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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVI (1971 / Heft 117)

 
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in diesem elliptisdien Saal die Säulen frei vor 
der Wand, ähnlich wie in den Festsälen der 
ersten und zweiten Entwurfsphase. Im ausge- 
führten Zustand (zweite Entwurfsphase) wurde 
die Idee eines elliptischen Raumes fallenge- 
lassen (Abb. 6) und der Kuppelsaal bekam die 
heutige kreisrunde, durch Nischen erweiterte 
Form. Auch der Gartenrisalit wurde geändert, 
anstatt adit wurden nur mehr sechs Säulen vor 
die Fassade gestellt. Der Gartentrakt erhielt 
im Planstadium von 1806 eine aufwendige Ge- 
stalt, die jedoch in der Silvesternacht von 1814 
dem großen Brand zum Opfer gefallen ist. Das 
Hauptpalais wurde - gegen die Behauptungen 
der späteren literarischen Nachrichten - von 
dieser Katastrophe nur geringfügig betroffen 9. 
Die Entwurfsphase von 1806 zeigt also das 
Hauptgebäude in der Form wie es heute noch 
vor uns steht. Der Gartenrrakt wurde nach 
den Plänen von J. Meissl stark vereinfadit 
wiederaufgebaut, so daß wir auf seine Analyse 
verzichten können. 
Das von Louis Montoyer geschaffene Bauwerk 
- das sogenannte Hauptpalais - weist eine 
in einem rechtedtigen Baublodr zusammenge- 
faßte, übersichtliche Raumfolge auf, die in der 
Mittelachse von Vestibül, Kuppelsaal und Fest- 
saal beherrsd1t wird. Die anderen repräsenta- 
tiven Räume befinden sich beiderseits vom 
Festsaal entlang der Gartenseite. 
Die Grundrißform hat Montoyer, bestimmt 
durch die französische Baukunst der zweiten 
Hälfte des 18. Jahrhunderts, nach Wien mitge- 
bracht. Seine Konzeption diirften pavillonartige 
Palaisbauten - sogenannte „maisons de plai- 
sance" - in Paris, Nordfrankreich, bzw. in 
den Siidniederlanden geprägt haben, wo sich 
dieselbe Raumkombination: Vestibül-Salon- 
Galerie oft wiederfindet. Zahlreiche solche 
Grundrisse, in denen dieses ardiitektonische 
Hauptthema verschiedenartig variiert wird, 
sind im Musterbuch des belgischen Architekten 
Neufforge aus den Jahren 1757-1776 publi- 
ziert 1". Zwei Haupttypen kann man bei diesen 
Grundrißdispositionen unterscheiden: kleinere 
Anlagen haben in der Mittelachse nur Vestibül 
und Salon, wobei dieser letztere elliptisch oder 
kreisförmig sein kann; bei größeren Anlagen 
wird eine gewisse zentralisierende Tendenz ver- 
wirklicht, die Mitte des Palais wird vom quer- 
ovalen oder kreisförmigen „Sallon ä l'Ita- 
lienne"" besetzt, und an der Gartenseite be- 
findet sich der meistens rechteckige Raum der 
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Galerie. Die Variationsmöglichkeit dieses Raum- 
gefiiges war schon in der zweiten Hälfte des 
18. Jahrhunderts gegeben, so daß man über 
eine klare Entwidrlungslinie bei diesen Typen 
kaum spredien kann. Die Entwidtlung zeigt 
sich nidit so sehr in der Grundrißdisposition, 
sondern vielmehr in der Gliederung und Aus- 
stattung der einzelnen Raumteile. 
Montoyer wählte also aus einem gegebenen und 
reichen Material der pavillonartigen Palais- 
bauten in Frankreich aus. Es dürften ihm be- 
rühmte Bauwerke, wie z. B. das Sdiloß Petit 
Trianon von Gabriel (1763-1770), oder der 
Pavillon Du Barry Louveciennes von Ledoux 
(1777), vorgeschwebt haben m. Bei diesen Bau- 
ten wurde in ähnlicher Weise ein rechteckiger 
Baublock im Garten geschaffen, der eine re- 
präsentative Raumfolge von Vestibiil-Salon- 
Galerie aufweist. In der Behandlung der äuße- 
ren Fassaden dieser Pavillons hat die franzö- 
sische Baukunst im späten 18. Jahrhundert eine 
Revolution des Geschmacks durchgemacht: 
Einerseits wirkte die Antike mit ihren schweren 
Tempelfassaden vorbildhaft, anderseits wurde 
eine puritanische Vereinfachung des äußeren 
Bildes das künstlerische Hauptziel für die Ar- 
chitekten, die die Baukunst grundsätzlich er- 
neuern wolltenw. Die theoretische Vernunft 
spielte eine große Rolle. Die Ehrlichkeit, die 
innere Struktur getreu außen widerzuspiegeln, 
war ein Hauptanliegen. Diese Bestrebung be- 
stimmt audi das Palais Rasumofsky: der mädw- 
tigc Baublod-r weist an den Fassaden eine mo- 
noton durchlaufende, trockene Gliederung auf 
(Abb. 1), die durchaus theoretisch wirkt, und 
schließlich mit einem übertriebenen Struktura- 
lismus die gesunde Proportionierung der ein- 
zelnen Bauteile in gewisser Hinsicht unter- 
drückt. Bei Montoyer führte der architektoni- 
sche Puritanismus keineswegs zur Revolutions- 
architektur! Bei der Fassadengestaltung des 
Palais Rasumofsky dürfte viel eher die von 
Guimard gesdiaffene eigentümliche Architektur 
der Place Royale in Brüssel (um 1770-1780) 
beeinflussend gewirkt haben", obwohl dort 
dieses Rastersystem der Fassaden in ganz an- 
deren Proportionen verwirklicht wurde. Viel 
gesdiickter hat Montoyer - unserer Meinung 
nach - die Hauptfassade des königlichen 
Schlosses in Lacken-Brüssel (1782-1784) ge- 
löst", wo diese Vorbilder noch unmittelbar 
wirkten. Es scheint, daß unser belgischer Archi- 
tekt im Palais Rasumofsky seine ganze Aufmerk- 
 
2 DIE ehemalige Gartenanlage des Palais Rasurr 
Wien. J. Rebell, aqiiarellierreTuschzeidiiiiing, Anfa 
3 Fürst Rasiimofsky in seinem Palais. Ludwig Sah 
Carolsfclil, Aquarell, 1835 
ANMERKUNGEN 13-17 (ANM. 9-12 QlCJTC s. 15) 
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s. 526. _ A. CGSYH, Les OKÄgÄDCS (lU ClOIHBIHO i 
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därdicologic de Bruxelles, 1926 (XXXlI), S. 112i 
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