Winkel. Die verhältnismäßig sdimale, langge-
streckte Anlage, die er damit gewann, wußte
er künstlerisch in ein stimmungsvolles Ensemble
umzuwandeln. Ein bewußt langer Zugang zum
Denkmal beginnt zuerst mit einer schmalen
Allee, von welcher man das Denkmal in einer
weiten, fast entriickten Ferne sieht. Die Breite
der Allee stimmt mit den Ausmaßen des Denk-
mals überein. Darin weitet sich der Weg, und
die Mittelachse wird um Gebilde bereidiert, die
aus dem sogenannten französischen Garten ent-
lehnt sind, zuerst um ein rundes Blumenbeet,
das die Distanz zum Denkmal unterteilt und
vor allem dekorativ wirken soll. Dann folgt
ein versenktes Parterre, dessen glatter Rasen
durdi einen schmalen Pfad scharf begrenzt und
von einer Reihe von Thujen umgeben ist. An
der dem Denkmal zugewandten Seite erhöht
sich das Parterre stufenweise und wird mit
keramischen Vasen und Blumen gesdamüdtt.
Dieser Teil der Anlage, den Ohmann als den
„Vorhof" bezeichnetgi, gehört schon zum Denk-
mal selbst und hat außer seiner dekorativen
Funktion als Fortsetzung der Steinarchitektur
auch eine symbolische Bedeutung: die dunkle
Reihe von Thujen, einem beliebten Friedhof-
baum, ist eine verhaltene Anspielung auf das
tragische Schidtsal der Kaiserin. Ursprünglich
hätten diese auch auf der vorderen Seite stehen
sollen", doch wäre damit das Denkmal für den
ferner stehenden Betraditer verschlossen gewe-
sen. Ohmann hat die geplante vordere Reihe der
Thujen bei der Durchführung daher nicht ge-
pflanzt, dafür umschließen die Thujen das
Denkmal von beiden Seiten. Erst bei ihrer
Umsd-ireitung und nadi dem Betreten zweier
seitlidier Laubbogenöffnungen kommen wir in
das eigentlidie Areal des Denkmals, das durd-i
zwei von Urnen bekrönte monumentale Säulen
markiert wird. Ohmann hat diesen Ort selbst
als den „Heiligen Hain" bezeichnetu. Hier
befinden wir uns in einem Raum, der aus-
schließlich durch die Ardnitektur gebildet wird.
Die Pflanze ist nur bescheidener belebender
Zierat oder umsdiließende Kulisse. Neben dem
Stein ist hier das zweite Element, das Wasser,
wesentlich: ein Bassin mit zwei symmetrisch
angelegten kleinen Springbrunnen sd-imüdrt die
Mitte der Anlage, an beiden Seiten einander
gegenüber, der frontalen Ansicht verborgen,
befinden sich zwei kleine Wandbrunnen. Diese
sind mit Knabenhetmen, die Wasser ausgießen,
geschmückt. Endpunkt und Höhepunkt der gan-
zen Anlage ist die Statue der Kaiserin von
Bitterlidi. Hinter ihr öffnet sich im Halbkreis
eine niedrig-breite steinerne Kulisse.
Mit seiner streng gebundenen Konzeption, die
das Vegetative und das Ardiitektonische ver-
einigt, und in der Anknüpfung an die Überlie-
ferung des historischen französisdien Gartens
reiht sich Ohmann in die neuen Bestrebungen
der Gartenkunst ein, die unter dem Schlagwort
„Raumkunst im Freien"24 damals in ganz
Europa aktuell waren. Nidit vereinzelt ist auch
Ohmanns Anlehnung gerade an den Garten der
Renaissance" mit seinen etappenweise geführ-
ten „kanalisierten" Blidtpunkten, seiner Beto-
nung des Ard-iitektonischen und seiner künstle-
rischen Auswertung der Niveauunterschiede des
Terrains. Letzteres klingt bei Ohmann aller-
dings nur leise an. Die strenge Konzeption,
die glatte Oberflädie des Marrnors der Archi-
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tektur sowie einzelne "leile der Uesamtaniage,
wie z. B. die beiden ionisierenden Säulen und
das Wasserbassin mit seinen symmetrischen
Springbrunnen, lassen sogar an eine Anlehnung
an antike Vorbilder denken. Diesem Gedanken
entspridit auch die Gestaltung des sogenannten
Vorhofes, der im übertragenen Sinn an ein
Peristyl denken läßt. Wie weit es sich hier um
eine bewußte Anlehnung an die Antike handelt,
können wir schwer sagen. Das Neue bei dieser
Anknüpfung an die Tradition sind die ver-
sdileierte Symbolik und die Betonung der Ge-
fiihlswerte - beides typisdie Merkmale des
jugeridstils.
Die Statue Bitterlidis stellt die Kaiserin in
einer Pose dar, die zwar sinnend und in sich
gekehrt ist, aber doch die Öffentlichkeit im
Bewußtsein nicht ausschließt. Ein aufgeschlage-
nes Budi liegt neben ihr, dahinter ein Strauß
Rosen, unten zu beiden Seiten liegen zwei
Hunde, die fast zum Ornament geworden sind.
Kein Attribut deutet auf eine Kaiserin. Elisa-
beth ist, so wie sie es sich wohl selbst gewünscht
hätte, nur als eine schöne, hoheitsvolle Frau
dargestellt. Ohmanns klaren, fast klassizisti-
sduen Formen entspricht die kleinlidiere, un-
ruhigere Modellierung Bitterlidms nidit ganz,
sie ist ein Beweis, daß der Bildhauer noch der
älteren Auffassung anhing. Wir spüren an die-
ser Statue aber nur einen leisen Nadihall des
neobarodten Empfindens - diesen können wir
in seinen Erscheinungsformen mit dem Stil des
„Louis XVI." vergleichen. Audi ist Bitterlieh
etwas gefällig in seiner Darstellung. Bei allen
Unterschieden und auch bei dem etwas genre-
haften Zug, der mit der Gesamtanlage nicht
ganz zusammengeht, wirkt Bitterlichs Statue
aber nicht störend, sie ist eher eine Belebung
der sonst strengen symmetrischen Konzeption.
Im Vergleich zu Bitterlidis Statue ist der er-
haltene Konkurrenzentwurf von Stefan
Schwarz" viel einfacher, fast puritanisdi in
seiner Auffassung. Die qualitätvolle Statue
von Schwarz wäre gewiß auch eine gute Er-
gänzung der Ohmannsdnen Anlage geworden,
es fehlt ihr aber die stille Heiterkeit und die
dekorative Wirkung der Arbeit Bitterlidis.
Aus all dem können wir sd-iließen, daß Ohmann
sich nicht nur mit seiner Ardiitektur, sondern
gerade in der Gesamtkonzeption des Denkmals
der Kaiserin Elisabeth als Mitstreiter der Wie-
ner Secession bekannte und audi seine eigenen
Anfänge auf diesem Gebiet überwunden hat.
Das Denkmal war im hohen Historismus eine
vereinzelte, in sich ruhende Tat, die höchstens
die Architektur des Platzes berücksiditigte. Die
Rolle der Vegetation sah man nur in einer
dekorativen Belebung. Die spätere Entwidt-
lung zur mehr genrehaften, naturalistischen
Auffassung modifizierte zwar audi das Ver-
hältnis der Statue zur ihrer Umgebung, wer-
tete aber aus der Natur nur ihre „veristischen"
Möglidnkeiten aus. Erst die Secession mit ihrem
Streben nad-i dem „stilvollen" Gesamtkunst-
werk hat in ihren neuen Raumgestaltungen auch
das Vegetative zu formen versucht, nicht ohne
dabei Anleihen beim historisdmen ardiitektotii-
sehen Garten zu machen. Der Wille zur sakralen
Überhöhung des Raumes, der in der Kunst der
Secession nicht auf das Kirchlidie beschränkt ist,
hat bei der Gestaltung der Natur seine Ideal-
vorstellung in dem „weihevollen Hain" gefun-
den. ueraue CIIC nurgaoe eines ueiimiiais in
Park ist dieser Anschauung besonders entgegen
gekommen, und Ohmann hat sie in unseren
Falle glücklich anzuwenden gewußt. Er hat fii
das Denkmal der ermordeten Kaiserin eini
stille, stimmungsvolle Umgebung geschaffen, ii
der alle Einzelheiten ein abgewogenes, feii
empfundenes Ganzes bilden, das eine tiefere
symbolische Bedeutung hat. Die Arcl'iitektur de
Denkmals ist von fast kunstgewerblidier Aus
gewogenheit der Linien, besonders der orna
mentalen Teile, und von freier, dabei aber ge
bundener Gliederung im Raume. Audi hier is
das Ensemble der Hauptgedanke.
Ein Vergleich dieses Monuments mit dem erstei
öffentliduen Denkmal der Kaiserin, dem Stand
bild von Hans Gasser aus dem Jahre 1859
das im Vestibiil des alten Westbahnhofs (da
mals Elisabeth-Bahnhof) stand", zeigt dei
weiten Abstand zwischen der Darstellung eine
Kaiserin am Anfang des 20. Jahrhunderts uni
dem traditionell überlieferten offiziellen Sta
tuentypus, wie er vorher Jahrhunderte hindure
nur mit kleinen stilistischen Umwandlunge:
üblich war. Für Gasser war die repräsentativ
Existenz einer Monardiin wesentlidi und vo
allem verbindlich, Bitterlidi stellte einen Privat
menschen dar und legte das Hauptgewicht au
die Wiedergabe der Persönlidikeit. Es ist be
zeidinend, daß diese Auffassung der Kaiseri
nicht vereinzelt war. Wir können ihr audi b:
anderen Denkmälern der Kaiserin Elisabet
aus dieser Zeit begegnen". Sogar im Auftrag
des österreichisdien Hofes ist ein solches Denk
mal in Territet (Schweiz) entstanden". Di
Haltung der Kaiserin selbst, deren Lebensge
staltung in früherer Zeit undenkbar gewese
wäre, legte solche Konzeptionen nahe.
Außer seinem künstlerisdien Wert, als eine i
Wien einmalige secessionistisclie Denkmalsan
lage, ist das Monument der Kaiserin Elisabet
im Volksgarten auch ein sprediendes Sinnbil
einer neuen Zeit, die sidi anschidtte, statt de
alten traditionellen Vorstellungen eine neu
Hierarchie der Werte zu sdiaffen.
ANMERKUNGEN 21-29
H Der Ardiiisisi, ix. ]g., a. a. o. Hier ist die Bßädllllbüllg d
gsrisrii Anlage V01"! oiirrisiip selbst publillerl.
n Siehe die esiiwiirissidiisiipg VOh i'-r. Ohmlnl! iii der srspii
sdisis Sammlung Albertina, Sllhmluhg arülilektonisdier Zeit:
riiirigrii, Inv.-Nr. sizsdt Publiziert blit A. LlIOKSkY, Die Ba-
gcsdiidite der Museen iiiid der NCIIQII isiirp, Wien 194
S. 130 ff., Anm. 162.
ß Siehe die ElllWlllfltldißun
M Marie iiiiss oisriisiii, Ges
ii. Bd., s. 455.
"Marie Liiiss GDElIClLI, a. a. 0.. s. Hilf. Siehe sridi sii
Serie rdii Aufsätzen ,.Ard1itectural Gl!d:nlßg...' iii d
Zeitsdirift ;riis sriidid- (Nr. xuv. s. iiii m, xu
s. 11 ii., lßüff; xi.vi, s. 120, zss; xi.vi. s. iülfl
xux, s. 18ff.). Hier sind die Gartenentwürfr der Ardi
takten c. E. Mallow iiiid r. t. Grigg publiziert, die riii l
KCICSSIIIKES Vergleiehsmaterial iiir die oiirrisiirisdis Aisis
bieten. ziir Frage des Prospekts im osrmi vgl. siidis Nu
bert KM) p. Das GarLen-Belvedere. Das Belvedere Liedite
srein iiri die issdsiiiiiisg VDI! Ausbliik iriid Pmspcktbiu f
dir Gäfknlillnii. Miiiid-irii-issriiri ms.
ß lm Hofburgde o: iiisirr dem tsdpsidiiiisdirri Trakt. Aiir die
Arbeit lll! mi Herr Cilld. phil. Walter itrsiiss siitiiisrirss
gtmldll, dlm irh siidi für Weitere Hinweise danke.
w Abb. bei o. Aretz, z. z. 0., Nr. 100.
" So z. B. bei der Elisabeth-Statue von Edmund Hellmer a
dsiii Jahre 1901 ii. Salzburg, iisiirs iri i-iriiisriiiiii, dtlll Den
mal von nsrrrisriii Klotz siis dem Jahre 1903 ii. Meran, d
Sllhl: der Kaiserin im Elisabeth-Heim ll'l Wien V01! tdisiii
Pendl (Abb. bei G. Aretz, a. a. 0., Nr. 195, 198, 199).
ß n" siidiisiirr dieser SUUIC ist Apwriid ClliIllOhC. VgL: t
KIIHSK, v. _]g., s. m.
ii. Albenina.
idite der Glfitnkllhil, Jena 191