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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVI (1971 / Heft 115)

Günter Passavant 
BALTHASAR NEUMANN 
ODER JOHANN LUCAS 
VON HILDEBRANDT?- 
ZUM PROBLEM DER 
KOLLEKTIVPLANUNG DER 
SCHÖNBORNKAPELLE 
AM WÜRZBURGER DOM 
In Älmrrrlung einer Arzbiqfunde: mm Cürltlmr Renner 
 
P 
  
Das Bild, das vor genau fünfundsiehzig Jahren 
Joseph Keller in der ersten Balthasar-Neumann- 
Monographiel vom Leben und Werk des be- 
rühmten deutschen Barockarchitekten entwerfen 
konnte, hat seine Gültigkeit heute weitgehend 
eingebüßt. Es war gekennzeichnet durch einen 
Nachklang der übersteigerten Genievorstellung 
der Romantik, vor allem aber durch das 
eigentümliche Verhältnis des späten neunzehn- 
ten Jahrhunderts zum Phänomen des Barocks, 
dessen Formen man studierte und kopierte, 
ohne sein Wesen und seinen inneren Werdegang 
noch zu erfassen. - Fast der gesamte Bestand 
an barocken Bauplänen, Ardntektur- und De- 
korationsentwürfen der Würzburger Universi- 
tätsbibliothek und der Sammlung Etkert (heute 
im Mainfränkischen Museum in Würzburgg), 
der größtenteils auch heute noch die Grundlage 
für jede Beschäftigung mit Neumanns Kunst 
bildet, war Keller damals schon bekannt. Er 
bezog allerdings dieses Zeichnungsrnaterial von 
vornherein und in seiner ganzen Vielfalt auf 
Neumanns künstlerische Tätigkeit und sah in 
ihm den Beweis für jene Souveränität, mit der 
der Künstler allen technischen und dekorativen 
Aufgaben in gleicher Weise gegenübergestanden 
haben soll. „Er war nicht bloß Ardmitekt, son- 
dern audn Maler, Bildhauer, Dekorateur und 
Stukkateur in einer Personß." Heute wissen 
wir - worauf zuerst Fritz Hirsch in seiner 
Arbeit über das sogenannte Skizzenbuch Neu- 
manns4 mit Nachdruck hingewiesen hat -, 
daß Neumann nicht sehr gut zeichnete, daß er 
gerade für das Entwerfen von Dekorationen 
und ornamentalen Details kein Talent besaß 
und sida für diese Belange der Mitarbeit an- 
derer Künstler bediente. Seine eigenständigen 
Bauten, also jene Werke, bei deren Planung 
andere Architekten und Dekorationskünstler 
nicht eingeschaltet waren, zeigen mehr oder we- 
niger schmudtlose Fassaden. In seinen Entwür- 
fen für Kircheninnenräume, etwa für die Würz- 
burger Hofkirche (S. E. 313; Abb. 4) oder für 
die Wiener Hofkapelle (Berlin, Staatl. Kunst- 
bibliothek Hdz. 47285), fehlt meist jede De- 
koration. Sie wurde gegebenenfalls von an- 
deren Künstlern entworfen, in Neumanns Zeich- 
nungen eingetragen oder auf deren Grundlage 
in neuen Entwürfen festgelegt. Die „Ornament- 
feindlichkeit" kann unter Umständen sogar
	        
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