MAK

Volltext: Alte und Moderne Kunst XVI (1971 / Heft 116)

Vogel 
TER BEHRENS- 
MALER UND GRAPHIKER 
SCHEN DEN SCHULEN 
Es begann mit einem Protest eigener Art, mit 
Zeichnungen, die im Kriegslazarett entstanden 
sind. Sie erregten die Aufmerksamkeit der Her- 
ausgeber des „Plan" - iener Zeitschrift, in der 
alles, was später bestand, das erstemal nach 
dem Krieg aufschien 7 und einiger Verleger, die 
Walter Behrens zu Illustrationen für Neuauflagen 
heranzogen. 
Der l9l'l auf Las Palmas, einer der Kanarischen 
Inseln, als Sohn des deutschen Konsuls geborene, 
später auf der Hanseatischen Kunstschule in Hum- 
burg ausgebildete Maler sah von allem Anfang 
sehr skeptisch in diese Welt. Artur Schopenhauer 
und Friedrich Nietzsche waren die Leitsterne seiner 
Jugend. Den Krieg erkannte er von Beginn an als 
Geißel Gottes, als demiurgisches Scheusal, das 
einen dementsprechenden Rattenschwanz von Übeln 
im Gefolge hat. Auf den vielen kleinen Blättern 
seines „Kriegstagebuches", das etwa l944 entstan- 
den ist, legte Behrens dieses Bekenntnis mit dem 
Zeichenstift nieder. 
Schon diese Graphiken zeigen sehr deutlich den 
von Makabrem gekennzeichneten Grundton im 
Schaffen dieses Künstlers. In düsterer Atmosphäre 
wandeln da aft greuliche Fabelwesen durch eine 
abstruse Welt. Stilistisch nahe an Kubin gerückt, 
übersetzt Behrens alles in die Wirklichkeit der 
Surrealisten. 
Behrens zeichnete schon 1943, also noch mitten im 
Krieg, Kapffüßler, Kobolde, allraunartige Stelzen- 
gänger, die Dutzende Menschen mit ihren Stöcken 
aufspießen, Ähnliche Ungeheuer, die natürlich ihre 
Zeitbezogenheit haben, finden wir bei Behrens im- 
mer wieder bis zum heutigen Tag. 
Es ist daher wohl nicht zu verwundern, daß dieser 
Künstler in Wien, wohin er, auf Grund einer 
schweren Kriegsverletzung, 1944 entlassen wurde 
I Walter 
23 x 33 cm 
Behrens, Zirkus, 1947. Kreide und Bleistift, 
und wo er seine Frau kennengelernt hatte, bald 
nach Kriegsende entsprechenden künstlerischen An- 
schluß fand. Im Wiener Art Club traf er Gleich- 
gesinnte. Es waren die Jahre, in denen die heute 
bekannten Meister der Wiener Phantasien noch in 
ihren künstlerischen Kinderschuhen liefen. Der um 
gute zehn Jahre Ältere beeindruckte damals mit 
seinem l947 gemalten Bild „Das menschliche Sein". 
Ein krugförmiges Gefäß, dessen unterer, ausge- 
bauchter Teil durchsichtig ist, geht oben in ein 
gerippeartiges Gebilde über. Ein langer Stab, der in 
einem Sonnensymbol endet, steckt schräg in diesem 
mit dem Halsansatz endenden Körper. Links hängt 
ein Oberarmknachen weg. Rechts bilden Ober- und 
Unterarmknochen einen Henkel. An dem Stab flat- 
tert eine weiße Fahne. lm lnneren des Leibes sieht 
man Käfer krabbeln, und im flüssigen Bodensatz 
winden sich verschiedene niedere Lebewesen. Ein 
Fenster spiegelt sich in der glasigen Kugelwand. 
Ein dürftiger Schatten, von diesem etwas aus der 
Mitte gerückten Körper geworfen, fallt in einen 
ungewissen Raum. 
Hier sind echte surreale Bezüge. Mit kargen Mit- 
teln wurde möglichst viel ausgesagt. Von der Hohl- 
heit, von der Durchsichtigkeit, vom trüben Boden- 
satz, von der Verstümmelung des Körperlichen, 
von der Kapflosigkeit, von der schwachen Wirkung 
des menschlichen Seins wird mit diesen wenigen 
Gegenständen gesprochen. Einsam steht dieses Ge- 
fäß tder Krug ist schon ein archetypisches Leib- 
symbol!) in einem Raum, von dem man nichts 
Sicheres weiß. Die Fahne der Hoffnungslosigkeit 
und Ergebung ist gehißt. 
Es ist sonderbar, daß Behrens Graphik in dieser 
Zeit oft von ienen beängstigenden makabren For- 
men abläßt und ähnlich wie Dufy mit wenigen 
Strichen die Situation festzuhalten bestrebt ist. Ein 
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