zu nnnier neuen ronnunerungen anspinnen
sollte, die These von der Vereinbarkeit des
christlichen Dogmas und der menschlichen Ver-
nunft. Auch dafür gab es seit langem Vorbilder
in der österreichischen wie der süddeutschen
Barockrnalerei, auf denen zumeist Religion und
Wissenschaften in geschwisterlicher Eintracht
dargestellt waren. Das Mistelbacher Pro-
gramm ist moderner und trotz aller poetisch
spielerischen Unbefangenheit doktrinärer. Als
Quell des Wissens erscheint die göttliche Weis-
heit, auch ewige Weisheit, divina providentia,
göttlidie Vorsidit genannt, symbolisiert durch
das Auge Gottes und die Aufsdirift „dominus
super aquas". Der Liditgott Apollo vermittelt
den göttlichen Quell an die Wissenschaft und an
die Zeit. Die Vernunft erweckt damit den
Fleiß und die Geduld, die Unvernunft vergeu-
det es, mit Gottes Hilfe beginnt die Zukunft.
Dieses Programm erinnert zu sehr an das
Augsburger, als daß nicht direkte Bezüge an-
genommen werden müßten. Das Auge Gottes
wird in Augsburg durch die sitzende Frauen-
figur der göttlidien Weisheit vertreten, der
geduldige Fleiß durch die Beharrlichkeit, die
Übermittlung an die Zukunft durch die „Liebe
zum Lernen". Der Engel, der Speer und Pfeil
zerbricht, steht für die Vernunft, der Jüngling
mit der Harfe für Apollo. Die Umdeutung
zum „Duldungsgeist" ist vielleicht weniger das
Werk des Malers als das des Interpreten.
Die antiken Vertreter der vier Fakultäten wur-
den 1755156 von Gregorio Guglielmi im gro-
ßen Festsaal des Wiener Universitätsgebäudes
dargestellt". Das auf ein ausführlidies Pro-
gramm Pietro Metastasios zuriickgehende
Ftesko versammelt die klassischen Repräsen-
tanten von Theologie, Jurisprudenz, Medizin
und Naturwissenschaften auf hervorkragenden
Steinardiitekturen mit hohen Treppensodteln
zur Diskussion. Maulbertsch hat im gleichen
Gebäude zwei repräsentative Aufträge ausge-
führt: das Dedxenfresko im Ratssaal der Aka-
demie der Künste von 1759 und ein zweites
1766 im Theologiesaal, dem zweitgrößten
Raum der Universität". Hier stellt er, wohl
unter Guglielmis Einfluß, das Thema der ewi-
gen Weisheit mittels eines „fatto", der Taufe
Christi, dar. Das Wasser wird zum Symbol der
göttlichen Weisheit, deren der Christ durch die
Taufe teilhaftig wird. Audi in anderen Werken
ist Guglielmis Einfluß auf Maulbertsch nadi-
weisbar, besonders in den Figurentypen des nur
in einer Ulskizze (Abb. 15) belegten, zerstörten
Frekos im Refektorium zu Klosterbrud-t von
176530. Am unmittelbarsten wirkt Guglielmis
Fakultätenbild in den Bibliotheksfresken von
Klosterbrudt und Strahov sowie in dem Augs-
hurger Entwurf nach, doch sind bei Maulbertsch
die Wissenschaftler nicht in geschlossenen Fa-
kultäten zusammengefaßt, auda leben die Wis-
senschaften nicht vom Glanz der kaiserlichen
Gnade, sondern vom Lidit der göttlid-ien Weis-
heitßl.
Die „divina providentia" gehört seit spätestens
1759 zu Maulbertschs festem Repertoire. Im
Lehensaal der bischöflichen Residenz zu Krem-
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