der Kunst. Wenn idi mich lange an einigen
seiner Motive geübt habe, ohne mich indessen
jemals aufs Ganze zu beziehen, so geschah dies
als Versuch, dem Bild die bannende Kraft zu
nehmen, mich irgendwie davon zu befreien." -
Eine Umsetzung des Themas „Melancholie",
die keines der Motive des Dürer-Stiches benützt,
gibt Hrdlicka mit seiner überlebensgroßen Mar-
morplastik eines männlichen Aktes, der die
mächtigen Schultern weit zuriickbiegt, so daß
die Arme vom Körper entfernt nach hinten
hängen. Das gibt der ganzen Figur den Aus-
druck einer gequälten, fast verzweifelten Ge-
mütsverfassung.
Dürers Selbstbildnisse gingen ein in die Ge-
mälde von Oelze und Heidelbach, in die far-
bigen Prägegraphiken von Vennekamp und
Ortega, die Kreidezeichnungen von Saura und
vor allem in die Rollagen von jifi Kolar. Er
kombinierte das Madrider Selbstbildnis Dürers
mit Farbreproduktionen nach 16 Gemälden an-
derer Meister, darunter Leonardo, Altdorfer,
Guardi, Canaletto, Delacroix, Munch und Pi-
easso. - Die Beschäftigung mit Dürers Bild-
nissen führte aber auch zum eigenen Selbst-
porträt, so bei Grützke in realistisd1er Unmit-
telbarkeir und bei Hausner zur Mystifizierung
des eigenen Ichs mit der Gestalt des Adam.
Daher ist es nicht von ungefähr, wenn Hausner
in seiner schriftlichen Äußerung zum Thema der
Dürer-Hommage heute schreibt: „Albrecht Dü-
rer übt auf mich eine starke Anziehungskraft
aus . . ., meines Wissens ist er der erste Künstler,
der seine eigene Person ins Zentrum rückt . . . in
seinen Selbstbildnissen ist er allein Anlaß ge-
nug, um über sich und seine Zeit Auskunft zu
geben. Damit ist jene Skepsis bestätigt, die auf
ideologische Rahmenhandlungen verziditet und
den heutigen Künstler dazu drängt, bei seinen
eigenen Voraussetzungen zu beginnen. So habe
ich meine Hommage a Dürer nicht als Be-
nützung Dürerscluer Motive und deren Über-
setzung in eine aktuelle Ästhetik verstanden,
sondern mich bemüht, dem Meister durdi den
Beleg seiner weiterwirkenden Tendenzen mei-
ner Verehrung zu erweisen."
Neben diesen drei zentralen Themengruppen
Melancholie, Selbstbildnisse und kunsttheorc-
rische Studien fanden natürlidi auch andere
Dürer-Themen Eingang in neue Rezeptionen. Die
Landschaften regten den Graphiker Eliasberg
und Otto Dix an, der noch vor seinem Tode
seine Teilnahme an dieser Ausstellung zusagte.
Eridi Brauers märchenhaftes Adam-und-Eva-
Bild ist ebenso eine wundersame Landschaft in
Blau-, Grün- und Brauntönen wie ein Figuren-
bild. - Zum Thema „Pferd und Reiter" gaben
Marini und Cremonini großartige Arbeiten. Mit
den einst so populären Dürer-Blättern der „Vier
apokalyptischen Reiter" und des „Ritter, Tod
und Teufel" befaßten sich nur wenige Künst-
ler unserer Gegenwart. Dem Holzschneider
Hansen-Bahia ist die Umsetzung in eindrucks-
voller Weise gelungen. - An eine Verwendung
der Kohlezeid1nung von Dürers Mutter, von
deren starker künstlerischer Einprägsamkeit
einige der an dieser Ausstellung beteiligten
Künstler in ihren schriftlichen Äußerungen
sprechen, hat sich nur ein einziger herangewagt:
Ipousteguy. Er schuf eine dreiteilige Marmor-
plastik mit einem liegenden Kopf, der von
zwei geometrisierenden Steinblöcken gerahmt