weniger Aufmerksamkeit geschenkt wurde als
der Architektur des Palais Rasumofsky, die
erst jetzt durch den vorangehenden Beitrag von
G. I-Iajös (S. 15) eine Würdigung erfahren hat.
Allgemein läßt sich feststellen, daß für die mei-
sten K0mpOSitiDnen graphische Parallelen ge-
funden werden konnten, die nicht nur als hel-
fende Vergleichsbeispiele dienen, sondern in
vielen Fällen als direkte Vorlagen anzusehen
sind. Fürst Rasumofsky hatte eine umfangrei-
che Bibliothek, die siduerlidi auch Montfaucons
„Antiquitates" enthielt, ein Werk, dem offen-
sid-ntlich eine ganze Reihe von Vorlagen ent-
nommen wurde. Figuren und Figurengruppen,
welche ursprünglich aus verschiedenen Samm-
lungen stammten, wurden im Stich häufig zu-
sammengestellt und im Relief als Einheit über-
nommen. Besonders deutlidn geht dies aus den
Abb. 22 und 23 hervor.
Das Verhältnis des ausgeführten Reliefs zur
Graphik ist gekennzeichnet auf der einen Seite
durch Reduktion, die sid1 auf Hintergrund,
Figurenbestand und Details bezieht, auf der
anderen Seite durch Veränderungen, die sich in
der Reihenfolge der Figuren, deren Bewegun-
gen und im Austausch von Detailformen aus-
wirken. In seltenen Fällen werden Figuren hin-
zugefügt, während Zusätze in Form von Bo-
denvasen und -gefäßen häufiger vorkommen.
Wer auch immer für die Anlage und Ausfüh-
rung der Reliefs verantwortlich gewesen sein
mag, seine Leistung bestand nicht darin, Kom-
positionen im klassizistischen, d. h. antikisdn
inspirierten Sinn zu erfinden, sondern aus dem
Kleinformat der Vorlage ins monumentale,
großfigurige Relief zu übertragen. Die Frage,
in welchem Ausmaß das Kunstgewerbe vorbild-
lich gewesen ist und damit eine ähnlidie Rolle
wie die Graphik gespielt hat, läßt sich schwer
beantworten. Die häufigen Parallelen können
ebensogut darauf zurückzuführen sein, daß
beide, monumentales und kleinformatiges Re-
lief, auf ähnlidie graphisdie Vorlagen zurüdt-
gingen. Allerdings läßt sich die große Verbrei-
tung gerade der Wedgwood-Reliefs nicht leug-
nen, die der Graphik vielleicht nahekamen. Die
Arbeiten der englischen Manufaktur hatten ja
den Vorteil, daß sie den Figurenbestand bereits
in Relief ausführten und damit dem monumen-
talen Relief näherkommen.
Eine Stiluntersuthung kann begreiflicherweise
nicht den Umfang der vorangegangenen ikono-
graphischen Abhandlung annehmen, da noch
zuwenig stilistisch vergleichbare Werke bekannt
und publiziert sind. Der folgende kurze Ab-
sdinitt wird sidn daher darauf beschränken,
einige typische Stilmerkmale der Festsaalreliefs
herauszuarbeiten.
Die sechzehn in die Wand vertieften Rechtedt-
felder sind die Bühne für die Figuren, die in
Flada- bis Hochrelief mit einzelnen vollplasti-
sehen Details gearbeitet sind und darin eine
Parallele zu antiken Werken, wie dem Mar-
morfries der Vase Borghese", zeigen. Groß-
figurige Kompositionen füllen infolge einer re-
28
SAAPJIIJUICJA L'll! VICIC
Szenen gilt nun ein stereotypes Kompositions-
sd1ema, das aus fünf Figuren besteht, die kon-
zentrisch angeordnet sind, so daß die beiden
äußeren Figuren, bildeinwärts geriditet, die
Darstellung rahmen. Der Hintergrund ist bis
auf wenige Ausnahmen (Abb. 14) eine glatte,
neutrale Fläche. Auf der knappen Reliefbühne
werden räumlidie Akzente vermieden; das da-
durch entstehende Nebeneinander der Figuren
führt zu bildparallelen Bewegungen, die oft -
entsprediend der Komposition - ins Zentrum
gerichtet sind. Was die Wiedergabe von Körper
und Gewand betrifft, so kommen häufig
Aktfiguren oder Halbakte vor, die nur einen
Umhang oder ein umgelegtes Fell tragen. Die
Gewandfiguren sind in weite, gegürtete oder
mit Sdnulterspangen befestigte Draperien ge-
hüllt oder tragen Umhänge, deren meist ruhige
Faltenbahnen nur bei den Tanzenden (Abb. 24,
26) in bewegten Schwüngen verlaufen, nur in
einem einzigen Beispiel (Abb. 20) vielfältig
gebrochen und geknickt. Die eher gedrungen
proportionierten Körperformen sind unter der
Draperie deutlid-i ablesbar. Die Köpfe ent-
sprechen, bis auf Silens- und Kinderdarstel-
lungen, einem geschönten, jugendlichen Typus
mit kurzgelodtter Frisur. Auch der bärtige
Silenskopf wiederholt sich immer wieder.
Die Wiedergabe von Attributen und Geräten
ist vereinheitlichend und detailarm: bauchige,
oft plumpe, nur wenig gegliederte Gefäße rnit
glatter Oberfläche, Altäre in einfadier
Silhouette, Früdite und Laubwerk aus klein-
teiligen Formen zusammengesetzt. Nur mandi-
mal kompliziert sich der Duktus eines flattern-
den Bandes. Viele dieser Kriterien wiederholen
sich in der noch zu untersuchenden Dekoration
des Zeremoniensaales der Wiener Hofburg, der
ja auch hinsichtlich der Architektur immer im
Zusammenhang mit dem Festsaal im Palais
Rasumofsky genannt wird.
v us rage mugewicsett.
Zwei grundsätzliche Fragen, die sich noch auf-
drängen, sind die der Datierung und der Zu-
schreibung an einen bestimmten Künstler. Wir
besitzen keinerlei Dokumente oder Unterlagen
über die Ausstattung des Festsaales. Im Zuge
des Baues ab 1806 ist auch der Festsaal de-
koriert worden, so daß das ursprüngliche Kon-
zept sicher aus dieser Zeit stammt. Hinsichtlich
der Ausführung - oder Wiederausführung -
dieses Konzeptes bestehen jedoch Unklarhei-
ten, die mit dem Brand des Palais im Jahre 1814
zusammenhängen. An der Zerstörung des Fest-
saals und damit der angeblid-i in Marmor aus-
geführten Reliefs" wurde und wird vielfach
noch beharrlida festgehalten, obwohl wir (s.
Beitrag G. Hajos, S. 15) keinerlei Beweise
dafür haben. Die primären Quellen zu diesem
Gesdiehen (etwa der Polizeibericht) erwähnen
den Festsaal nicht, die sekundären bestehen aus
literarischen Berichten und Informationen, die
das dramatische Schauspiel poetisch beschreiben,
aber wenig über die betroffenen Räumlichkei-
ten aussagen. Die spätere Auslegung dieser
...., m..." aus m. um... uuynnansyul uuv
heute als nahezu gesichert hingestellt".
Die Bedeutung .der Festsaaldekoration in
men der Wiener Kunst ist mangels erh
monumentaler Werke sdiwer festzustelle
den Zeremoniensaal Montoyers in der H
wurde bereits verwiesen. Parallelen in di
ordnung vertiefter Felder, in denen
Flach- bis Hod-irelief gearbeiteten Figurei
ren, in der Reliefbehandlung, in der V4
dung antikisierender Gewänder bestehen
fellos. Aber noch fehlt die Auflösung der
graphischen Fragen, die die Grundlage w
Untersuchungen wäre.
Dem Wiener Kunstgewerbe war das v:
dete Figurenvokabular jedenfalls nicht
Die beiden erwähnten Porzellanvasei
bacchischen Reliefs tragen den Jahress
807 (z 1807), dasselbe Jahr, in dem sicl
Teil des Baues abgeschlossen war. Vo:
ginn des 19. Jahrhunderts stammen auc
belbesdiläge, die ähnlidme Figuren auf
(Abb. 25), und zahlreiche Reliefs bleib
ins 20. Jahrhundert in den „hartausgeschv
ten massiven Galvanobeschlägen" Gastersi
dem Wiener Kunstgewerbe verhaftet.
Enge Parallelen zum englischen Kunstgi
sind durch die Beziehung der Wiener Por:
manufaktur zur Manufaktur Wedgwot
geben. In Jasper-Ware ist der Borghese
der Fries mit den tanzenden Horen un
„Bacchanalian boys" bekannt. Wachsn
Wiener Porzellanbossierer existieren sowo
Borghese-Figuren als auch von Tanzende
kürzlich aufgefundene Modelle lassen veri
daß es sich bei dem sogenannten „Wedg
Zimmer" der Albertina, Wien (s. Abb. 15
Wiener Porzellan in der Art der Wedg
schen Jasper-Ware handeln könnte. A1
Parallelen zur westlichen Kunst zeige
Grisaillemalereien des Palais Rasumofsky
che in einem späteren Beitrag gesondert I
delt werden sollen.
ANMERKUNGEN 18-23
" Monlfnucon, S. 259.
1' 5. Anm. s.
" Margarete Gitardi, Das Palais Rasumofsky, Wien is
H Girzrdi, s. 39.
ß Erwin Humanst, z... dekorativen Plastik des Palai
mnfsky in Wien, in: Usterreidzisdie Zeitschrift für D
pflege, IV. Jg. 1950, Heft 5-5, S. 95-100. - Ma
Podt-Kalous, Wiener Plastik im 19. Jahrhundert,
schichte der bildenden Kunst in Wien, Neue Reihe B:
1: Plastik in Wien, 1970, S. 1x4.
H J. Gastctslädl, Tafelhand J-Iartausgesdtwemmte miss
vanobesdilägr", Wien, o. J.