar- 
stellung des Lichtes überhaupt in seinen zahl- 
reichen Abstufungen und Nuancen. Die Skala 
reicht von der blendenden Helligkeit, in der 
sich die Form auflöst, über die volle farbige 
Erscheinung der Dinge und Körper bis zum 
Zwielicht und zur Dunkelheit. Gleißendes Licht 
und schimmernde Reflexe gehören ebenso zu 
seinem Repertoire wie die zarten Übergänge 
gedämpfter Töne, das Auftauchen und Versin- 
ken von Körpern in Helligkeit oder Nacht oder 
die farbgesättigte unergründbare Atmosphäre. 
Die literarische Vorlage wird gleichsam Punkt 
für Punkt auf ihre optischen Werte hin abge- 
tastet und in Licht und Farbe der Malerei über- 
tragen. Nicht die Einkleidung abstrakter phi- 
losophischer Begriffe oder historischer Namen 
in Formen der gegenständlichen Welt bildet 
das Hauptanliegen des Künstlers, sondern die 
Ausdeutbarkeit in Farbe. Die Frage nach der 
objektiven Ridrtigkeit und Wirklichkeitstreue 
der Gestalten und Formen des Bildes interessiert 
den Maler weniger als ihre farbige Realisation 
unter dem Gesichtspunkt des Bildthemas. Selbst 
unmittelbare bildkünstlerische Kategorien wie 
Raum oder Bewegung verwandeln sich in farb- 
liche Werte. Daß diese Priorität von Lidmt und 
Farbe auf Kosten der Detailtreue und der 
gleichmäßigen Deutlichkeit zustande kam, 
braucht nicht zu verwundern. Das Bild wirkt 
auf den ersten Blidc mehr wie ein köstliches 
Farbenspiel, wie eine Parade von Farbe, Licht 
und Bewegung, als wie eine gelehrte Mitteilung. 
Erst bei wiederholtem Betrachten bemerkt man, 
wie direkt, das heißt, mit welcher Ökonomie 
an Gegenständlichkeit das philosophische Pro- 
gramm in die Ausdruckswelt der Farbe über- 
setzt wurde, wie eng sidr beide decken und wie 
meisterhaft der Bildgedanke verwirklicht 
wurde. Wenn etwa im Text von 1778 von den 
„fast verklärten Leibern" die Rede ist, „welche 
nahe an der ewigen Weisheit in den Strom 
ihres unendlichen Lichtes gleichsam einge- 
schmolzen, und so der göttlichen Natur theil- 
haftig werden", so ist damit - unter Berufung 
auf den zweiten Petrusbrief, Kap. I - nicht 
nur ein Leitsatz der damaligen dwristlidren Auf- 
klärungsphilosophie ausgesprodren, sondern 
auch Maulbertschs geniale Lichtmalerei trefflich 
charakterisiert. 
An dieser Leistung kommt der überaus per- 
sönlichen Malweise und Maltechnik Maul- 
bertsclrs nicht geringer Anteil zu". Das Bild 
wird in einer geradezu altmeisterlichen Akribie 
vorbereitet, die nichts mit der Bestimmung für 
eine kurzlebige Kontrakts- oder Ausführungs- 
grundlage für ein Fresko zu tun hat. Über die 
feine Leinwand wurde ein siegelladtroter 
Bolusgrund mit Quarz und Kalkspat gelegt, 
darüber ein etwas dünnerer brauner Ocker- 
grund unter Beimischung von Gips, Kreide und 
Bleiweiß und schließlich ein leichter grauer 
Grund aus Bleiweiß mit geringer Beimengung 
von Kreide und einem undefinierbaren 
Schwarzpigment. 
Alle drei Gründe bedecken die ganze Leinwand- 
fläche. Der Zwedt dieses umständlichen Ver- 
fahrens ist nicht bekannt. Wir können nur 
feststellen, daß es auf diese Weise gelungen ist, 
auch die zartesten Zwischentöne und Lasuren, 
vor allem die Dunkelwerte Braun, Braunlila 
so typisd1en Einsinken in den Bolusgrund z 
bewahren. Andererseits konnten sich die pastc 
sen, besonders die mit Weiß gemischten Partie 
weniger fest mit der Grundierung verbindet 
Kompakte Farbfläcl-ren im Bereich der Hellskal 
neigen zur Runzelung der Oberfläche, ähnlic 
der Hautbildung auf abgekochter Milch. Ar 
stärksten betroffen wurden davon der lichr 
Himmel zwischen Zentralgruppe und Architek 
tur hinter der Pauluspredigt, die hellbeleucl 
teten Säulen dieser Architektur und die Bilc 
mitte um die Figur der göttlichen Weishe 
(Abb. 1 und 10). 
Für die Konstruktion der beiden Konchenar 
chitekturen scheint sich Maulbertsch eines L 
niennetzes bedient zu haben, das - mit leicl 
tem Pinsel oder Stift - auf den Graugrun 
aufgetragen wurde. Durchgewachsene Pent: 
mente zeigen, daß Maulbertsch während de 
Anfertigung der Skizze mehrfach Korrekture 
vornahm. So wurde das Gebäude der Paulus 
predigt erst nadrträglid-r der Konchenarchitek 
tur der gegenüberliegenden Seite angeglichet 
Zuerst war ein durchgehendes rückwärtige 
Horizontalgebälk gemalt, während das vorder 
Säulenpaar einen Rundbogen tragen sollte. An 
dererseits scheinen einige Figuren, besonder 
Putti und die göttliche Weisheit, von Anfan 
an nur flüchtig angedeutet gewesen zu seit 
wie überhaupt der gegenwärtige Zustand WElI 
gehend dem originalen entsprechen dürfte. De 
obere Teil der Leinwand mit der Pauluspredig 
war irgendwann, vielleicht um eine bildmäßi 
gere Wirkung zu erzielen, auf die Rückseit 
umgeschlagen worden. Selbst die dabei ent 
standenen Farbverluste sind verhältnismäßi 
geringfügig und konnten bedenkenlos ergänz 
werden. Unklar ist die Entstehung der gemal 
ten Umrahmung. Einige Stellen, zum Beispie 
die mit dem Pinselstiel eingekratzten Konsole: 
samt den Edtabrundungen, sind später hinzu 
gemalt worden. Die rahmenden Gesimsstufei 
waren aber von Anfang an mindestens vorge 
sehen, wie einzelne Motive, etwa die darübe 
ausgestreckten Beine, herunterhängenden Tüdre 
oder Papiere beweisen. Ein störendes Penti 
ment, das Landsdraft und Figuren kaum Z1 
verdedten vermögen, ist dagegen die zweit 
Stufe auf der Längsseite mit den Weisen de 
Altertums. Auch im Bereich des Hintergrunde 
und der Figurengruppen gibt es manche nur al 
flüchtige Korrektur verständliche Unklarheit 
Im ganzen macht das Bild den Eindruck eine 
sorgsam vorbereiteten und nicht minder be 
dächtig ausgeführten Gemäldes, das das Zeug 
nis der Dokumente bestätigt, wonach Maul 
bertsdr zur Anfertigung seiner Skizzen ebenso 
viel Zeit benötigte wie für die Ausführung in 
Fresko. In diesem Sinne dürfte auch die Mittei 
lung Johann Ferdinand Schönfelds am 30. De 
zember 1793 an den Abt von Strahov zu ver 
stehen sein, Maulbertschs Skizzen seien nacl 
Meinung von Hofrat Schneeter, der mit Schön 
feld zusammen den Künstler in seiner Wiene 
Werkstatt aufgesud-rt hatte, Meisterstüdre". 
Der Vergleich der genannten Werke mit der 
beiden gedruckten Freskobeschreibungen, den 
Deckenbild in Strahov, der vermutlichen Nach 
zeichnung des Freskos von Klosterbruck, der 
beiden Ulskizzen in Prag und der Budapeste 
Detailskizze, beweist, daß die Augsburger Fas
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.