Buchbesprechungen
leitrige zur Metivkundo des 19. Jahrhun-
derts. Studien zur Kunlt des neunzehnten
Jahrhunderts, Bd. f, Forschungsunterne
man der Fritz-Thyuen-Stittung, Arbeitskreis
Kunstgesdlicflte, Pru Verlag Mündlen
1'170. 167 Selten mit 311 Abbildungen.
Der vorliegende, lang erwartete Band um-
faBt neben der Einführung von J. A.
Sdimoll gen. Eisenvverth „Zur methodischen
Abgrenzung der Molivkunde" sechs Beiträge
versdliedener Verfasser zu besonders be-
zeichnenden Motiven in der Malerei des
neunzehnten Jahrhunderts sowie über die
Mativkunde in der Literaturwissenschaft.
Diese Beiträge sind von J. A. Schmoll gen.
Eisenwerth „Fensterbilder. Motivkelten in
der europäischen Malerei", von Gert Schiff
„Zeitkritik und Zeitflucht in der Malerei der
Präraffaeliten", von Hans Ost „Einsiedler
und Mönche in der deutschen Malerei des
1B. Jahrhunderts", van Eduard Hüttinger
„Der Schiffbruch. Deutungen eines Bild-
molivs im 19. Jahrhundert", von Hans A.
Lüthy „Zur lkanographie der Skizzenbücher
von Gericaull" und von Elisabeth Frenzel
„Stand der Stoff-, Motiv- und Symbolfor-
schung in der Literaturwissenschaft."
Die Abhandlung von Elisabeth Frenzel wurde
in diese Sammlung kunsthistorisdler Auf-
sätze einbezogen, weil in ihr der in der
Literaturwissenschaft schon fest verankerte
Begriff „Mofiv" untersucht und gegen die
Begriffe „Stoff" und „Symbol" abgegrenzt
wird. Danach ist das Motiv "das kleinste
Element der Erzählung, das die Kraft be-
sitze, sich in der Überlieferung zu hallen"
(S. 256). Ahnlid1 wird der Begriff ia auch in
der Musikwissenschaft gebraucht, von der
im vorliegenden Band indes nidlt die Rede
ist. Dabei ist das Motiv von der Musik-
wissenschaft her vermutlich weit geläufiger,
man denke nur an die Opern von Richard
Wagner, die io zu den klassischen Motiv-
kompasitionen des 19. Jahrhunderts zählen.
In diesen" Opern hat das Motiv auch
symballmfte Züge, und zwar in einer von
Elisabeth Frenzel aus der Sicht der Literatur-
wissensdiaft beschriebenen Farm, wonach
nämlich ein Symbol in einem Kunstwerk
zweisdtichlig sein muß: in der einen Sdlicht
muB es konkret handlungsbezogen dem
Ablauf der Handlung dienen (und in einem
oberflächlidlen Sinn zum Verständnis des
Handlungsgesdlehens beitragen) und in der
anderen kann es transzendentale Bedeutung
haben. - Der „5toff" schließlidl stellt in
der Literaturwissenschaft schon einen in
gewissen Grenzen festgelegten Handlungs-
ablauf dar.
Die Übernahme des Begriffes „Motiv" in
die Kunstwissenschaft wird erleichtert durch
den bildhaften Charakter des Motivs, dem
daneben aber audt eine "seelisch-geistige
Spannung" (S. 256) eigen ist. Das Motiv
setzt sich also zusammen aus einer bild-
konstituierenden Eigenschaft - z. B. die
Darstellung des Schiffbruches - mit einer
semantischen - hier etwa die Lebensreise. Zu
den Aufgaben der Motivkunde gehört nun,
diese Eigenschaften gegeneinander abzu-
grenzen und ihre Dimensionen im einzelnen
Kunstwerk wie auch in einer Reihe gleich-
artiger Motivdarstellungerl zu erkennen. Dies
erfordert eine quantitative Kenntnis der
Kunstproduktian des vorigen Jahrhunderts,
denn erst aus einer statistisdlen Aufarbei-
tung verschiedener Erscheinungsformen von
Motiven und ihrer Häufigkeit lassen sich
Schlüsse auf die Bedeutung von Motiven
und Motivketlen ziehen. So kann die Motiv-
kunde zur lkonologie des 19. Jahrhunderts
werden, denn, so Eduard Hüttinger in
seinem Beitrag: „an der Grenzsdieide von
1800 verharrt die lkonologie fast regelmäßig
in der Fiktion, ihre Methode eigne sich
bloß für eine ,geschlossene Kulturwell' . . ."
und sie vermag endlich die so unergiebigen
Stil- und Epodtenunterteilungen innerhalb
des besprochenen Jahrhunderts zu über-
winden. Der Beitrag von Schmoll zeigt in
seiner außergewöhnlidl umfangreichen Mo-
terialoufbereitung alle Möglichkeiten dieser
56
neuen Hilfsdisziplin der Kunstwissenschaft
besonders deutlich. In neun Kapiteln be-
trachtet er das Motiv „Fenster" van immer
neuen Standpunkten, auch von wechsetnden
Themen aus: das Fenster van innen und
außen, ohne und mit Figuren in Einzel- und
Gruppenbildnissen und versdwiedenen Stel-
lungen. Und iedesmal wird der Bogen
von frühen Erscheinungsformen im 15. Jahr-
hundert [frühere Beispiele sind Ausnahmen]
und der holländischen Malerei des 17. Jahr-
hunderts hinüber in unser Jahrhundert zu
Sdlrimpf, Schlemmer, Dali u. a. gespannt.
Es wird also immer das Motiv im Zusammen-
hang mit der europäischen Malerei vom 15.
bis zum 20. Jahrhundert gesehen. Schmoll
deckt dabei auf, wie sich das Motiv
„Fenster" seit Albertis Traktat über die
Malerei, in weldlem das Bild mit einem
Fenster, in dem die darstellbare Welt
ausschnitthaft sichtbar wird, verglichen ist,
sich wandelt in das Fenster, das gleichnis-
haft die Grenzen des Erkennens, die Scheide-
wand zwischen irdischer Existenz und Trans-
zendenz, bewußt madlen will. Die Sdlwer-
punkte dieser Entwicklung liegen in der
Fansterschau nach 1780, in der symbolhaften
Isolierung des Fensters in romantischen
Gemälden und in den Fensterausblicken in
der romantischen Dichtung bei E. T. A.
Hoffmann, Hauff, Eichendorff und später
Baudelaire, Mallarme, Rilke.
Vergleichbar umfassend ist Hüttingers Be-
trachtung zum „SchiffbrudW, der ebenfalls
im Zusammenhang mit der europäischen
Malerei aus sieben Jahrhunderten gesehen
wird, wobei er auch den Trivialdarstellungen
zu diesem Gegenstand nachging.
Die Beiträge von Gerf Schiff und Hans Ost
behandeln von sehr versdliedenen Aspekten
aus eine dem 19. Jahrhundert eigentümliche
Weltfludlt, wobei sidw aber beide im wesent-
lichen auf das Material des 19. Jahrhunderts
beschränken. Schiff deckt dabei soziologische
Phänomene in der Malerei des viktoriani-
schen England auf, die durch das Ausein-
anderfallen von Symbol und Symbolisier-
tem vielfach unverständlich ist. Eine eigene
Untersuchtung wert wäre die Frage, ob
diese Verselbstündigung des Symbols ge-
genüber dem Hintergrund der Handlung
(vgl. Frenzel) nicht eine in der diristlichen
Kunst des vorigen Jahrhunderts weit ver-
breitete Erscheinung ist, ausgelöst durch
eine Entfremdung von den Inhalten christli-
cher Lehrsätze, was, auf die Kunst über-
tragen, eine Entfremdung von den Inhalten
christlicher lkonographie zur Folge hatte.
In diesem Sinn deutet Ost das Einsiedler-
mativ in der Malerei des vorigen Jahr-
hunderts.
Obwohl ieder Beitrag in sich gesdtlossen
ist, durchziehen die Aufsätze doch gemein-
same Fäden, und zwar zusätzlich zu dem
gewählten Thema „Molivkunde". Es sind
dies die Bindungen an die vorbarocke und
barocke Bildwelt und die Bedeutung des
19. Jahrhunderts als Quelle für die „auf
einen objektiven Sinn verzichtende Ästheti-
sierung und Abstraktion" (Ost, S. 209) der
Kunst des 20. Jahrhunderts. In der Erhellung
solcher Zusammenhänge zeigt sich der vor-
liegende Band als einer der bedeutendsten
Beiträge dieser Studienreihe.
Hans-Christoph Hoffmann
August Wilhelm DreBler, Eine Monagrafie
mit e er Ei aitung von Hans Ki lul.
ßilPsdu Verlagsbudihandlung Miindlen,
W70, H Seiten.
Das Buch bringt mit 32 Abbildungen, davon
sieben in Farben, Beispiele aus einer Zeit-
spanne, die van 1923 bis 1966 reicht. Somit
wird ein guter Überblick über den Werde-
gang dieses Malers und Graphikers gege-
ben. Würden wir seine Arbeiten der zwan-
ziger und frühen dreißiger Jahre in die
Nähe von Georg Groß und Otto Dix
stellen, so zeigen seine letzten Werke, alsa
jene nach 1950, einen starken Zug zur
Hintergründigkeit. Man kann sie durdlaus
dem „Magischen Realismus" zuordnen. Das
zeigt sehr deutlich die Abbildung des Ol-
bildes „Am Strand" aus dem Jahre 1954
und womöglich noch prägnanter ienes rnit
dem Titel „Ehepaar", das 1964 entstanden
ist. Dabei wird aber ieda Anlehnung an
die Malweise bekannter Vertreter dieser
Richtung vermieden.
Schon in der Einleitung von Hans Kinkel
wird auf die Beziehung des frühen Dreßler
zu den Größen des Expressionismus hinge-
wiesen. Max Liebermann, den Dreßler auch
gemalt hat, förderte den tungsn Künstler.
Hier wird audl Szittya, der Freund Cacteaus,
mit „er hat schon vor George Groß und
Dix die Malerei des Kleinbürgertums ge-
schaffen", im Hinblick auf Dreßler zitiert.
lst es aber wirklich nur die Malerei des
Kleinbürgertums, müssen wir fragen? Ist es
nicht vielmehr die Malerei, die das Klein-
biirgertum aufzeigt, in seiner Dürftigkeit
und Verlorenheif, etwa wie Dasloiewski
es festhält? Und ein Stüdr weiter in der
Einleitung wird Franz Roh genannt, der
diesen Maler als einen „geheimen Gegen-
füßler von Dix" bezeichnet, „dem er von
außen so verwandt erscheint." Im Grunde
ist August Wilhelm Dreßler aber im-
mer seiner eigenen Arbeitsweise treu ge-
blieben, was Kinkel in dem Begleitworl
auch herausschält. Schade, daß von ienen
hier erwähnten Aauatintaradierungen der
letzten Jahre, die bei der Kritik so viel
Aufsehen erregten, keine Beispiele gebracht
wurden. Lebensdaten, eine Biographie, eng-
lische und französisdle Texte ergänzen den
schönen und sorgfältig ausgestatteten Band.
Alais Vogel
Ein Kunstliihrer iiber das Zisterziensentift
starns (u. Auflage], Verlag Schnell a. Stei-
ner, München.
Der Kleine Kvnstführer durch das Zister-
zienserslift Stams in Tirol ist vor kurzem
in der achten Auflage erschienen. Alliöhr-
lich wird Slams von vielen Kunslfreunden,
Touristen und anderen Freunden der schönen
österreichischen Stifte besucht. Stams war
zu allen Zeiten eine Stätte, in der christ-
liche Kunst und Wissenschaft gepflegt wur-
den; obwohl es in Kriegen und Notzeiten
wiederholt höchste Opfer bringen mußte,
erhob es sidl immer wieder zu neuer
Blüte. Die prächtige Kirche, an der vor
allem namhafte Künstler des Tiroler Barocks
gewirkt haben, ist ein Kleinod des Ober-
inntals.
Den Text des Kleinen Kirchenführers ver-
faßlen Patres der Abtei Stams; er berichtet
über die 7DlJiährige Geschichte von Stams,
die BaugesrJlichte, nennt die mitwirkenden
Künstler, berichtet über Umbauten und
Wiederherstellungen, führt durch den Raum
zu den einzelnen Kunstschälzen und läßt
audl Kirchen und Kapellen der Umgebung
nicht unerwähnt. 17 Fotos zeigen Kloster
und Kirche in der Landschaft, den prunk-
vollen Kirchenraum, die Heilig-Blul-Kapelle
und eine Reihe der schönsten Kunstschötze
im Detail.
Der Kleine Kllnstführer von Stift Stams
trägt die Nummer 289 im großen Sammel-
werk der Kleinen Kunst- und Kirchenführer
des Verlags Schnell Er Steiner, München,
das bereits ca. 950 Titel umfoßt und die
schönsten Kirchen und Schlösser, Museen
und andere Kunstschätze Mitteleurapos be-
handelt.
Trude AldrianlWalter Kasdlatzliy. Peter lli-
dlard Oberhuber. Bildband mit 17 Zeichnun-
gen und Aquarellen, 32 sdlvrarzwoißen und
17 farbigen Abbildungen, einer Falttalel
und Werlrverzeiclmis; llll Seiten, Format
2:124 cm, leinen. Verlag Styria, Graz 11111.
Für den am 3.Februar 1906 in Zeltweg in der
Obersteiermark geborenen Maler Peter Ri-
chard Oberhuber wurde anlitißlich seines
65. Geburtstages nicht nur eine umfassende
Ausstellung im Grazer Künstlerhaus ge-
zeigt, sondern auch eine ausgezeichnete
Monographie im Verlag Slyria herausge-
bracht. Dieses mit 32 sdlwarzweißen und
17 farbigen, ganzseitigen Abbildul
vorragend ausgestattete Buch ist n
von Trllde Aldrian und Wa-lter K
versehen, die über das Leben unc
stungen Oberhubers berichten. E
und Ausstellungsverzeichnis gibt
Auskunft, doß Oberhuber zu alll
ein ungemein aktiver und v
Künstler gewesen ist und doß er
zuletzt eine ungebrochene Scha
erhalten konnte. Dieser Künstler
Wien noch bei Josef Hofmonn
konnte und der auf zahlreichen 11
Welt kennenlernte, ist seinem W
auch seinem Temperament nach st
Heimat verbunden geblieben. Mit
Konsequenz ging er seinen küns
Weg und verstand es, mit dem
den auch seine künstlerische und m
Substanz so anzureichern und zu
daß er wohl als einer der konset
Vertreter einer auf den Mensch:
ridtteten und für den Menschen d
Kunst gelten kann. Wilhel
Eingelangte Bücher:
CARL ERNST KUHNE, GLANZ o!
LANDES, 235 Seiten mit 31 me
Abbildungen sowie 19 Zeichnu
Skizzen im Text und 24 illustrierte
blätter. Verlag Karl Thiemig KG,
19711, Leinen, DM 112.-.
0110 n. LUTTEROTTI, HANS P
LEBEN um: WERK ocs 11120
HAUERS, 12117-1979, 12a Seite
Abbildungen im Textteil, vier l
und 90 Sdtwarzweißfotos. Ver
Tyrolia, Innsbruck, 1971, Leinen,
DM 4a.-.