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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVI (1971 / Heft 119)

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Gian Lorenzo Bernini, Selbstbildnis, Handzeichnung 
Medaille mit dem Porträt Papst Alexanders vu. _ Chigi 
um Lorenzo Bernini, Verklärung Papst Urbans vut, 
Rom. S. Maria in Aracoeli 
IV. CONCLUSIO: BERNINI UND DIE 
KAISERDALMATIKA 
Die historischen Quellen über die mehr als ein 
Jahrhundert andauernden Debatten und Pro- 
jekte für Neu-Sn-Peter sind dürftig. Weitgehend 
erforscht und gedeutet ist Michelangelos zentra- 
ler Kuppelbau mit seiner lotrechten Bildachse 
über Confessio, Papstaltar und Baldachin. Er ist 
der Darstellung der Passion gewidmet 23. 
Berninis Aufgabe war es, nach der Fertigstellung 
der Ausstattung des Kuppelraumes von der Tri- 
buna aus die Längsachse inhaltlich zu gestalten 
und im Petersplatz münden zu lassen. 
Die Dalmatika hat dem Künstler - oder seinen 
geistigen Inspiratoren - die geniale Komposi- 
tionsidee des Petersplatzes mit den Kolonnaden 
geschenkt. Zugleich gab sie das Konzeptsmodell 
für die Einbeziehung der Architektur des Plat- 
zes in die achsiale Bildidee der Erlösung. Auch 
ohne den geplanten, nicht mehr ausgeführten 
dritten Kolonnadentrakt, der das Rund ge- 
schlossen hättc, scheint uns der Zusammenhang 
evident. 
Die werkgeschichtliche Datierung der neuen Idee 
liegt fest: Nachdem der Papst ein rechteckiges 
Kolonnadenprojekt abgelehnt hatte, legte Ber- 
nini am 17. März 1657 den „Modulus" des Al- 
tares der Kathedra Petri zusammen (I) mit dem 
„Delineamcntum", der Zeichnung des Peters- 
platzes, „in ovata forma" vor24. 
Die Frage, warum die Transfiguration in der 
Gestaltung des Chigireliefs (Abb.1 und 13) nicht 
ausgeführt worden sei, kann hier nicht erörtert 
werden. Dazu liegt umfangreiches neues Mate- 
rial vor, das eine weitere Publikation erfordert. 
Die Quellen spiegeln ein langes Ringen des 
Künstlers um die Gestalt des liditumflossenen 
Salvators. In diesen Zusammenhang gehören auch 
Berninis verschollene Marmorstatue einer Halb- 
figur des Salvator Mundi (Abb. 25) und seine 
demonstrative testamentarische Schenkung an 
Papst Innozenz XL, das Gemälde des Salvator 
Mundi von Gaulli. Neben den großen tech- 
nischen Hindernissen, die schon vorher beim 
Guß der Kathedra aufgetreten waren, ging diese 
größte aller Aufgaben der christlichen Kunst an 
die Grenzen des Möglichen. Der Ausweg, das 
natürliche Licht im offenen Oval der Tabor- 
wolke als Abstraktion des Salvators zu nützen 
und mit dem Symbol der Taube auszustatten, 
mag mandie Befürworter gefunden habenzs. 
Schon 1634-1636 hatte Bernini eine ähnlich 
abstrakte Transfiguration als Verklärung Papst 
Urbans VIII. im Gegenlicht eines ovalen Fen- 
.1. 
iiußuildw .- . w _ , 
sters versucht. In S. Maria in Aracoeli 
sich ein leeres Fenster unter den Papstin 
zum Lichte, darunter halten Engel ein E 
band. Eine Art Lichtvision, Verklärui 
Nachfolgers Petri im Tabor (Abb. 24). 
Welche Bedeutung mag die Dalmatika fii 
Alexander VII. und für Bernini gehabt 
Für beide bedeutete sie vermutlich die 
Reliquie Karls des Großen. 
Sie war unter den spärlichen Überrest 
versunkenen alten Basilika das umfassen 
staltete Kunstwerk. In höchsten Symboler 
festierte sie die petrinisch-vatikanischen 
tionen und band sie in einem großen K 
ein in die Idee der Erlösung. 
Sie war zugleich geistiges Konzept und 
tektur. Auf dem Leibe des Papstes war r 
einer Skulptur, wurden ihre Bilder zum 
schmuck eines Standbildes, das Petrus sel 
deutete und die gesamte Basilika. 
Berninis Schöpfungen wurden nicht au 
großen Gelehrsamkeit gespeist, wie es l 
Künstlern der Renaissance, bei Raffael zi 
spiel, der Fall war. Wir wissen, daß er 
las. Seine Lektüre war der Erbauung u 
Vertiefung seines Glaubens gewidmet", ' 
Philothea des Franz von Sales oder Thor: 
Kempens Nachfolge Christi27. Sonst las 
das für die Praxis Nötige, nachschlager 
orientierend. Er war Blickmensch. Sein sir 
Auge übersetzte Gesehenes in große Archi 
Eine derartige Konzeptübernahme un 
Übersetzung in die Architektur ist natürl 
denkbar als Auswirkung der immanent: 
steskräfte der Tradition und als Resulta 
vieljährigen und vielfältigen Disputati 
diesem Zusammenhang sollte auch die F 
des mysteriösen „vatikanischen Tript) 
(Abb. 8) geklärt werden, eine Frage, die 
ser Untersuchung leider nur gestreift ' 
konnte. 
Offen bleibt auch die Frage nach der gr 
Mitwirkung des großen Baupapstes Ale 
VII. selbst. Die Kunstgeschichte, bisher o: 
eine „Gesdiichte der Künstler", wird vi 
auch in dieser Hinsicht künftig mandies J 
werten. 
Nehmen wir das Tagebuch des Papst 
Hand, das er als Kardinal Flavio Chig 
- im Jahre seiner Wahl - geschrieben h 
obersten Sinnspruch hat er das ALP} 
OMEGA eingetragen, wie es unter der 
morphosis von Ravenna steht. Die Eintra 
 
 
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