Internationale
Sammler^eifunj
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde,
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
19. Jahrgang. Wien, 1. Februar 1927. Nr. 3.
Qefäfscfite Cgger-ßienz.
Egger-Lienz ist vor kurzem gestorben, und
es ist selbstverständlich, daß sich, wie immer in sol
chen Fällen, der Kunstmarkt besonders eifrig mit den
Werken eines Künstlers befaßt, der Anspruch darauf
erheben kann, eine besondere materielle Wertung zu
erfahren. Egger-Lienz, seit Jahren schon berühmt,
hatte seine Preise, und sie waren verhältnisgemäß
hoch. Die Verlockung war also da, die Konjunktur
auszunützen und so rasch wie möglich Fälschungen
unter die Leute zu bringen. Naturgemäß ist die Zeit
unmittelbar nach dem Tod eines hervorragenden
Künstlers die bestgewählte, denn gerade jene Kreise,
in denen man den wahren Sammler und den guten
Kenner nicht suchen darf, stürzen sich, aus Angst,
eine Gelegenheit zu versäumen, auf das Dargebotene,
ohne viel zu fragen. Sie haben kein eigenes Urteil
und keine Kenntnis von den Dingen, und der aus
gutem Bedacht nicht allzu hoch angesetzte Preis ist
für sie ein Anlaß mehr, das „Werk“ zu erstehen, statt,
daß er sie zumindest stutzig und ein wenig zum Nach
denken geneigt machte. Das Mißgeschick, das Egger-
Lienz passiert, hat noch nahezu jeden Künstler von
Bedeutung getroffen.
Das Schicksal dieser Fälschungen ist zumeist
immer das gleiche. Bleiben sie nicht allzu sorgsam
gehüteter Besitz des Käufers, so finden sie bald den
Weg zu einem Kenner oder dieser zu ihnen, und nur
zu oft genügt ein Blick, um zu sehen, woran man ist.
Mitunter dauert es auch nur so lange, bis ein genaues
Verzeichnis aller Werke des Verstorbenen vorliegt,
um zu kontrollieren, ob sich dieses darunter befindet.
Allerdings gibt, es verschollene Arbeiten, und da ist
man darauf angewiesen, durch den Vergleich aus dem
Gefühl, an der Hand schriftlicher Aufzeichnungen
oder nach der mündlichen Ueberlieferung festzustel
len, ob es sich um ein echtes Bild oder um eine Fäl
schung handelt, oder, was ja auch vorkommt, um das
Werk eines andern Künstlers mit unrichtiger Zuschrei
bung. So ging gerade im letztverflossenen Jahre um
ftühe Werke Feuerbachs und Böcklins der Streit.
Hier, im Falle Egger-Lienz’, ist man zu dem sicheren
Ergebnis gelangt, daß er gefälscht worden ist, und
eine gerichtliche Untersuchung wird nähere Daten zu
tage fördern. Darüber liegt aus Innsbruck die
nachstehende Meldung vor:
Wie die „Innsbrucker Nachrichten“ erfahren,
wurde in B o z e n eine Werkstätte für Fälschungen
von Egger-Lienz-Bildern aufgedeckt. Gegen einen
Teppichhändler, der ein gebürtiger Aegypter sein und
mit einem gewissen Dr. Konovary identisch sein
soll, und in dessen Geschäft eine ganze Reihe von an
geblichen Egger-Bildern, die sich alle als Fälschungen
erwiesen, verwahrt sind, wurde die Strafanzeige er
stattet. Der Teppichhändler beauftragte den in Bozen
ansässigen Anstreicher und Zimmermaler F i n i e, be
kannte Egger-Lienz-Motive zu kopieren. Die Fäl
schungen sollen nicht ungeschickt ausgeführt
sein. Gefälscht wurde auch das bekannte Madon
nen b i 1 d, eine der besten Arbeiten des Künstlers.
Es muß erwähnt werden, daß Egger-Lienz natur
gemäß schon zu seinen Lebzeiten von Fälschern zum
Objekt ihres Ehrgeizes gemacht wurde. Auf der vor
jährigen Ausstellung von Fälschungen im Oberen
Belvedere in Wien war Egger-Lienz allerdings nicht
vertreten, obwohl ein Falsifikat — das Bildnis eines
Bauern — Vorgelegen hätte; gerade zu der Zeit aber
war es dem Künstler übermittelt worden, damit er
sich dazu äußere. Bestimmte Maler haben, und auch
er war anscheinend in dieser Lage, „Freunde“, die
sich für sie „spezialisieren“. Von österreichischen
Künstlern der letztv.ergangenen Zeit waren es beson
ders Klimt und Schiele, die sich nach ihrem Tod
Fälschungen gefallen lassen mußten, und manche die
ser Falsifikate, zur besonderen „Ehre“ des Fälschers
sei es gesagt, waren nicht einmal schlecht, so daß die
Düpierung der Nichtkenner eher begreiflich wird. Die
Innsbrucker Meldung spricht davon, daß das „be
kannte“ Madonnenbild gefälscht wurde. Es handelt
sich also hier, richtiger gesagt, um eine nicht kennt
lich gemachte Kopierung, und zwar wahrscheinlich
des Bildes, das auf der Wiener Ausstellung im Jahre
1925 unter dem Titel „Maria mit dem Kinde“ (in eben
diesem Jahre gemalt) zu sehen war. Immerhin ist es
gut, daß man der Kompagniefirma so rasch auf ihren
Betrug gekommen ist; nicht etwa, weil es sich bei
solch einem Betrieb um die Entwertung materieller
Werte handelt, sondern weil es nichts weniger Pietät
loses geben mag, nichts mehr Verächtliches, als Hand,
Geist und Seele eines Künstlers Aeußerungen zu unter
schieben, die sie nie getan haben.