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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVI (1971 / Heft 117)

Winkel. Die verhältnismäßig sdimale, langge- 
streckte Anlage, die er damit gewann, wußte 
er künstlerisch in ein stimmungsvolles Ensemble 
umzuwandeln. Ein bewußt langer Zugang zum 
Denkmal beginnt zuerst mit einer schmalen 
Allee, von welcher man das Denkmal in einer 
weiten, fast entriickten Ferne sieht. Die Breite 
der Allee stimmt mit den Ausmaßen des Denk- 
mals überein. Darin weitet sich der Weg, und 
die Mittelachse wird um Gebilde bereidiert, die 
aus dem sogenannten französischen Garten ent- 
lehnt sind, zuerst um ein rundes Blumenbeet, 
das die Distanz zum Denkmal unterteilt und 
vor allem dekorativ wirken soll. Dann folgt 
ein versenktes Parterre, dessen glatter Rasen 
durdi einen schmalen Pfad scharf begrenzt und 
von einer Reihe von Thujen umgeben ist. An 
der dem Denkmal zugewandten Seite erhöht 
sich das Parterre stufenweise und wird mit 
keramischen Vasen und Blumen gesdamüdtt. 
Dieser Teil der Anlage, den Ohmann als den 
„Vorhof" bezeichnetgi, gehört schon zum Denk- 
mal selbst und hat außer seiner dekorativen 
Funktion als Fortsetzung der Steinarchitektur 
auch eine symbolische Bedeutung: die dunkle 
Reihe von Thujen, einem beliebten Friedhof- 
baum, ist eine verhaltene Anspielung auf das 
tragische Schidtsal der Kaiserin. Ursprünglich 
hätten diese auch auf der vorderen Seite stehen 
sollen", doch wäre damit das Denkmal für den 
ferner stehenden Betraditer verschlossen gewe- 
sen. Ohmann hat die geplante vordere Reihe der 
Thujen bei der Durchführung daher nicht ge- 
pflanzt, dafür umschließen die Thujen das 
Denkmal von beiden Seiten. Erst bei ihrer 
Umsd-ireitung und nadi dem Betreten zweier 
seitlidier Laubbogenöffnungen kommen wir in 
das eigentlidie Areal des Denkmals, das durd-i 
zwei von Urnen bekrönte monumentale Säulen 
markiert wird. Ohmann hat diesen Ort selbst 
als den „Heiligen Hain" bezeichnetu. Hier 
befinden wir uns in einem Raum, der aus- 
schließlich durch die Ardnitektur gebildet wird. 
Die Pflanze ist nur bescheidener belebender 
Zierat oder umsdiließende Kulisse. Neben dem 
Stein ist hier das zweite Element, das Wasser, 
wesentlich: ein Bassin mit zwei symmetrisch 
angelegten kleinen Springbrunnen sd-imüdrt die 
Mitte der Anlage, an beiden Seiten einander 
gegenüber, der frontalen Ansicht verborgen, 
befinden sich zwei kleine Wandbrunnen. Diese 
sind mit Knabenhetmen, die Wasser ausgießen, 
geschmückt. Endpunkt und Höhepunkt der gan- 
zen Anlage ist die Statue der Kaiserin von 
Bitterlidi. Hinter ihr öffnet sich im Halbkreis 
eine niedrig-breite steinerne Kulisse. 
Mit seiner streng gebundenen Konzeption, die 
das Vegetative und das Ardiitektonische ver- 
einigt, und in der Anknüpfung an die Überlie- 
ferung des historischen französisdien Gartens 
reiht sich Ohmann in die neuen Bestrebungen 
der Gartenkunst ein, die unter dem Schlagwort 
„Raumkunst im Freien"24 damals in ganz 
Europa aktuell waren. Nidit vereinzelt ist auch 
Ohmanns Anlehnung gerade an den Garten der 
Renaissance" mit seinen etappenweise geführ- 
ten „kanalisierten" Blidtpunkten, seiner Beto- 
nung des Ard-iitektonischen und seiner künstle- 
rischen Auswertung der Niveauunterschiede des 
Terrains. Letzteres klingt bei Ohmann aller- 
dings nur leise an. Die strenge Konzeption, 
die glatte Oberflädie des Marrnors der Archi- 
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tektur sowie einzelne "leile der Uesamtaniage, 
wie z. B. die beiden ionisierenden Säulen und 
das Wasserbassin mit seinen symmetrischen 
Springbrunnen, lassen sogar an eine Anlehnung 
an antike Vorbilder denken. Diesem Gedanken 
entspridit auch die Gestaltung des sogenannten 
Vorhofes, der im übertragenen Sinn an ein 
Peristyl denken läßt. Wie weit es sich hier um 
eine bewußte Anlehnung an die Antike handelt, 
können wir schwer sagen. Das Neue bei dieser 
Anknüpfung an die Tradition sind die ver- 
sdileierte Symbolik und die Betonung der Ge- 
fiihlswerte - beides typisdie Merkmale des 
jugeridstils. 
Die Statue Bitterlidis stellt die Kaiserin in 
einer Pose dar, die zwar sinnend und in sich 
gekehrt ist, aber doch die Öffentlichkeit im 
Bewußtsein nicht ausschließt. Ein aufgeschlage- 
nes Budi liegt neben ihr, dahinter ein Strauß 
Rosen, unten zu beiden Seiten liegen zwei 
Hunde, die fast zum Ornament geworden sind. 
Kein Attribut deutet auf eine Kaiserin. Elisa- 
beth ist, so wie sie es sich wohl selbst gewünscht 
hätte, nur als eine schöne, hoheitsvolle Frau 
dargestellt. Ohmanns klaren, fast klassizisti- 
sduen Formen entspricht die kleinlidiere, un- 
ruhigere Modellierung Bitterlidms nidit ganz, 
sie ist ein Beweis, daß der Bildhauer noch der 
älteren Auffassung anhing. Wir spüren an die- 
ser Statue aber nur einen leisen Nadihall des 
neobarodten Empfindens - diesen können wir 
in seinen Erscheinungsformen mit dem Stil des 
„Louis XVI." vergleichen. Audi ist Bitterlieh 
etwas gefällig in seiner Darstellung. Bei allen 
Unterschieden und auch bei dem etwas genre- 
haften Zug, der mit der Gesamtanlage nicht 
ganz zusammengeht, wirkt Bitterlichs Statue 
aber nicht störend, sie ist eher eine Belebung 
der sonst strengen symmetrischen Konzeption. 
Im Vergleich zu Bitterlidis Statue ist der er- 
haltene Konkurrenzentwurf von Stefan 
Schwarz" viel einfacher, fast puritanisdi in 
seiner Auffassung. Die qualitätvolle Statue 
von Schwarz wäre gewiß auch eine gute Er- 
gänzung der Ohmannsdnen Anlage geworden, 
es fehlt ihr aber die stille Heiterkeit und die 
dekorative Wirkung der Arbeit Bitterlidis. 
Aus all dem können wir sd-iließen, daß Ohmann 
sich nicht nur mit seiner Ardiitektur, sondern 
gerade in der Gesamtkonzeption des Denkmals 
der Kaiserin Elisabeth als Mitstreiter der Wie- 
ner Secession bekannte und audi seine eigenen 
Anfänge auf diesem Gebiet überwunden hat. 
Das Denkmal war im hohen Historismus eine 
vereinzelte, in sich ruhende Tat, die höchstens 
die Architektur des Platzes berücksiditigte. Die 
Rolle der Vegetation sah man nur in einer 
dekorativen Belebung. Die spätere Entwidt- 
lung zur mehr genrehaften, naturalistischen 
Auffassung modifizierte zwar audi das Ver- 
hältnis der Statue zur ihrer Umgebung, wer- 
tete aber aus der Natur nur ihre „veristischen" 
Möglidnkeiten aus. Erst die Secession mit ihrem 
Streben nad-i dem „stilvollen" Gesamtkunst- 
werk hat in ihren neuen Raumgestaltungen auch 
das Vegetative zu formen versucht, nicht ohne 
dabei Anleihen beim historisdmen ardiitektotii- 
sehen Garten zu machen. Der Wille zur sakralen 
Überhöhung des Raumes, der in der Kunst der 
Secession nicht auf das Kirchlidie beschränkt ist, 
hat bei der Gestaltung der Natur seine Ideal- 
vorstellung in dem „weihevollen Hain" gefun- 
den. ueraue CIIC nurgaoe eines ueiimiiais in 
Park ist dieser Anschauung besonders entgegen 
gekommen, und Ohmann hat sie in unseren 
Falle glücklich anzuwenden gewußt. Er hat fii 
das Denkmal der ermordeten Kaiserin eini 
stille, stimmungsvolle Umgebung geschaffen, ii 
der alle Einzelheiten ein abgewogenes, feii 
empfundenes Ganzes bilden, das eine tiefere 
symbolische Bedeutung hat. Die Arcl'iitektur de 
Denkmals ist von fast kunstgewerblidier Aus 
gewogenheit der Linien, besonders der orna 
mentalen Teile, und von freier, dabei aber ge 
bundener Gliederung im Raume. Audi hier is 
das Ensemble der Hauptgedanke. 
Ein Vergleich dieses Monuments mit dem erstei 
öffentliduen Denkmal der Kaiserin, dem Stand 
bild von Hans Gasser aus dem Jahre 1859 
das im Vestibiil des alten Westbahnhofs (da 
mals Elisabeth-Bahnhof) stand", zeigt dei 
weiten Abstand zwischen der Darstellung eine 
Kaiserin am Anfang des 20. Jahrhunderts uni 
dem traditionell überlieferten offiziellen Sta 
tuentypus, wie er vorher Jahrhunderte hindure 
nur mit kleinen stilistischen Umwandlunge: 
üblich war. Für Gasser war die repräsentativ 
Existenz einer Monardiin wesentlidi und vo 
allem verbindlich, Bitterlidi stellte einen Privat 
menschen dar und legte das Hauptgewicht au 
die Wiedergabe der Persönlidikeit. Es ist be 
zeidinend, daß diese Auffassung der Kaiseri 
nicht vereinzelt war. Wir können ihr audi b: 
anderen Denkmälern der Kaiserin Elisabet 
aus dieser Zeit begegnen". Sogar im Auftrag 
des österreichisdien Hofes ist ein solches Denk 
mal in Territet (Schweiz) entstanden". Di 
Haltung der Kaiserin selbst, deren Lebensge 
staltung in früherer Zeit undenkbar gewese 
wäre, legte solche Konzeptionen nahe. 
Außer seinem künstlerisdien Wert, als eine i 
Wien einmalige secessionistisclie Denkmalsan 
lage, ist das Monument der Kaiserin Elisabet 
im Volksgarten auch ein sprediendes Sinnbil 
einer neuen Zeit, die sidi anschidtte, statt de 
alten traditionellen Vorstellungen eine neu 
Hierarchie der Werte zu sdiaffen. 
ANMERKUNGEN 21-29 
H Der Ardiiisisi, ix. ]g., a. a. o. Hier ist die Bßädllllbüllg d 
gsrisrii Anlage V01"! oiirrisiip selbst publillerl. 
n Siehe die esiiwiirissidiisiipg VOh i'-r. Ohmlnl! iii der srspii 
sdisis Sammlung Albertina, Sllhmluhg arülilektonisdier Zeit: 
riiirigrii, Inv.-Nr. sizsdt Publiziert blit A. LlIOKSkY, Die Ba- 
gcsdiidite der Museen iiiid der NCIIQII isiirp, Wien 194 
S. 130 ff., Anm. 162. 
ß Siehe die ElllWlllfltldißun 
M Marie iiiiss oisriisiii, Ges 
ii. Bd., s. 455. 
"Marie Liiiss GDElIClLI, a. a. 0.. s. Hilf. Siehe sridi sii 
Serie rdii Aufsätzen ,.Ard1itectural Gl!d:nlßg...' iii d 
Zeitsdirift ;riis sriidid- (Nr. xuv. s. iiii m, xu 
s. 11 ii., lßüff; xi.vi, s. 120, zss; xi.vi. s. iülfl 
xux, s. 18ff.). Hier sind die Gartenentwürfr der Ardi 
takten c. E. Mallow iiiid r. t. Grigg publiziert, die riii l 
KCICSSIIIKES Vergleiehsmaterial iiir die oiirrisiirisdis Aisis 
bieten. ziir Frage des Prospekts im osrmi vgl. siidis Nu 
bert KM) p. Das GarLen-Belvedere. Das Belvedere Liedite 
srein iiri die issdsiiiiiisg VDI! Ausbliik iriid Pmspcktbiu f 
dir Gäfknlillnii. Miiiid-irii-issriiri ms. 
ß lm Hofburgde o: iiisirr dem tsdpsidiiiisdirri Trakt. Aiir die 
Arbeit lll! mi Herr Cilld. phil. Walter itrsiiss siitiiisrirss 
gtmldll, dlm irh siidi für Weitere Hinweise danke. 
w Abb. bei o. Aretz, z. z. 0., Nr. 100. 
" So z. B. bei der Elisabeth-Statue von Edmund Hellmer a 
dsiii Jahre 1901 ii. Salzburg, iisiirs iri i-iriiisriiiiii, dtlll Den 
mal von nsrrrisriii Klotz siis dem Jahre 1903 ii. Meran, d 
Sllhl: der Kaiserin im Elisabeth-Heim ll'l Wien V01! tdisiii 
Pendl (Abb. bei G. Aretz, a. a. 0., Nr. 195, 198, 199). 
ß n" siidiisiirr dieser SUUIC ist Apwriid ClliIllOhC. VgL: t 
KIIHSK, v. _]g., s. m. 
ii. Albenina. 
idite der Glfitnkllhil, Jena 191
	        
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