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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVI (1971 / Heft 115)

Generation. In der Hauptsache waren 
es Applikationen, Material- und Kle- 
bebilder von vielfach reliefartiger Wir- 
kung, für die neben Holz, Stoffresten, 
Metall, Plastikfolien und Filmen auch 
Heu, Vogelnester und Tierfelle ver- 
wendet werden. Dora Maurer versteht 
es allerdings ausgezeichnet, diese di- 
vergierenden Materialien einander im 
Sinne einheitlicher Bild- und Farb- 
wirkung zuzuordnen und formal span- 
nungsreich zu verschmelzen. Sie be- 
tont diese Materialien im Sinne einer 
wörtlich-faktischen und inhaltlichen 
Mehrschichtigkeit, die auf eine be- 
sonders starke Aktivierung des Be- 
trachters gerichtet ist. Sie schließt in 
dieser wesentlichen Grundtendenz an 
Beispiele des Dadaismus ebenso an 
wie an gewisse bildnerische Methoden 
und Verfremdungseffekte eines Beuys, 
dessen Ausstellung in der Galerie 
nächst St. Stephan an anderer Stelle 
unserer Zeitschrift eingehend erörtert 
wird. Dora Maurers Applikationen ver- 
raten eine sehr intensive Auseinander- 
setzung mit Grundsatzfragen des Bild- 
nerischen. Es sind bildnerische Tat- 
bestände, die in ihrer gewollten 
Mehrdeutigkeit das im Betrachter be- 
wirken, was man heute mit einem 
Modewert als Verunsicherung bezeich- 
net. Es geht diesen Arbeiten nicht 
um die Vermittlung von Inhalten, die 
Ausschließlichkeit beanspruchen, son- 
dern um das Setzen von Anstoßpunk- 
ten, um ein Auslösen gedanklicher 
Stellungnahmen, für die ein Behar- 
ren auf dem orthodoxen Kunstbegriff 
ebenso hinderlich wäre wie Vorbe- 
halte gewissen Materialien und bild- 
nerisrhen Methoden gegenüber. Ähn- 
lidi wie in früheren Radierungen der 
international renommierten Künstlerin 
(Dora Maurer erhielt z. B. auf der 
Biennale von Bradford 1970 hinter 
Roy Lid1tenstein und Robert Rauschen- 
berg einen der ersten Preise) schlägt 
auch in den neuen Material- und 
Klebebildern eine dialektische Dop- 
pelbädigkeit durch, die sich in eben- 
falls neuen Druckgraphiken fortsetzl 
und für iene Spannung zum Be- 
trachter sorgt, die neben dem hohen 
Grad an bildnerischer Umsetzung den 
Wert einer insgesamt beachtenswer- 
ten und erfreulichen Leistung be- 
stimmt (Abb. 10). 
Galerie Basilisk - 
Wolfgang Zöhrer 
Wolfgang Zöhrer, der oberösterreictti- 
sdte Radierer und Schüler von Pro- 
fessor Max Melcher an der Wiener 
Akademie der bildenden Künste, hat 
mit der Wahl der Galerie für seine 
erste Wiener Einzelausstellung einen 
guten Griff getan. Räumlichkeiten und 
Atmosphäre der Galerie Basilisk, in 
der er über zwanzig klein- bis mittel- 
farmotige Exponate zeigte, entspre- 
chen nämlich geradezu ideal als 
Ambiente für seine dem Skurrllen und 
Hintergründigen zugetane Bild- und 
Vorstellungswelt. 
Zährers Radierungen zeigen sich in 
manchem den frühen Arbeiten Alfred 
Kubins verwandt. Den Kubin-Lands- 
mann und -„Nachfolger" interessie- 
ren allerdings weniger die tragischen 
menschlichen Verstridcungen und ge- 
waltigeren geistigen Dimensionen des 
Visianärs aus Zwickledt, als vielmehr 
der Spaß an so manchen graphisch 
gewürzten Ubersteigerungen, die Zöh- 
rer mit deutlichem Hang zum Grotes- 
ken bei Mensch und Tier vornimmt. 
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Er erweist sich darin nicht nur als 
geschickter Handwerker, der um den 
schöpferischen Reiz des strukturellen 
Ätzens, des Weiterbearbeitens und 
Druckens einer Kupfer- oder Zink- 
platte weiß, sondern auch als kauzi- 
ger Beobachter und hintersinniger 
Fabulierer, dem ein guter Witz, ein 
überraschend angebrachter Seitenhieb 
lieber sind als strapazierte themati- 
sche Aussdtweifungen. Wem das 
Graphische nicht reicht, bekommt in 
nicht minder köstlichen Texten ergän- 
zenden Anschauungsunterricht: „Nach 
einem orgastischen Liebesrausch ha- 
ben eine Pistole und eine Hornisse 
Elternpflichten." 
Aus seiner Vorliebe fürs Schummrige 
und Stimmungsvolle weiß Zöhrer, der 
in Blättern wie der „Kleinen Rotzmu- 
sik" ausgesprochen eigenständige 
Poesie erreicht, Kapital zu schlagen. 
Das ist ihm auch auf Grund der kau- 
zigen Eigenart seiner Radierungen 
und besonders günstiger Preise bei 
seinem Wiener Debüt gelungen. Infor- 
mierte Sammler skurriler Graphik lie- 
ßen es sidi nicht entgehen. 
Stadthalle Eisenstadt - 
Ernst lnsam 
Die Standortbestimmung des Künstlers 
Ernst lnsam läßt sich relativ leicht 
vornehmen. Man sollte darin ein Po- 
sitivum sehen, weil Entschiedenheit 
und ausgeprägte Subiektivität, wie 
man sie im Guvre des W27 in Kitz- 
bühel geborenen Malers und Graphi- 
kers seit nunmehr gut fünf Jahren an- 
trifft, schon immer wertbestimmende 
Merkmale für die Qualität und das 
Profil künstlerischer Produktion waren. 
Die Effektivität dieser Beobachtung 
erweist sich gerade heute in Anbe- 
tracht des gegenwärtigen Pluralismus 
an Stilrichtungen und Tendenzen, an 
künstlerischen Mischformen und be- 
wußt provozierten, zum Teil bestimmt 
notwendigen Grenzüberschreitungen, 
die ein Festhalten an überlieferten 
Kriterien oft ebenso relativ erscheinen 
lassen wie die Fixierung neuer Maß- 
stäbe in der Kunstbetrachtung. 
Ernst lnsam ist ein Maler der Farbe. 
Ein Künstler, der trotz immer stärke- 
rer Konzentration auf ein bestimm- 
tes, wenn auch weites und sehr dif- 
ferenziert anwendbares „Formenvoka- 
buIar", dem malerischen Geschehen 
als materiellem Vorgang, _der Geisti- 
ges spiegelt und Gehalte bestimmt, 
höchste Aufmerksamkeit schenkt. Man 
erkennt diese Eigenschaft des Voll- 
blutmalers in seinen frühen, dem ln- 
formel und Action-Painting zuzurech- 
nenden, spannungsreichen und kraft- 
voll gestalteten Abstraktionen ebenso 
wie in den Bildern und graphischen 
Blättern aus 1970, die eine konse- 
quente Bereicherung eines in seiner 
Grundhaltung iedoch gleichgebliebe- 
nen künstlerischen Bemühens darstel- 
len. 
Zur gestischen Spontaneität als Resul- 
tat emotional und intellektuell be- 
dingter Vorgänge tritt heute ergän- 
zend eine immer stärkere, bewußter 
vorgenommene und schon deshalb 
leichter ablesbare Farmverfestigung. 
Die neuen Bilder des Künstlers (Öl und 
Acryl auf Leinwand) mit ihren grel- 
leren, effektvalleren Pop-Farben zei- 
gen in den durch Streifen und Schrof- 
fen angedeuteten dynamischen Be- 
wegungsabläufen,_die informelle Farb- 
konstellationen überlagern, durchdrin- 
gen und zusammen mit ihnen for- 
male Spannung und farbige Kontra- 
ste ergeben, ein zeitgemäßes künst- 
lerisches Anliegen mit dem Ansprudi 
auf Reflexion durch den Betrachter 
(Abb. n). 
Galerie bei lnfeld, Kitzhühel - 
Panorama 
österreichischer Druckgraphik 
„Panorama 70l7l" lautete der Titel 
einer im Dezember 1970lJänner 1971 
stattgefundenen Ausstellung der Ga- 
lerie bei lnfeld in Kitzbühel. Die 
Schau, die einen informativen Quer- 
schnitt durch die dominierenden Stil- 
richtungen und Tendenzen österreichi- 
scher Gegenwartskunst vermittelt: 
umfaßte rund fünfzig Exponate va 
26 österreichischen Künstlern. Ai 
dem Gezeigten ging der erfreulich 
Aufschwung, den die Druckgraphi 
unseres Landes während der letzte 
Jahre zu verzeichnen hatte, deutlii 
hervor. Neben Prominenten wie Ado 
Frohner, Hans Staudacher, Rudolf Ho 
lehner, Arnulf Rainer, Peter Bischa 
Theo Braun, Heinrich Heuer un 
Ernst Fuchs waren an der für de 
lokalen Bereich besonders informat 
ven und verdienstvollen Schau aur 
zahlreiche iunge Graphiker vertretei 
Peter Baut 
Berichte 
In INNSBRUCK stellte in der 
GALERlE IM TAXlS-PALAIS vom 
12. bis 30. Jänner 1971 der Pariser 
Graphiker ROLAND TOPOR aus. Der 
1938 geborene Künstler ist vielseitig 
tätig, neben publizistischen Werken 
macht er auch Filme. Seine in 
Innsbruck gezeigten Arbeiten weisen 
ihn als geistvollen Satiriker aus, der 
den Mißständen unserer Welt mit 
liebenswürdigem Lächeln, hinter dem 
sich aber beißende Ironie verbirgt, an 
den Leib rückt. In der Graphikklasse 
der Ecole des Beaux Arts geschult, 
setzt er beste französische Tradition 
mit modernen Mitteln fort (Abb. 12). 
RIED IM INNKREIS hat mit der 
GALERIE CONTERVEILCHEN, einer 
hoffnungsvollen Gründung des 
Malers R. Adlmannseder, ein neues 
Kulturzentrum. Graphiken von 
ANTON WATZL waren in der 
Eröffnungsausstellung den ganzen 
November 1970 über zu sehen. Der 
Künstler zeigte Arbeiten aus dem 
„VUEST-Zyklus" und „Die Requisiten 
des Herrn L." sowie Blätter aus der 
Folge „Flora". Interessant, daß bei 
den „Requisiten" wieder neue, andere 
als in Herbert Lederers Theater am 
Schwedenplatz in Wien zu sehen 
waren, zu dessen Eröffnung Watzl 
den Schauspieler in für ihn typischen 
Haltungen porträtiert hatte. Einen 
neuen Weg scheint der Linzer mit den 
farbigen Blumenbildern gehen zu 
wollen, während er mit den reinen 
Zeichnungen von Pflanzen wieder 
seine Sicherheit im Strich unter Beweis 
stellt (Abb. 13). 
In WELS [OOJ präsentierte die 
GULDEN-GALERIE vom 6. bis 29. No- 
vember Werke von ANTON WICHTL. 
Der Badener Maler zeigte ebenfalls 
Graphiken. Die 21 Federzeichnungen 
nach landschaftlichen Motiven 
bewiesen Wichtls Blick für das 
Wesentliche und die Erfassung durch 
seine Hand. Oft bannt er nur mit 
wenigen Linien eine Ebene, einen 
Höhenrücken, eine Hügelkette auf das 
Blatt und gibt mit einer sanften 
Verstärkung eine Tiefe und Weite. 
Zehn Blätter zeigten Illustrationen 
nach Alois Vogels Prosatext „Die 
seltsamen Vergnügungen eines 
Mannes der Barnbara hieß" aus 
dem bei Jugend und Volk eben 
ersd1ienenen Band „Vorläufige 
Grabungsergebnisse". Hier beweist 
Wichtl einmal mit lockerem, dann 
wieder mit sehr dichtem Strichgefüge 
echte Anteilnahme an den Texten. 
Geometrisch anmutende Linien 
markieren ein System, in dem die 
Menschen, bei all ihrer Eigen- 
ständigkeit, eingebunden sind 
(Abb. u). 
In LINZ war in der GALERIE OTTt 
BEJVL ebenfalls ein Nieder- 
Österreicher, der Graphiker FRITZ 
LADERER, mit seinen Werken 
vertreten. Die Ausstellung, die vom 
17. Dezember 1970 bis 10. Jänner 
1971 geöffnet war, bewies Laderers 
Talent. Vom Jugendstil beeinflußt, 
greift der iunge Künstler manchmal 
zu symbolischen Requisiten, bleibt 
iedoch leicht verzerrt gegenständlich. 
Seine Radierungen weisen einen 
immer von neuem ansetzenden Strich 
auf, ein Herantasten an die 
Wirklichkeit, die für Laderer von 
zeitnahen und altersbedingten 
Erkenntnissen geprägt ist und doch 
keine endgültige Festlegung birgt 
(Abb. 15). 
In GRAZ stellte im KUNSTLERHAUS 
vom 6. bis 2B. November 1970 der 
KUNSTLERBUND GRAZ aus. Als 
Gäste waren die Wiener PAUL 
MEISSNER und WALTER VOPAVA 
eingeladen. Meissner, nun 'eder 
figurativ, zeigte in großflächiger 
Anordnung Leiber vor leeren 
Hintergründen. Der iunge Vopava, 
der nun etwas popige Ulbilder malt, 
ist eine Entdeckung, von der wir nac 
manches zu erwarten haben. ALBERT 
BIRKLE besdtäftigt sich hauptsächlich 
mit der Gestaltung von Fensterglas, 
was auch eindeutig in seinen 
Temperabildern einen Niederschlag 
findet. FRED HARTIG, von dem vor 
kurzem eine repräsentative Sdtau in 
der Neuen Galerie war (wir 
berichteten davon im Heft 112), war 
mit seinen stark von Linie und Fläch 
geformten kritischen Bildern 
vertreten. Sein Sohn, JORG HARTIG 
zeigte weitaus unbestimmtere, fast in 
Auflösung begriffene Figuren. 
Schemenhaft werden die Farbumrisse 
aufgelöst. Von RENO ERNST JUNGEI 
sind Ul-, Tempera- und Aquarell- 
arbeiten zu sehen gewesen. PAULA 
MALY hatte hauptsächlich Collagen 
gebracht. Organische und 
geometrische Körperformen über- 
schneiden sidt, Musterungen geben 
zusätzliche Spannungen. ANDREW 
MOLLES gab mit seinen 
geometrischen, abgestuften und in 
Rhythmen angeordneten rein farblic 
gereihten Mustern der Schau einen 
wesentlich strengeren, analytischen 
Ton. Zuletzt muß nach KARL WEISL 
mit seinen weniger strengen, eher 

	        
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