Generation. In der Hauptsache waren
es Applikationen, Material- und Kle-
bebilder von vielfach reliefartiger Wir-
kung, für die neben Holz, Stoffresten,
Metall, Plastikfolien und Filmen auch
Heu, Vogelnester und Tierfelle ver-
wendet werden. Dora Maurer versteht
es allerdings ausgezeichnet, diese di-
vergierenden Materialien einander im
Sinne einheitlicher Bild- und Farb-
wirkung zuzuordnen und formal span-
nungsreich zu verschmelzen. Sie be-
tont diese Materialien im Sinne einer
wörtlich-faktischen und inhaltlichen
Mehrschichtigkeit, die auf eine be-
sonders starke Aktivierung des Be-
trachters gerichtet ist. Sie schließt in
dieser wesentlichen Grundtendenz an
Beispiele des Dadaismus ebenso an
wie an gewisse bildnerische Methoden
und Verfremdungseffekte eines Beuys,
dessen Ausstellung in der Galerie
nächst St. Stephan an anderer Stelle
unserer Zeitschrift eingehend erörtert
wird. Dora Maurers Applikationen ver-
raten eine sehr intensive Auseinander-
setzung mit Grundsatzfragen des Bild-
nerischen. Es sind bildnerische Tat-
bestände, die in ihrer gewollten
Mehrdeutigkeit das im Betrachter be-
wirken, was man heute mit einem
Modewert als Verunsicherung bezeich-
net. Es geht diesen Arbeiten nicht
um die Vermittlung von Inhalten, die
Ausschließlichkeit beanspruchen, son-
dern um das Setzen von Anstoßpunk-
ten, um ein Auslösen gedanklicher
Stellungnahmen, für die ein Behar-
ren auf dem orthodoxen Kunstbegriff
ebenso hinderlich wäre wie Vorbe-
halte gewissen Materialien und bild-
nerisrhen Methoden gegenüber. Ähn-
lidi wie in früheren Radierungen der
international renommierten Künstlerin
(Dora Maurer erhielt z. B. auf der
Biennale von Bradford 1970 hinter
Roy Lid1tenstein und Robert Rauschen-
berg einen der ersten Preise) schlägt
auch in den neuen Material- und
Klebebildern eine dialektische Dop-
pelbädigkeit durch, die sich in eben-
falls neuen Druckgraphiken fortsetzl
und für iene Spannung zum Be-
trachter sorgt, die neben dem hohen
Grad an bildnerischer Umsetzung den
Wert einer insgesamt beachtenswer-
ten und erfreulichen Leistung be-
stimmt (Abb. 10).
Galerie Basilisk -
Wolfgang Zöhrer
Wolfgang Zöhrer, der oberösterreictti-
sdte Radierer und Schüler von Pro-
fessor Max Melcher an der Wiener
Akademie der bildenden Künste, hat
mit der Wahl der Galerie für seine
erste Wiener Einzelausstellung einen
guten Griff getan. Räumlichkeiten und
Atmosphäre der Galerie Basilisk, in
der er über zwanzig klein- bis mittel-
farmotige Exponate zeigte, entspre-
chen nämlich geradezu ideal als
Ambiente für seine dem Skurrllen und
Hintergründigen zugetane Bild- und
Vorstellungswelt.
Zährers Radierungen zeigen sich in
manchem den frühen Arbeiten Alfred
Kubins verwandt. Den Kubin-Lands-
mann und -„Nachfolger" interessie-
ren allerdings weniger die tragischen
menschlichen Verstridcungen und ge-
waltigeren geistigen Dimensionen des
Visianärs aus Zwickledt, als vielmehr
der Spaß an so manchen graphisch
gewürzten Ubersteigerungen, die Zöh-
rer mit deutlichem Hang zum Grotes-
ken bei Mensch und Tier vornimmt.
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Er erweist sich darin nicht nur als
geschickter Handwerker, der um den
schöpferischen Reiz des strukturellen
Ätzens, des Weiterbearbeitens und
Druckens einer Kupfer- oder Zink-
platte weiß, sondern auch als kauzi-
ger Beobachter und hintersinniger
Fabulierer, dem ein guter Witz, ein
überraschend angebrachter Seitenhieb
lieber sind als strapazierte themati-
sche Aussdtweifungen. Wem das
Graphische nicht reicht, bekommt in
nicht minder köstlichen Texten ergän-
zenden Anschauungsunterricht: „Nach
einem orgastischen Liebesrausch ha-
ben eine Pistole und eine Hornisse
Elternpflichten."
Aus seiner Vorliebe fürs Schummrige
und Stimmungsvolle weiß Zöhrer, der
in Blättern wie der „Kleinen Rotzmu-
sik" ausgesprochen eigenständige
Poesie erreicht, Kapital zu schlagen.
Das ist ihm auch auf Grund der kau-
zigen Eigenart seiner Radierungen
und besonders günstiger Preise bei
seinem Wiener Debüt gelungen. Infor-
mierte Sammler skurriler Graphik lie-
ßen es sidi nicht entgehen.
Stadthalle Eisenstadt -
Ernst lnsam
Die Standortbestimmung des Künstlers
Ernst lnsam läßt sich relativ leicht
vornehmen. Man sollte darin ein Po-
sitivum sehen, weil Entschiedenheit
und ausgeprägte Subiektivität, wie
man sie im Guvre des W27 in Kitz-
bühel geborenen Malers und Graphi-
kers seit nunmehr gut fünf Jahren an-
trifft, schon immer wertbestimmende
Merkmale für die Qualität und das
Profil künstlerischer Produktion waren.
Die Effektivität dieser Beobachtung
erweist sich gerade heute in Anbe-
tracht des gegenwärtigen Pluralismus
an Stilrichtungen und Tendenzen, an
künstlerischen Mischformen und be-
wußt provozierten, zum Teil bestimmt
notwendigen Grenzüberschreitungen,
die ein Festhalten an überlieferten
Kriterien oft ebenso relativ erscheinen
lassen wie die Fixierung neuer Maß-
stäbe in der Kunstbetrachtung.
Ernst lnsam ist ein Maler der Farbe.
Ein Künstler, der trotz immer stärke-
rer Konzentration auf ein bestimm-
tes, wenn auch weites und sehr dif-
ferenziert anwendbares „Formenvoka-
buIar", dem malerischen Geschehen
als materiellem Vorgang, _der Geisti-
ges spiegelt und Gehalte bestimmt,
höchste Aufmerksamkeit schenkt. Man
erkennt diese Eigenschaft des Voll-
blutmalers in seinen frühen, dem ln-
formel und Action-Painting zuzurech-
nenden, spannungsreichen und kraft-
voll gestalteten Abstraktionen ebenso
wie in den Bildern und graphischen
Blättern aus 1970, die eine konse-
quente Bereicherung eines in seiner
Grundhaltung iedoch gleichgebliebe-
nen künstlerischen Bemühens darstel-
len.
Zur gestischen Spontaneität als Resul-
tat emotional und intellektuell be-
dingter Vorgänge tritt heute ergän-
zend eine immer stärkere, bewußter
vorgenommene und schon deshalb
leichter ablesbare Farmverfestigung.
Die neuen Bilder des Künstlers (Öl und
Acryl auf Leinwand) mit ihren grel-
leren, effektvalleren Pop-Farben zei-
gen in den durch Streifen und Schrof-
fen angedeuteten dynamischen Be-
wegungsabläufen,_die informelle Farb-
konstellationen überlagern, durchdrin-
gen und zusammen mit ihnen for-
male Spannung und farbige Kontra-
ste ergeben, ein zeitgemäßes künst-
lerisches Anliegen mit dem Ansprudi
auf Reflexion durch den Betrachter
(Abb. n).
Galerie bei lnfeld, Kitzhühel -
Panorama
österreichischer Druckgraphik
„Panorama 70l7l" lautete der Titel
einer im Dezember 1970lJänner 1971
stattgefundenen Ausstellung der Ga-
lerie bei lnfeld in Kitzbühel. Die
Schau, die einen informativen Quer-
schnitt durch die dominierenden Stil-
richtungen und Tendenzen österreichi-
scher Gegenwartskunst vermittelt:
umfaßte rund fünfzig Exponate va
26 österreichischen Künstlern. Ai
dem Gezeigten ging der erfreulich
Aufschwung, den die Druckgraphi
unseres Landes während der letzte
Jahre zu verzeichnen hatte, deutlii
hervor. Neben Prominenten wie Ado
Frohner, Hans Staudacher, Rudolf Ho
lehner, Arnulf Rainer, Peter Bischa
Theo Braun, Heinrich Heuer un
Ernst Fuchs waren an der für de
lokalen Bereich besonders informat
ven und verdienstvollen Schau aur
zahlreiche iunge Graphiker vertretei
Peter Baut
Berichte
In INNSBRUCK stellte in der
GALERlE IM TAXlS-PALAIS vom
12. bis 30. Jänner 1971 der Pariser
Graphiker ROLAND TOPOR aus. Der
1938 geborene Künstler ist vielseitig
tätig, neben publizistischen Werken
macht er auch Filme. Seine in
Innsbruck gezeigten Arbeiten weisen
ihn als geistvollen Satiriker aus, der
den Mißständen unserer Welt mit
liebenswürdigem Lächeln, hinter dem
sich aber beißende Ironie verbirgt, an
den Leib rückt. In der Graphikklasse
der Ecole des Beaux Arts geschult,
setzt er beste französische Tradition
mit modernen Mitteln fort (Abb. 12).
RIED IM INNKREIS hat mit der
GALERIE CONTERVEILCHEN, einer
hoffnungsvollen Gründung des
Malers R. Adlmannseder, ein neues
Kulturzentrum. Graphiken von
ANTON WATZL waren in der
Eröffnungsausstellung den ganzen
November 1970 über zu sehen. Der
Künstler zeigte Arbeiten aus dem
„VUEST-Zyklus" und „Die Requisiten
des Herrn L." sowie Blätter aus der
Folge „Flora". Interessant, daß bei
den „Requisiten" wieder neue, andere
als in Herbert Lederers Theater am
Schwedenplatz in Wien zu sehen
waren, zu dessen Eröffnung Watzl
den Schauspieler in für ihn typischen
Haltungen porträtiert hatte. Einen
neuen Weg scheint der Linzer mit den
farbigen Blumenbildern gehen zu
wollen, während er mit den reinen
Zeichnungen von Pflanzen wieder
seine Sicherheit im Strich unter Beweis
stellt (Abb. 13).
In WELS [OOJ präsentierte die
GULDEN-GALERIE vom 6. bis 29. No-
vember Werke von ANTON WICHTL.
Der Badener Maler zeigte ebenfalls
Graphiken. Die 21 Federzeichnungen
nach landschaftlichen Motiven
bewiesen Wichtls Blick für das
Wesentliche und die Erfassung durch
seine Hand. Oft bannt er nur mit
wenigen Linien eine Ebene, einen
Höhenrücken, eine Hügelkette auf das
Blatt und gibt mit einer sanften
Verstärkung eine Tiefe und Weite.
Zehn Blätter zeigten Illustrationen
nach Alois Vogels Prosatext „Die
seltsamen Vergnügungen eines
Mannes der Barnbara hieß" aus
dem bei Jugend und Volk eben
ersd1ienenen Band „Vorläufige
Grabungsergebnisse". Hier beweist
Wichtl einmal mit lockerem, dann
wieder mit sehr dichtem Strichgefüge
echte Anteilnahme an den Texten.
Geometrisch anmutende Linien
markieren ein System, in dem die
Menschen, bei all ihrer Eigen-
ständigkeit, eingebunden sind
(Abb. u).
In LINZ war in der GALERIE OTTt
BEJVL ebenfalls ein Nieder-
Österreicher, der Graphiker FRITZ
LADERER, mit seinen Werken
vertreten. Die Ausstellung, die vom
17. Dezember 1970 bis 10. Jänner
1971 geöffnet war, bewies Laderers
Talent. Vom Jugendstil beeinflußt,
greift der iunge Künstler manchmal
zu symbolischen Requisiten, bleibt
iedoch leicht verzerrt gegenständlich.
Seine Radierungen weisen einen
immer von neuem ansetzenden Strich
auf, ein Herantasten an die
Wirklichkeit, die für Laderer von
zeitnahen und altersbedingten
Erkenntnissen geprägt ist und doch
keine endgültige Festlegung birgt
(Abb. 15).
In GRAZ stellte im KUNSTLERHAUS
vom 6. bis 2B. November 1970 der
KUNSTLERBUND GRAZ aus. Als
Gäste waren die Wiener PAUL
MEISSNER und WALTER VOPAVA
eingeladen. Meissner, nun 'eder
figurativ, zeigte in großflächiger
Anordnung Leiber vor leeren
Hintergründen. Der iunge Vopava,
der nun etwas popige Ulbilder malt,
ist eine Entdeckung, von der wir nac
manches zu erwarten haben. ALBERT
BIRKLE besdtäftigt sich hauptsächlich
mit der Gestaltung von Fensterglas,
was auch eindeutig in seinen
Temperabildern einen Niederschlag
findet. FRED HARTIG, von dem vor
kurzem eine repräsentative Sdtau in
der Neuen Galerie war (wir
berichteten davon im Heft 112), war
mit seinen stark von Linie und Fläch
geformten kritischen Bildern
vertreten. Sein Sohn, JORG HARTIG
zeigte weitaus unbestimmtere, fast in
Auflösung begriffene Figuren.
Schemenhaft werden die Farbumrisse
aufgelöst. Von RENO ERNST JUNGEI
sind Ul-, Tempera- und Aquarell-
arbeiten zu sehen gewesen. PAULA
MALY hatte hauptsächlich Collagen
gebracht. Organische und
geometrische Körperformen über-
schneiden sidt, Musterungen geben
zusätzliche Spannungen. ANDREW
MOLLES gab mit seinen
geometrischen, abgestuften und in
Rhythmen angeordneten rein farblic
gereihten Mustern der Schau einen
wesentlich strengeren, analytischen
Ton. Zuletzt muß nach KARL WEISL
mit seinen weniger strengen, eher