rry Kühnel
000 JAHRE KUNST
KREMS"
i RESTAURIERTEN
)MINIKANERKLOSTER
der Gegenwart entwickeln sich die Städte
nie zuvor in der europäischen Geschichte
ungemein komplexen Gebilden, sie üben
fast magische Anziehungskraft aus und
den solcherart zu wirtschaftlichen, gesell-
ftlichen, administrativen und kulturellen
tren. Dieser Entwicklungs- und Wandlungs-
zeß hat auch die stadtgesdlichtliche For-
lng in Bewegung gebracht, wird doch nun-
ir der Stadttopographie, der städtischen
tschaftsgeschichte, der städtischen Sozialord-
g, der vergleichenden Stadtverfassungsge-
dite u. a., nicht allein des Mittelalters, son-
1 aud1 der nachmittelalterlichen Perioden
Städtewesens größte Aufmerksamkeit ge-
nktl. Wenig oder gar nid-it beaduet wurde
er die künstlerische und kulturelle Aufgabe
Bedeutung der Städte. Die vom 28. Mai
31. Oktober im restaurierten Dominikaner-
lter gezeigte Ausstellung „l000 Jahre Kunst
Krems" stellt den ersten Versuch dar, die
einer Stadt ausgehenden künstlerisdien und
urellen Bestrebungen sowohl wissensdmaft-
zu bearbeiten als auch zugleich „schaubar"
madmen. Damit soll den derzeitigen stadt-
hiditlidlen Forschungsaufgaben ein neuer
ekt hinzugefügt werden. Die Zielsetzung
Exposition bringt es mit sidi, daß ein
lrblidt über einen Zeitraum von tausend
ren und damit über das Auf und Ab ge-
zn wird, gibt es doch selbstredend in der
chichte einer Stadt - wie auch eines Lan-
- nicht nur Höhepunkte. Insoferne kann
es Vorhaben mit den vorausgegangenen
stellungen in der Steiner Minoritenkirche
t verglichen werden, wo man bemüht war,
hoch- und spätmittelalterlidie Kunst in
lster Qualität oder ganz typischen Werken
Augen zu führen.
gehört zum besonderen Vorzug dieser Aus-
ung, dafS die Präsentation der Kunstwerke
Räumlichkeiten erfolgt, die bisher der Fach-
: und dem Publikum nahezu unbekannt wa-
nämlich in der ehemaligen Dominikaner-
he sowie im Konventgebäude. Bei der Re-
rierung dieses gewaltigen Gebäudekomple-
konnten einige wertvolle kunsthistorisd-le
de gemacht werden, so etwa das gemalte
lpelgrab des letzten Sponheimerherzogs Phil-
von Kärnten und seines Feldherrn Hein-
Graf von Salm, nach italienischen Vorbil-
l um 1320-1330 entstandenä, oder die an
Wänden des Süd- und Ostflügels des
uzganges aufgefundenen gemalten Anniver-
zn, die eine genaue Datierung der Erbauung
Langhaus und Konventgebäude ermöglich-
Die wohl bedeutendste Entdedtung ge-
, 1970l71, als der frühgotisdle Ostflügel
Kreuzganges freigelegt und wiederherge-
t werden konnte, für den in erster Linie
Ministerialen des Wald- und Weinviertels,
hwegs Parteigänger des Böhrnenkönigs Ot-
tr, als Wohltäter in Erscheinung traten 3.
Aufbau und die Anordnung der Ausstel-
; erfolgten in der Form, daß Kirche und
Klosterräume in ihrer architektonischen Schön-
heit voll zur Geltung kommen. Im hochgoti-
sdlen Chor haben mittelalterliche Plastik, Tafel-
bilder und Grabdenkmäler einen würdigen und
adäquaten Rahmen. Im spätromanisch-frühgo-
tischen Langhaus wurden die meist überlebens-
großen Barockskulptuten, das Kunstgewerbe,
die Malerei des 17. Jahrhunderts sowie Zeich-
nungen und Ulskizzen Martin Johann Schmidts
untergebracht. Die Räumlichkeiten im Kon-
ventgebäude sind einzelnen Sachgebieten vor-
behalten: der Kapitelsaal birgt die vorwiegend
im Mittelalter entstandenen Objekte aus
Schmiedeeisen sowie mittelalterliche Keramik,
Im Caldarium wurde eine historische Abtei-
lung mit Urkunden, Siegeln, Münzen und Me-
daillen eingerichtet, im Refektorium werden in
eindrucksvoller Form Waffen, Geräte aus Zinn
und Glocken dargeboten. Der östliche Kreuzgang-
flügel, selbst schon bemerkenswertes Ausstel-
lungs- und Museumsobjekt, dient der Veran-
schaulichung der städtischen Topographie, der
städtebaulidlen Entwicklung sowie der Archi-
tektur im besonderen. Der Südflügel des Kreuz-
ganges blieb dem Mobiliar, Porzellan, Glas und
den Uhren vorbehalten, während in einem Teil
des Nordtraktes und im gesamten Westtrakt
alle jene volkskundlichen Objekte gezeigt wer-
den, die mit dem Thema „Wein und Kunst"
zusammenhängen. Die moderne Galerie wurde
völlig abgesondert von den übrigen Disziplinen
im Obergeschoß des Ostflügels, wo sid1 der-
einst die Zellen der Patres befanden, aufge-
stellt, in unmittelbarer Nähe davon überdies
eine Abteilung für Theater, Musik und Buch-
drudt eingeriditet.
Bei der Behandlung so vieler Bereiche städti-
sdnen Kunst- und Kulturschaffens ergeben sid1
naturgemäß einige Schwerpunkte. Ein solcher
liegt im Frühmittelalter, war dOCh die ältere
Pfarrkirdie St. Stephan ein Bau des 11. Jahr-
hunderts, der saalähnliche Pfarrhof entstand
um die Mitte des 12. Jahrhunderts, und damals
existierte auch schon die neue Pfarrkirdie St.
Veit. In der zweiten Stadtburg am Hohen
Markt wurde zwischen 1130 und 1190 der
Kremser Pfennig, die älteste österreichische
Münze, geschlagen, ein Beweis für die zugleich
wirtschaftliche Bedeutung der Stadt.
Das Spätmittelalter stellte eine Blütezeit sonder-
gleichen dar, bürgerlidier Fleiß und bürgerli-
eher Kunstsinn ließen eine Unzahl von Werken
der bildenden Kunst - Altäre, Plastiken,
Wandmalereien und kunstgewerblidle Arbei-
ten - entstehen. Die ungeheure Dynamik ver-
mag man am besten zu beurteilen, wenn man
bedenkt, daß in der zweiten Hälfte des 13.
Jahrhunderts nidit allein die beiden Bettelor-
denskirchen der Dominikaner und Minoriten,
sondern auch die Matthiaskapelle in Förthof er-
richtet wurden, im 15. Jahrhundert ziemlidu
gleichzeitig an der Frauenbergkirdw (Piaristen-
kirche) in Krems, an der Bürgerspitalskird-le
sowie an der Steiner Pfarrkirdle St. Nikolaus
gebaut wurde.
Die spätgotisdien Künstler traten bereits aus
ihrer Anonymität hervor, wir wissen um die
Tätigkeit des Malers I-Ians Egkel, des Bürgers
und Malers Laurenz Wilgiter und Andre Stangl.
Für die Entstehung der Donauschule war
Krems einer der Kristallisationspunkte, und der
aus Augsburg zugewanderte Jörg Breu d. A.
arbeitete einige Jahre in einer größeren Krem-
ser Werkstätte. Der im Jahre 1500 konsekrierte
Bernhardialtar von Zwettl wurde ohne Zwei-
fel von einem „pictor ex Khrembs" geschaffen,
der freilich daran allein vier Jahre - seit 1496
- arbeitete. Aus stilistischen Gründen erfolgte
die Zuschreibung des Werkes an Jörg Breu d.
Derselbe Meister hat nun 1501 den Aggsbacher
Altar fertiggestellt und ein Jahr später den
Melker Altar vollendet, beides große Altäre,
bei denen die Autorschaft Breus, der am Aggs-
bacher Altar auch signierte, unbestritten ist.
Es muß aber angezweifelt werden, ob der
„pictor ex Khrembs" tatsächlich mit Breu
identifiziert werden kann, da selbst eine lei-
stungsfähige Werkstatt schon aus handwerk-
lichen Gründen nicht in der Lage gewesen sein
konnte, drei so gewaltige Kunstwerke im Ab-
stand von je einem Jahr zu liefern4. Neben
Breu durchwanderte auch Wolf Huber das Do-
nautal, das er bei Krems 1529 in einer meister-
haften Federzeidinung festhielt. Von einem un-
bekannten Meister stammt das 1530 gemalte
Porträt des aus Straßburg zugewanderten Me-
diziners und Apothekers Dr. Wolfgang Kapp-
ler, einer Persönlidlkeit mit humanistischer Bil-
dung. Die Tafel mit dem Bildnis seiner Frau,
etwa eineinhalb Jahrzehnte später entstanden
und der Donauschule nahestehend, zeigt inter-
essanterweise auf der Rüdrseite den Stamm-
baum der Familie in Form der „Wurzel Jesse".
Der im Raume Krems früh verbreitete Prote-
stantismus führte wie anderwärts zu einem
weitgehenden Niedergang der bildenden Kunst,
bedurfte man doch nicht mehr der frommen
Stiftungen. Eine Ausnahme bildete die nach
prahlerischer Repräsentation strebende Ardti-
tektur, die von Protestanten und Katholiken
in gleicher Weise angestrebt wurde. Hingegen
förderte die Hinwendung zum gesprodienen
Wort und zur Bibel als reinste Quelle göttli-
cher Offenbarung das Buchwissen, und die Ver-
lasserlschaften vieler Kremser Bürger geben
Aufschluß über große Büchersammlungen huma-
nistischen Inhalts, aber auch über Prunksudit
und Protzigkeit beim Hausrat, vor allem beim
Kredenzgeschirr.
Die Gegenreformation bediente sid-l sodann
wieder der bildenden Kunst, vor allem der
Architektur, der Plastik und der Malerei, um
die Bevölkerung auch von den Sinnen her zum
wahren Glauben zurückzuführen. In der Bau-
kunst entstand nach den Plänen des Comasken
Cipriano Biasino eine der ersten barodten Kir-
chen nördlich der Alpen, die Pfarrkird1e St.
Veit (1616-1630) und geraume Zeit später
der Zentralbau der K3PDZiI1Bfkifd1C in Und,
ein Werk des Domenico Sciassia. Die frühba-
rodten Skulpturen sind diarakterisiert durch
einen etwas unnahbaren, steifen und fast beleh-
renden Stil - dem das Siegespathos nicht fehlt
-, wobei man nach Vorbildern sudite und
ANMERKUNGEN l-4 _
' r,. Ennen, Die Stadt zwisdten Mittelalter und Gegenwart, In:
Die Stadt des Mittelalters, hrg. von c. Haase, Bd. l. Darm-
Stadt 1969, s. 7 ff.
x H. Kühnel, Die emalten Grahdenkmäler von Herzog Philipp
von Kärnten un Heinridt Graf von Salm irn Chor der ehe-
maligen Dominikanerkirdie in Krems, in: Zeitschrift für
Kunst und Denkmalpflege 2111967, s. ioo n.
1 H. Kühne]. im Dominikanerkloster, in: Katalog 1000 Jahre
Kunst in Krems. 1971, s. m n.
- Man studiere die bei H. Huth. Künstler und Werkstatt der
Spätgotik, Darmstadt 19er, s. ios m. wiedergegebenen Ver-
träge, vor allem die Bedingungen für es. Verwendung von
Materialien und deren Velilrillltllllg sowie über die Dauer
der Vollendung solcher Werke.
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