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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVI (1971 / Heft 115)

zu nnnier neuen ronnunerungen anspinnen 
sollte, die These von der Vereinbarkeit des 
christlichen Dogmas und der menschlichen Ver- 
nunft. Auch dafür gab es seit langem Vorbilder 
in der österreichischen wie der süddeutschen 
Barockrnalerei, auf denen zumeist Religion und 
Wissenschaften in geschwisterlicher Eintracht 
dargestellt waren. Das Mistelbacher Pro- 
gramm ist moderner und trotz aller poetisch 
spielerischen Unbefangenheit doktrinärer. Als 
Quell des Wissens erscheint die göttliche Weis- 
heit, auch ewige Weisheit, divina providentia, 
göttlidie Vorsidit genannt, symbolisiert durch 
das Auge Gottes und die Aufsdirift „dominus 
super aquas". Der Liditgott Apollo vermittelt 
den göttlichen Quell an die Wissenschaft und an 
die Zeit. Die Vernunft erweckt damit den 
Fleiß und die Geduld, die Unvernunft vergeu- 
det es, mit Gottes Hilfe beginnt die Zukunft. 
Dieses Programm erinnert zu sehr an das 
Augsburger, als daß nicht direkte Bezüge an- 
genommen werden müßten. Das Auge Gottes 
wird in Augsburg durch die sitzende Frauen- 
figur der göttlidien Weisheit vertreten, der 
geduldige Fleiß durch die Beharrlichkeit, die 
Übermittlung an die Zukunft durch die „Liebe 
zum Lernen". Der Engel, der Speer und Pfeil 
zerbricht, steht für die Vernunft, der Jüngling 
mit der Harfe für Apollo. Die Umdeutung 
zum „Duldungsgeist" ist vielleicht weniger das 
Werk des Malers als das des Interpreten. 
Die antiken Vertreter der vier Fakultäten wur- 
den 1755156 von Gregorio Guglielmi im gro- 
ßen Festsaal des Wiener Universitätsgebäudes 
dargestellt". Das auf ein ausführlidies Pro- 
gramm Pietro Metastasios zuriickgehende 
Ftesko versammelt die klassischen Repräsen- 
tanten von Theologie, Jurisprudenz, Medizin 
und Naturwissenschaften auf hervorkragenden 
Steinardiitekturen mit hohen Treppensodteln 
zur Diskussion. Maulbertsch hat im gleichen 
Gebäude zwei repräsentative Aufträge ausge- 
führt: das Dedxenfresko im Ratssaal der Aka- 
demie der Künste von 1759 und ein zweites 
1766 im Theologiesaal, dem zweitgrößten 
Raum der Universität". Hier stellt er, wohl 
unter Guglielmis Einfluß, das Thema der ewi- 
gen Weisheit mittels eines „fatto", der Taufe 
Christi, dar. Das Wasser wird zum Symbol der 
göttlichen Weisheit, deren der Christ durch die 
Taufe teilhaftig wird. Audi in anderen Werken 
ist Guglielmis Einfluß auf Maulbertsch nadi- 
weisbar, besonders in den Figurentypen des nur 
in einer Ulskizze (Abb. 15) belegten, zerstörten 
Frekos im Refektorium zu Klosterbrud-t von 
176530. Am unmittelbarsten wirkt Guglielmis 
Fakultätenbild in den Bibliotheksfresken von 
Klosterbrudt und Strahov sowie in dem Augs- 
hurger Entwurf nach, doch sind bei Maulbertsch 
die Wissenschaftler nicht in geschlossenen Fa- 
kultäten zusammengefaßt, auda leben die Wis- 
senschaften nicht vom Glanz der kaiserlichen 
Gnade, sondern vom Lidit der göttlid-ien Weis- 
heitßl. 
Die „divina providentia" gehört seit spätestens 
1759 zu Maulbertschs festem Repertoire. Im 
Lehensaal der bischöflichen Residenz zu Krem- 
ciavßg nnnlra an 4:1...- J-m "mlmJa-"l." 12.-}...
	        
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