befindet sich seit Ende des 16. Jahrhunderts im
Besitze der Reidisgrafen, später Fürsten Paar, wel-
dien Kaiser Rudolf II. die Würde der Erbland-
Postmeister verliehen hatte. Im rüd-twärtigen Trakte
liegen noch heute die ausgedehnten Stallungen,
weld-ie den Zwecken der hier bestandenen ältesten
Wiener Postanstalt dienten. Ihre mäditigen, ge-
wölbten Derken sind mit prachtvollen Studtdekora-
tionen gesdnnüdtt. Die Fassade weist zwölf Fen-
ster auf, deren unregelmäßige Verteilung das höhere
Alter des Hauses erkennen läßt. Das reditsseitige
Portal ist ausgezeid1net durch ein herrlidies hölzer-
nes Haustor. Sehr bedeutend sind im Inneren die
Prachttreppe und die gegen die Wollzeile geriditeten
Festräume, deren glänzende Ausstattung dem Hof-
baumeister Carlo Cannevale zugeschrieben wird.
BILDER AUS DEM ÜSTERREICI-IISCHEN
HOF- UND GESELLSCI-IAFTSLEBEN,
von Victor von Fritsdie, Wien, 1914, S. 308-309
„Das Palais des Fürsten Paar in der Wollzeile steht
an der Stelle des ehemaligen Jakoberklosters, es ist
mit seinen imposanten Portalen, den zarten Balkon-
gittern, den französisdnen, bis auf den Boden rei-
dienden Fenstern des ersten Stoiwerkes und dem
breiten Stiegenaufgang ein Denkmal der Baukunst
des 17. Jahrhunderts.
Die Paar sind ein italienisd-ies, aus Bergamasco
stammendes altes Gesdilecht, das schon unter Kaiser
Barbarossa rittermäßig war. Der Name Paar kommt
von einer Besitzung ,Parre', die von Kaiser Fried-
ridi I. 1170 der Familie verliehen wurde. Sie er-
hielten 1520 das Erboberpostmeisteramt, 1636 den
Reidisgrafen- und 1769 den Reidisfürstenstand in
der Primogenitur.
Der erste Fürst Wenzel begleitete im Mai 1770 als
Reidishofpostmeister die nadimalige unglüdtliehe
Königin Marie Antoinette auf der Brautfahrt nadi
Frankreich. Gräfin Maria Josepha Paar, geborene
Gräfin Oettingen-Spielberg, wurde 1754, nach dem
Tode der Gräfin Fuohs, Obersthofmeisterin der Kai-
serin Maria Theresia. Fürst Johann Karl, geboren
1772, war Generalmajor, sein Bruder Graf Johann
Baptist, geboren 1780, Oberst, und beide erhielten
für ihre besondere Tapferkeit vor dem Feinde den
Militär-Maria-'I'heresien-Orden.
Die großen, sehr reidi ausgestatteten Appartements
des Palais in der Wollzeile waren durch viele Jahre
die Wohnung der verschiedenen russischen Bot-
sdiafter; Fonton Oubril, Novikoff und Fürst
Lobanoff haben da ihre glänzenden Feste gegeben.
WIEN, SEINE HÄUSER, MENSCHEN UND
KULTUR
4. Bd., III. Teil, Paul Harrer-Lucienfeld, 1945,
S. 559-564. (Masdiinegesdiriebenes Manuskript in
der Wiener Stadtbibliothek.)
„Im Laufe des 17. Jahrhunderts, frühestens jedodi
erst nadi 1618, kamen die beiden zweistöckigen
Häuser in den Besitz der Reidisgrafen von Paar
und nicht sdion gegen Ende des 16. Jahrhunderts,
zu weldier Zeit nach Messner der Paarsdie Palast
das erstemal erwähnt wurde. Audi Kortz, Martin
u. a. verlegen die Erbauung des Hauses in das aus-
gehende 16. Jahrhundert, doch ist es zweifellos, daß
der Abbrudi der beiden vorerwähnten I-Iäuser erst
nadi ihrem Ankaufe durd-i den Grafen Paar er-
folgte, der dann auf ihrem Grunde seinen Palast
erbauen ließ. Audi Kisch muß idi beriditigen, nadi
dem der weiträumige, fast 2000 qm umspannende
Palast auf der einstigen Stätte des Jakoberklosters
errichtet wurde. Dieses Kloster, das erst nadi seiner
Aufhebung im Jahre 1783 abgebrochen worden
war, bestand also nodi zur Zeit der Erbauung des
Paarsdien Palastes, der an den damals bereits
längst aufgelassenen St. Jakober Freithof grenzte,
wenn audi die dortige Gegend nodi weiterhin als
,St. Jakobsfreithof' bezeidinet wurde, in dessen
Zug die heutige Zedlitzgasse verläuft. Der Erbauer
des Palais dürfte wohl in der Person des Freiherrn
14
Räumlichkeiten zu sdiaffen, die er für die Unter-
bringung der Kanzleien und Stallungen benötigte
und die den Zwedten der von ihm gegründeten
ältesten Postanstalt dienen sollten. Die Erbauung
des Hauses kann daher mit ziemlicher Sicherheit
gegen oder um 1630 angesetzt werden.
I-Iiezu mag bemerkt werden, daß die Stadt Wien
schon im Mittelalter ein Botenwesen ausgebildet
hatte '. So bestand um 1360 im Rathaus eine eigene
Botenstube. Obwohl das Postwesen in Österreidi
unter Maximilian I. und Ferdinand I. wesentlidi
gehoben wurde, besaß es doch nur für die Hof-
und Staatszwedte Bedeutung, so daß sich die Kauf-
leute audi damals nodi des Privatpostwesens be-
dienten, gegen weldies die Regierung dann im
Laufe des 17. Jahrhunderts wegen seiner schädigen-
den Konkurrenz energisch Stellung nahm. 1722
vcrstaatlichte Karl VI. die Post in den deutsd-ien
und böhmischen Erbländern, wodurch eine Reihe
von Mißständen beseitigt wurde. Das Postregal des
Grafen Paar wurde abgelöst und besonders in Wien
die Postpaket- und Briefbestellung besser organi-
siertß. Der Betrieb erfolgte fürderhin auf Redi-
nung des Ärars, wurde aber dessenungead-itet bis
1783 von der Paarsdien Verwaltung weitergeführt.
Nadi einer Aufstellung vom Jahre 1772 hatte das
Obersthofpostamt-Personal damals bereits einen
Stand von einem Verwalter, einem Adjunkten,
einem Buchhalter, zwölf Postamtsoffizieren, zwölf
Akzessisten, drei Briefträgern, fünf Adjunkten, zwei
Supernumerariis, einem Vorstadtbriefträger und
zwei Amtsdienern4.
Ferner waren damit verbunden die Hofamtshaupt-
kasse, die Kommissionskanzlei und die Hofpost-
Budihaltuiig.
Das Wiener Postamt, dessen Postpersonal sidi in
den folgenden Jahrzehnten allmählidi vermehrte,
blieb aber audi nodi nadi 1783 bis zu seiner um
die letzte Jahrhundertwende erfolgten Übersiedlung
in das Hauptpostgebäude am Fleischmarkt in den
alten Räumen des Paarsdien Palastes.
Der Palast, der 1938 einer schon lange vorher viel
umkämpften, aber doch sdiließlidi notwendig ge-
wordener Verkehrsregulierung der Wollzeile zum
Opfer fiel, galt als eines der sdiönsten und be-
deutendsten Denkmäler des Frühbarodrs, wenn audi
der Bau selbst während seines Bestehens mehr-
fachen Umgestaltungen unterlag. Die aus dem 18.
Jahrhundert stammende Fassade zeigte zwölf Feri-
ster mit unregelmäßiger Verteilung; sie zerfiel in
Tief- und Hodiparterre, ein Hauptgesdioß und ein
durdi niedrige Fenster beleuchtetes Dienergesdioß.
Die dem Erdgeschoß eingefügten beiden Portale
zeigten ein rundbogig gesdilossenes Einfahrtstor,
das beiderseits begleitet wurde von über Eck ge-
stellten hermenartigen Pilastern in der Art Hilde-
brands5. Der Ardiitrav und die Zwidtel über
den Torbogen waren mit Reliefornamenten ge-
sdimüdtt. Über dem Sdilußstein des Bogens er-
hob sidi der gekrönte Doppeladler, der als Brust-
Schild das Paarsdie Wappen, mit der Kette des
Goldenen Vlieses und der Fürstenkrone gesdimüdtt,
trug. Das reditsseitige Portal war durdi ein herr-
liches, hölzernes Haustor ausgezeidinet. In der mit
einem sdiön gezeichneten sdimiedeeisernen Gitter
gezierten Oberlichte über dem Tore wiederholte sidi
das Motiv des Doppeladlers. Sehr bedeutend waren
im Innern die Pradittreppe und die gegen die
Wollzeile geriditeten Festräume, deren glänzende
Ausstattung dem I-Iofbaumeister Carlo Cannevale
zugesdirieben wird.
Die mit köstlidien Stukkaturen gezierten Stallungen
im Hoftrakt des Palastes haben auf Wiener Boden
kaum ihresgleidien gefunden. Der Prunksaal über-
traf an Sdiöiiheit riodi Prinz Eugens berühmten
Stall im Belvedere. Der Flädieninhalt der barocken
Stukkodedre betrug ca. 72 qm (12 mal 6)'; sie
stellte eine Art Tonnengewölbe vor, an deren bei-
den Stirnseiten Jagden in perspektiver Landschaft
dargestellt waren. Die Mitte füllten herrlidie Szenen
x
rösdiensdilol? erblindeten die mächtigen Fensta
ter einer diditen Sdsmutzsdiidit, der stolze
schien unbewohnt und jedes Leben in ihm erst:
Tatsächlich hatte Fürst Paar bald nach 191
praditvollen Vertäfelungen der Repräsenta
räume auf eines seiner Landsdilösser über!
lassen, weil für die Säle, trotzdem sie unter ]
malsdiutz standen und für Wohnzwecl-te nii
Betracht kamen, eine hohe Wohnbausteuer i
sdirieben worden war, solange sie nidit im
des Gesetzes ,unbewohnbar' gemacht wui
Die Anwendung dieser ebenso merkwürdige:
sinnwidrigen Verfügung auf den Palast 1JESd1l(
ten dessen Auflösung. Aber nodi dauerte r
raume Zeit bis zum gänzlichen Abbrudi, de
nadi harten Kämpfen der daran interessierten
len im Jänner 1938 in Angriff genommen vi
Die Gesamtkosten des Umbaues des Palais
und des anstoßenden Hauses Wollzeile N
wurden mit 3,700.000 Sdiilling veranschlagt, '
der Assanierungsfonds 1,400.000 Sdiillinge l:
stelltes.
Und wie einst die Postkutsdien der Paarsdien
landpostmeisterei nadi allen Windrichtungen hi
gefahren sind, so zerflatterte jetzt das Palai
Fürsten selbst - wenigstens soweit es sid
Prunkstüdtc des alten Baues handelt - in
Welt. 18.000 Stüdt Dachziegel wurden für
Dach der Grinzinger Kirdie bestimmt, da sic
handgeformten Wiener Barodtziegel als ausge
netes Material erwiesen und trotz ihres respekt
Alters ihre modernen Kollegen nodi um einig
Güte sdilugen '.
Die präd1tigen Stiegengeländer, Meisterstüdti
Sdimiedekunst, hatte sich Fürst Paar beim Ve
des Palais vorbehalten. Tore und Geländer ft
den Vertäfelungen, die bereits 1930 in den
sälen abgehoben und auf den Paarsdien Besi
Böhmen abtransportiert worden waren. Mit gx
Vorsicht wurde unter Anwendung von Hebebä
die uralte kleine Madonna, die aus dem 1783
gehobenen Jakobskloster stammte, aus ihrer I"
gehoben und unversehrt geborgen. Audi der Wa
adler des rechten Eingangstores erreidite in
schädigtem Zustand den Boden, dann aber kni
seine weitausladenden Sdiwingen ab. Der z
Adler, kostbarste Steinmetzarbeit wie die
wurde infolgedessen mit peinlidister Sorgfalt
fangen und kam so glüdtlich zur Erde. Wohi
an der Front der Zedlitzgasse befindlidi gewe
Figurengruppen kamen, die gleidifalls sorg
abgehoben worden waren und an der Fassad
Neubaues Aufstellung hätten finden sollen, ki
idi nidit feststellen. Die einzigartigen Relief
fürstlidien Marstall, u. a. eine Sauhatz,
Orpheus, der durd-i den Klang seiner Leier die
den Tiere bändigt, und ein Liebespaar, w:
sadigemäß abgehoben und den städtischen Samt
gen einverleibt w.
Der letzte Besitzer des 1938 abgebrodienen 1
war Fürst Alfons Paar.
FUSSNOTEN von HA man pp. ss9-s64
,WOLLZEILE NR. so ( LT. DR. imy _
IP.............. zzs, zu (n.i..i...a E. P............., w...
J.i..i......i... ... ].i..i.....a..., 1927).
in. w. IV, 571 (Ganze... a.. Stadt w... 1.......
vom Ai..........v...;.. zu Wien).
t r............ m.
i man..." vom o. 12. 1936.
I im... n. 189 (Paul Kortz, wi... am Anfang 4.. 20.
i......i...., 1906).
' Reidisposr vom 17.1. 1938.
1 N. r.. im... vom s. 7. m7.
' man..." vom 27. i. was.
i Rcidispoxr vom H. i. ms.
1' Reidispost vom is. 1. ms.