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in diesem elliptisdien Saal die Säulen frei vor
der Wand, ähnlich wie in den Festsälen der
ersten und zweiten Entwurfsphase. Im ausge-
führten Zustand (zweite Entwurfsphase) wurde
die Idee eines elliptischen Raumes fallenge-
lassen (Abb. 6) und der Kuppelsaal bekam die
heutige kreisrunde, durch Nischen erweiterte
Form. Auch der Gartenrisalit wurde geändert,
anstatt adit wurden nur mehr sechs Säulen vor
die Fassade gestellt. Der Gartentrakt erhielt
im Planstadium von 1806 eine aufwendige Ge-
stalt, die jedoch in der Silvesternacht von 1814
dem großen Brand zum Opfer gefallen ist. Das
Hauptpalais wurde - gegen die Behauptungen
der späteren literarischen Nachrichten - von
dieser Katastrophe nur geringfügig betroffen 9.
Die Entwurfsphase von 1806 zeigt also das
Hauptgebäude in der Form wie es heute noch
vor uns steht. Der Gartenrrakt wurde nach
den Plänen von J. Meissl stark vereinfadit
wiederaufgebaut, so daß wir auf seine Analyse
verzichten können.
Das von Louis Montoyer geschaffene Bauwerk
- das sogenannte Hauptpalais - weist eine
in einem rechtedtigen Baublodr zusammenge-
faßte, übersichtliche Raumfolge auf, die in der
Mittelachse von Vestibül, Kuppelsaal und Fest-
saal beherrsd1t wird. Die anderen repräsenta-
tiven Räume befinden sich beiderseits vom
Festsaal entlang der Gartenseite.
Die Grundrißform hat Montoyer, bestimmt
durch die französische Baukunst der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts, nach Wien mitge-
bracht. Seine Konzeption diirften pavillonartige
Palaisbauten - sogenannte „maisons de plai-
sance" - in Paris, Nordfrankreich, bzw. in
den Siidniederlanden geprägt haben, wo sich
dieselbe Raumkombination: Vestibül-Salon-
Galerie oft wiederfindet. Zahlreiche solche
Grundrisse, in denen dieses ardiitektonische
Hauptthema verschiedenartig variiert wird,
sind im Musterbuch des belgischen Architekten
Neufforge aus den Jahren 1757-1776 publi-
ziert 1". Zwei Haupttypen kann man bei diesen
Grundrißdispositionen unterscheiden: kleinere
Anlagen haben in der Mittelachse nur Vestibül
und Salon, wobei dieser letztere elliptisch oder
kreisförmig sein kann; bei größeren Anlagen
wird eine gewisse zentralisierende Tendenz ver-
wirklicht, die Mitte des Palais wird vom quer-
ovalen oder kreisförmigen „Sallon ä l'Ita-
lienne"" besetzt, und an der Gartenseite be-
findet sich der meistens rechteckige Raum der
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Galerie. Die Variationsmöglichkeit dieses Raum-
gefiiges war schon in der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts gegeben, so daß man über
eine klare Entwidrlungslinie bei diesen Typen
kaum spredien kann. Die Entwidtlung zeigt
sich nidit so sehr in der Grundrißdisposition,
sondern vielmehr in der Gliederung und Aus-
stattung der einzelnen Raumteile.
Montoyer wählte also aus einem gegebenen und
reichen Material der pavillonartigen Palais-
bauten in Frankreich aus. Es dürften ihm be-
rühmte Bauwerke, wie z. B. das Sdiloß Petit
Trianon von Gabriel (1763-1770), oder der
Pavillon Du Barry Louveciennes von Ledoux
(1777), vorgeschwebt haben m. Bei diesen Bau-
ten wurde in ähnlicher Weise ein rechteckiger
Baublock im Garten geschaffen, der eine re-
präsentative Raumfolge von Vestibiil-Salon-
Galerie aufweist. In der Behandlung der äuße-
ren Fassaden dieser Pavillons hat die franzö-
sische Baukunst im späten 18. Jahrhundert eine
Revolution des Geschmacks durchgemacht:
Einerseits wirkte die Antike mit ihren schweren
Tempelfassaden vorbildhaft, anderseits wurde
eine puritanische Vereinfachung des äußeren
Bildes das künstlerische Hauptziel für die Ar-
chitekten, die die Baukunst grundsätzlich er-
neuern wolltenw. Die theoretische Vernunft
spielte eine große Rolle. Die Ehrlichkeit, die
innere Struktur getreu außen widerzuspiegeln,
war ein Hauptanliegen. Diese Bestrebung be-
stimmt audi das Palais Rasumofsky: der mädw-
tigc Baublod-r weist an den Fassaden eine mo-
noton durchlaufende, trockene Gliederung auf
(Abb. 1), die durchaus theoretisch wirkt, und
schließlich mit einem übertriebenen Struktura-
lismus die gesunde Proportionierung der ein-
zelnen Bauteile in gewisser Hinsicht unter-
drückt. Bei Montoyer führte der architektoni-
sche Puritanismus keineswegs zur Revolutions-
architektur! Bei der Fassadengestaltung des
Palais Rasumofsky dürfte viel eher die von
Guimard gesdiaffene eigentümliche Architektur
der Place Royale in Brüssel (um 1770-1780)
beeinflussend gewirkt haben", obwohl dort
dieses Rastersystem der Fassaden in ganz an-
deren Proportionen verwirklicht wurde. Viel
gesdiickter hat Montoyer - unserer Meinung
nach - die Hauptfassade des königlichen
Schlosses in Lacken-Brüssel (1782-1784) ge-
löst", wo diese Vorbilder noch unmittelbar
wirkten. Es scheint, daß unser belgischer Archi-
tekt im Palais Rasumofsky seine ganze Aufmerk-
2 DIE ehemalige Gartenanlage des Palais Rasurr
Wien. J. Rebell, aqiiarellierreTuschzeidiiiiing, Anfa
3 Fürst Rasiimofsky in seinem Palais. Ludwig Sah
Carolsfclil, Aquarell, 1835
ANMERKUNGEN 13-17 (ANM. 9-12 QlCJTC s. 15)
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s. 526. _ A. CGSYH, Les OKÄgÄDCS (lU ClOIHBIHO i
siiiiiiiiii-iiiiiig ä LBCkETI-BYUXEHES, in: Ailll. iii- i. s
därdicologic de Bruxelles, 1926 (XXXlI), S. 112i
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