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Gian Lorenzo Bernini, Selbstbildnis, Handzeichnung
Medaille mit dem Porträt Papst Alexanders vu. _ Chigi
um Lorenzo Bernini, Verklärung Papst Urbans vut,
Rom. S. Maria in Aracoeli
IV. CONCLUSIO: BERNINI UND DIE
KAISERDALMATIKA
Die historischen Quellen über die mehr als ein
Jahrhundert andauernden Debatten und Pro-
jekte für Neu-Sn-Peter sind dürftig. Weitgehend
erforscht und gedeutet ist Michelangelos zentra-
ler Kuppelbau mit seiner lotrechten Bildachse
über Confessio, Papstaltar und Baldachin. Er ist
der Darstellung der Passion gewidmet 23.
Berninis Aufgabe war es, nach der Fertigstellung
der Ausstattung des Kuppelraumes von der Tri-
buna aus die Längsachse inhaltlich zu gestalten
und im Petersplatz münden zu lassen.
Die Dalmatika hat dem Künstler - oder seinen
geistigen Inspiratoren - die geniale Komposi-
tionsidee des Petersplatzes mit den Kolonnaden
geschenkt. Zugleich gab sie das Konzeptsmodell
für die Einbeziehung der Architektur des Plat-
zes in die achsiale Bildidee der Erlösung. Auch
ohne den geplanten, nicht mehr ausgeführten
dritten Kolonnadentrakt, der das Rund ge-
schlossen hättc, scheint uns der Zusammenhang
evident.
Die werkgeschichtliche Datierung der neuen Idee
liegt fest: Nachdem der Papst ein rechteckiges
Kolonnadenprojekt abgelehnt hatte, legte Ber-
nini am 17. März 1657 den „Modulus" des Al-
tares der Kathedra Petri zusammen (I) mit dem
„Delineamcntum", der Zeichnung des Peters-
platzes, „in ovata forma" vor24.
Die Frage, warum die Transfiguration in der
Gestaltung des Chigireliefs (Abb.1 und 13) nicht
ausgeführt worden sei, kann hier nicht erörtert
werden. Dazu liegt umfangreiches neues Mate-
rial vor, das eine weitere Publikation erfordert.
Die Quellen spiegeln ein langes Ringen des
Künstlers um die Gestalt des liditumflossenen
Salvators. In diesen Zusammenhang gehören auch
Berninis verschollene Marmorstatue einer Halb-
figur des Salvator Mundi (Abb. 25) und seine
demonstrative testamentarische Schenkung an
Papst Innozenz XL, das Gemälde des Salvator
Mundi von Gaulli. Neben den großen tech-
nischen Hindernissen, die schon vorher beim
Guß der Kathedra aufgetreten waren, ging diese
größte aller Aufgaben der christlichen Kunst an
die Grenzen des Möglichen. Der Ausweg, das
natürliche Licht im offenen Oval der Tabor-
wolke als Abstraktion des Salvators zu nützen
und mit dem Symbol der Taube auszustatten,
mag mandie Befürworter gefunden habenzs.
Schon 1634-1636 hatte Bernini eine ähnlich
abstrakte Transfiguration als Verklärung Papst
Urbans VIII. im Gegenlicht eines ovalen Fen-
.1.
iiußuildw .- . w _ ,
sters versucht. In S. Maria in Aracoeli
sich ein leeres Fenster unter den Papstin
zum Lichte, darunter halten Engel ein E
band. Eine Art Lichtvision, Verklärui
Nachfolgers Petri im Tabor (Abb. 24).
Welche Bedeutung mag die Dalmatika fii
Alexander VII. und für Bernini gehabt
Für beide bedeutete sie vermutlich die
Reliquie Karls des Großen.
Sie war unter den spärlichen Überrest
versunkenen alten Basilika das umfassen
staltete Kunstwerk. In höchsten Symboler
festierte sie die petrinisch-vatikanischen
tionen und band sie in einem großen K
ein in die Idee der Erlösung.
Sie war zugleich geistiges Konzept und
tektur. Auf dem Leibe des Papstes war r
einer Skulptur, wurden ihre Bilder zum
schmuck eines Standbildes, das Petrus sel
deutete und die gesamte Basilika.
Berninis Schöpfungen wurden nicht au
großen Gelehrsamkeit gespeist, wie es l
Künstlern der Renaissance, bei Raffael zi
spiel, der Fall war. Wir wissen, daß er
las. Seine Lektüre war der Erbauung u
Vertiefung seines Glaubens gewidmet", '
Philothea des Franz von Sales oder Thor:
Kempens Nachfolge Christi27. Sonst las
das für die Praxis Nötige, nachschlager
orientierend. Er war Blickmensch. Sein sir
Auge übersetzte Gesehenes in große Archi
Eine derartige Konzeptübernahme un
Übersetzung in die Architektur ist natürl
denkbar als Auswirkung der immanent:
steskräfte der Tradition und als Resulta
vieljährigen und vielfältigen Disputati
diesem Zusammenhang sollte auch die F
des mysteriösen „vatikanischen Tript)
(Abb. 8) geklärt werden, eine Frage, die
ser Untersuchung leider nur gestreift '
konnte.
Offen bleibt auch die Frage nach der gr
Mitwirkung des großen Baupapstes Ale
VII. selbst. Die Kunstgeschichte, bisher o:
eine „Gesdiichte der Künstler", wird vi
auch in dieser Hinsicht künftig mandies J
werten.
Nehmen wir das Tagebuch des Papst
Hand, das er als Kardinal Flavio Chig
- im Jahre seiner Wahl - geschrieben h
obersten Sinnspruch hat er das ALP}
OMEGA eingetragen, wie es unter der
morphosis von Ravenna steht. Die Eintra
21