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fierte Darstellungen vor. Die Marktszenen von
Johann Nepomuk Geller sind ein erster Schritt
zur Belebung im Zeichnerischen wie im Male-
rischen, einerseits durch die Vielfigurigkeit,
zum anderen durch die Anwendung grellen
Liohts, das auf Menschen und Hausmauern
fällt. Zur gleichen Zeit hat Egon Schiele vier
Städtebilder von Stein gemalt, die klar um-
rissene, fast kubisch geformte Gebäude erken-
nen lassen, wenngleich sich der Künstler die
Freiheit nimmt, das Stadtbild nach eigenem Er-
messen zu verändern und zu gestalten.
Der gebürtige Kremser Franz Vinzenz Dressler
läßt in seinen Gemälden die Form hinter die
Farbe zurüdttreten, Er verwendet die reine
Farbe als konkreten Gestaltwert und näherte
sich damit der abstrakten Malerei. Seine jüng-
sten Schöpfungen sind Reflexionen der ihn um-
gebenden Natur, zuweilen erreicht er in seiner
Aussage eine expressive Dichte. Carl Unger
verkörpert mit seinen drei Stadtansichten von
Stein die abstrakte Phase der zeitgenössischen
Malerei, wenngleich er einen Zusammenhang
mit der Natur wahrt und solcherart lyrische
Landschaftsbilder schuf, bei denen die Farb-
flächen zu zerfließen drohen. Bei Ernst Paar
wird etwa das dargestellte Motiv des „Stadt-
grabcns" zur Kulisse einer neuartigen intimen
Stimmung, Leopold Hauer hingegen zeichnet
sich durch seine feinsinnigen, ausgereiften
Kompositionen und durch sein kühles Kolorit
aus („Kremstal", „Rabengasse" u. a.). Dynamik
und Statik, die nahezu zu einer Synthese ver-
schmelzen, charakterisieren die Arbeiten des
Kolig- und Leger-Schülers Rudolf Hradil, wo-
bei er die Gegenüberstellung des alten und
neuen Stadtbildes als künstlerischen Vorwurf
nimmt.
Die jüngste Künstlergeneration, die „Phanta-
stischen Realisten", die den Krieg, seine Ängste
und Wirren, wenn auch nur passiv, aber den-
noch nachdrücklich miterleben mußten, stellen
größtenteils den sinnvollen Aufbau der Welt
und logische Kausalitäten in Abrede. Michael
Coudenhove-Kalergi fügt demnach das Stadt-
bild von Krems und Stein nach subjektiver Aus-
wahl zusammen, Helmut Kies" „Stadtbild von
Krems" ist eine minuziöse Arbeit und zeugt von
der Vorliebe der Phantastischen Realisten für
die Donauschule. Karl Korab betont mehr das
Malerische und stellt hintergründig bizarr Ein-
zelheiten dar. Anton Lehmden, der bisher
Städtebilder von Wien, Salzburg, Istanbul und
Rom ausgeführt hat, schuf eine hervorragende
Radierung des Donautales bei Krems und Stein,
wobei ihm diese Technik erlaubt, „seine ganze
Subtilität im Führen der Linien und im Sicht-
barmachen verborgener Realitäten auszuspie-
len" (K. Sotriffer). Seine Landschaft ist men-
schenleer, steppenhaft, stark durchlichtet, wobei
die Gebilde, die er hervorbringt, wie Gras,
Hügel, Fels und Wolke, ihr Eigenleben führen.
Eine große Zahl weiterer zeitgenössischer Ma-
ler, wie Siegfried Stoitzner, Oskar Matulla,
Traute Dressler und Anton Stummer, ist mit
bemerkenswerten Arbeiten bei der Exposition
vertreten, so daß die moderne Malerei würdig
an die Seite vergangener bedeutender Kunst-
epochen gestellt werden kann.
s Leopold Hauer, Krcmstal, 1971. Bleistift aquarelliert
4 Ernst Paar, Motiv aus Krems ,.Äm Stadtgraben", 1971.
Aquarell-Feder