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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVI (1971 / Heft 119)

dienen geeignet sind, auch die größte Dotation 
zur wünschenswerten Komplettierung der 
Sammlungen nicht ausreichen würde. 
Zur Abfassung eines Statuts und zur Einlei- 
tung aller die Eröffnung des Museums vorbe- 
reitenden Schritte wurde durch dasselbe kaiser- 
liche Handschreiben ein provisorisches Komitee 
zusammengestellt, welches unter dem Vorsitz 
des Sektionsdiefs im Staatsministerium Karl 
Edlen von Lewinsky aus dem Schatzmeister 
und Kustos J. G. Seidl, dem Kunstreferenten 
im Ministerium Dr. G. Heider und dem Pro- 
fessor R. von Eitelberger bestand. 
Das Komitee entledigte sida seiner Aufgabe mit 
großer Raschheit und Entschiedenheit. Nach 
einer Reihe von eingehenden Beratungen wur- 
den die Statuten vollendet und Sr. Majestät 
dem Kaiser zur Genehmigung vorgelegt. Schon 
am 31. März desselben Jahres 1863 wurden die 
Statuten des Museums genehmigt und das Ko- 
mitee unter Bezeugung der allerhöd-isten Zu- 
friedenheit aufgelöst. 
Mittels Handschreibiens vom 31. März wurde 
Herr E. H. Rainer zum Protektor des Mu- 
seums, Professor R. v. Eitelberger zum Direk- 
tor und der fürstlich-liechtensteinsche Biblio- 
thekar J. Falke, der auf die Feststellung des 
Systems der Sammlungen einen maßgebenden 
Einfluß genommen hatte, zum ersten Kustos 
und Direktorstellvertreter ernannt. 
Als provisorisdies Gebäude wurde dem Mu- 
seum das kaiserliche Ballhaus am Ballhausplatz 
in der Nähe der Hofburg angewiesen, und die 
Vorbereitungen wurden mit S0ld18f Energie be- 
trieben, daß bereits am 31. Mai 1864 das neu- 
gegründete Museum in dem provisorischen Ge- 
bäude dem Publikum eröffnet werden konnte. 
An die systematisdaen Sammlungen aus allen 
Gebieten der Kunst und Industrie reihte sich 
eine Ausstellung von Gegenständen der moder- 
nen Kunstindustrie an, welche jedermann un- 
entgeltlich beschicken konnte, - eine Begün- 
stigung, welche in solcher Allgemeinheit nir- 
gends in der Welt gewährt wird. 
Um mustergültige Werke der Kunst und Kunst- 
industrie in erhöhtem Grade den Sdiulen zu- 
gänglida zu madaen, wurden von Anfang an 
mit dem Museum eine Gipsgießerei und ein 
fotografisches Atelier in Verbindung gebracht. 
Es wurde bei Gründung des Museums die mög- 
lichste Freiheit in der Benutzung der Samm- 
lungen von seiten des Publikums zum Grund- 
satz erhoben. Die Anstalt ist, mit Ausnahme 
des Montags, täglidi dem Publikum eröffnet, 
und zwar dienstags und mittwochs gegen mä- 
ßiges Eintrittsgeld, während der übrigen Tage 
unentgeltlich. 
Es wurden Spezialkataloge angelegt für Biblio- 
thek, Ornamentstichsammlung und die Webe- 
reisammlung und in den „Mitteilungen des Mu- 
seums" ein Organ geschaffen, welches bestimmt 
ist, dem Publikum über alle das Museum be- 
treffende Angelegenheiten Aufschluß zu geben. 
Da es sich darum handelt, nid-it bloß das pro- 
duzierende Publikum, sondern aud1 das kon- 
sumierende für die Aufgaben des Museums zu 
interessieren und es über die Fragen der Kunst, 
der Kunstindustrie und Kunsttedmik sowie 
über nationalöltonomische Fragen zu belehren, 
wurden während der Wintersaison jeweils am 
Donnerstag jeder Wod-ie Vorlesungsabende in- 
szeniert, in welchen das Publikum die hervor- 
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ragendsten Fadugelehrten zu hören Gelegenheit 
hatte. 
Die außerordentlid-re Raumbesdiränkung in den 
gegenwärtigen Räumen am Ballhausplatz und 
die zunehmende Bedeutung, weldie das österrei- 
chische Museum im Laufe der wenigen Jahre 
seines Bestehens gewonnen hatte, veranlaßten 
das Kuratorium, an den vom Beginn an in 
Aussicht genommenen Bau eines neuen, eigens 
dem Zwecke dienenden Gebäudes ernstlich zu 
denken. Durch die allerh. Gnade Sr. Majestät 
des Kaisers wurde der Platz an der Ring- 
straße bei der Stubentorbrücke - welcher ge- 
wissermaßen die Fortsetzung des Stadtparkes 
bildet - diesem Zwecke großmiitigst gewid- 
met. Die freie Lage an der belebtesten Straße, 
weldie niemals durch Bauten beschränkt wer- 
den kann, macht denselben für den vorliegen- 
den Zweck besonders geeignet. 
Architekt Heinrich Ritter von Ferstel erhielt 
bereits im Jahre 1866 den Auftrag zur Anfer- 
tigung eines Planes, WCld19f die Genehmigung 
des Kuratoriums erhielt. Die Aufnahme der im 
Jahre 1867 gegründeten, mit dem Museum ver- 
bundenen Kunstgewerbeschule in dasselbe Ge- 
bäude hatte eine Vergrößerung und Modifika- 
tion des Planes zur Folge, welcher sodann im 
Jahre 1868 die allerh. Sanktion Sr. Majestät 
des Kaisers erhielt. 
Der Bau wurde 1868 in Angriff genommen und 
wird am 4. November 1871 im Beisein der 
allerhöchsten Gründer des Museums die feier- 
liche Schlußsteinlegung unter gleichzeitiger Er- 
öffnung einer Ausstellung moderner Kunstin- 
dustrie erfolgen. 
ERLAUTERUNGEN ZUM PLAN 
Die Anlage war bedingt durch die Aufgabe, 
eine zusammenhängende Reihe geräumiger, gut 
erleuchteter Räume zu Ausstellungszwecken zu 
gewinnen. - Je nadi der Natur der Gegen- 
stände konnten dies größere und kleinere 
Räume sein, und es führten diese Bedingungen 
dazu, daß sowohl Oberlidit als auch Seitenbe- 
leuchtung zur Anwendung kam. Neben den 
Ausstellungslokalen mußte das Gebäude für 
die Zwedte des Museums die Kanzlei des Di- 
rektors, einen Vorlesesaal, eine große Biblio- 
thek, einen Lese- und Zeichensaal, eine Gips- 
gießerei und ein fotografisches Atelier enthalten. 
Die in demselben Gebäude unterzubringende 
Kunstgewerbeschule erforderte außerdem einen 
großen und mehrere kleine Räume für die Vor- 
bereitungsschüler, dann vier geräumige Räume 
für die vier Fad-isdiulen samt zugehörigen Ate- 
liers der Professoren. 
Nach diesen Anforderungen ergab sich die An- 
lage eines zweigeschossigen Baues auf einem um 
sechs Fuß über dem Straßenniveau erhöhten 
Souterrain; ferner auf den Mittelbau noch ein 
weiteres Stodtwerk sowie an den Eckbauten 
die Anlage von Halbgeschossen, welche einer- 
seits zur Erhöhung des ersten Stodswerkes, an- 
dererseits als selbständiges Gesdnoß in Verwen- 
dung kommen sollten. 
Das erhöhte Erdgeschoß ergab sich hierbei als 
der geeignetste Platz für die Ausstellungsräume, 
während die eine Hälfte des ersten Stodses den 
Vorlesesaal, die Bibliothek und den Zeidnen- 
saal, die andere Hälfte drei Fadasdiulen und 
die Kunstgewerbeschule aufzunehmen bestimmt 
sind und die partiell aufgesetzten zweiten 
Stockwerke die Vorbereitungsschule, die 
gewerbesdiule und die Wohnung des Dii 
enthalten. Das Souterrain enthält an tii 
legten Lichthöfen die vierte Fadisdiu 
Bildhauer und die Gipsgießerei, dann 
mige Depots und eine Dienerwohnun; 
Räume für Kanzleien sind sowohl im 
schoß als auch im ersten Stodt zwedtmäß 
teilt, in welch letzterem auch der Sitzui 
des Kuratoriums und das Büro des Di 
sind. 
Durch die Bestimmung der Räume und 
Bedeutung ist das Parterre als das Hz 
schoß des Baues gekennzeichnet. Als solr 
dasselbe auch im Äußern durch seine 
werkshöhe und die großen Fenster daar 
siert. An den vom Vestibül zugängige 
Glas gededtten Arkadenhof im Zentru 
ganzen Baues grenzen zu beiden Seiten, 
Längenachse aneinandergereiht, Oberlicht 
Diese drei durch Oberlicht erhellten, für 
Ausstellungsgegenstände bestimmten Räu 
den gewissermaßen den Kern, um W8ld1 
rings herum die Ausstellungsräume mit 
licht gruppieren, derart also, daß sich a 
durch den Arkadenhof gebildeten Mi 
beiderseits dreitraktige Seitenbauten ar 
ßen, welche an den Enden durch einfl 
Edsbauten abgeschlossen werden. Auf 
Weise ist das Erdgeschoß in seiner g 
Ausdehnung vollkommen für Ausste 
zwedte ausgenützt; es sind Räume vo 
schiedener Größe und Beleuchtungsart, 
der Zwedr eben fordert, gewonnen, un 
selben sind untereinander in den einer 
matischen Aufstellung entsprechenden I 
menhang gebracht. An der Rückseite d4 
ßen Hofes ist die den drei mittleren Ar 
achsen in ihrer Gesamtbreite entspre 
Hauptstiege angeordnet, welche nur i 
ersten Stock führt, während die an der 
Seite des Vestibüls gelegene sogenannte 
stiege alle Geschosse untereinander ver 
Die in der Eingangsachse liegenden, di 
bindung vermittelnden Bauteile, das V4 
der quadratisdie Arkadenhof und die 1 
treppe, bilden ein durdn die Arkaden v 
denes Ganzes, welches sidi in höherem 
als die übrigen Bauteile zur Lösung ein 
diitektonischen Problems eignet und w 
auch eine bevorzugte Durdibildung zugei 
wurde. 
Die großen Dimensionen der Ausstellung: 
erforderten audi große Profilhöhen, dal 
jedes der beiden Hauptgeschosse eine Hö 
beiläufig 24 Fuß angenommen wurde 
KONSTRUKTION 
Die Bedingung eines vollkommen feuc 
ren Abschlusses der Ausstellungsräume 
dahin, die Langsäle einzuwölben und di 
wie die Oberliditsäle von dem Arka 
durch eiserne Türen abzuschließen. Alle l 
des Erdgeschosses haben eisenbesdilagen 
ken. 
Der Arkadenhof sowie die beiderseitigen 
lichtsäle haben Glasdächer in Verbindu 
einer zweiten, die Dedse der genannten 
bildenden Oberlidntkonstruktion, also dm 
Glasdeckung, womit der Heizbarkeit sän 
Räume Rücksicht getragen ist. 
Bei vorzüglicher Konstruktion war dot
	        
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