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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVI (1971 / Heft 119)

Aus dem Kunstleben 
 
Galerie Schottenring - 
Tendenzen österreichischer 
Kunst 70171. Theo Braun 
Zeitgemäße Kunstförderung in 
Verbindung mit einer noblen 
lmagewerbung bestimmen zu einem 
wesentlichen Teil die Intentionen der 
von der Ersten österreichischen 
Spar-Casse als Nachfolgerin der 
ehemaligen Galerie Neutargasse 
gegründeten Galerie Schottenring. 
Knapp vor dem Sommer wurden die 
von Architekt Wölfle heutigen 
Ausstellungserfordernissen denkbar 
kongenial angepaßten Räumlichkeiten 
mit einer aktuellen Gruppenschau 
unter dem Titel „Tendenzen 
österreichischer Kunst 7017i" eröffnet. 
Als Ergänzung zu den übrigen 
Expositionen der Wiener Festwochen 
bot die Ausstellung einen knappen, 
doch ausreichenden Überblick über 
einige der wichtigsten künstlerischen 
Absichten der Generation bis 40. Zu 
diesem Zweck wurden Arbeiten von 
l7 Künstler fast aller österreichischen 
Bundesländer vereint und in primär 
zwei dominierenden Tendenzen 
einander gegenübergestellt; in 
Beispielen einer stark abstrahierenden 
figurativen Malerei, die durch Namen 
wie Peter Bischof, Jürgen Messensee, 
Heinz Stangl, Helmut Krumpel und 
Adolf Frohner charakteristisch 
repräsentiert wurde, und in ähnlich 
ausgeprägten Beispielen der 
Obiektkunst. Die letztgenannte 
Gruppe wurde durch iüngst 
entstandene Arbeiten von Jörg 
Schwarzenberger, Cornelius Kolig 
(erstmalig auch eine Wasserplastik), 
Bernd Klinger, Fritz Steinkellner, Josef 
Bauer und Ruppert Klima bestimmt. 
Bruno Gironcoli, neben Arnulf Rainer 
offizieller österreichischer 
Biennalekandidat für Sao Paulo, war 
mit einem graphisch überaus 
bemerkenswerten „Entwurf für ein 
Wiesenobiekt" mit von der Partie. 
Der sogenannten „abstrakten Kunst" 
waren in den „Tendenzen 70l7l" die 
mit äußerster Sensibilität gemalten 
Meditationen von Uta Prantl, die trotz 
ihrer formalen Ausgewogenheit und 
zurückhaltenden Farbigkeit 
spannungsgeladenen „Pole" von 
Robert Lettner, die auf Grund alltägli- 
cher Beobachtungen (Fußgängerver- 
halten) gleichsam statistisch erstellten 
Arbeiten von Hermann Painitz, die in 
ein leicht ironisierendes Vokabular 
geometrischer Strukturen umgesetzte 
„Berglandschaft" von Drago J. Prelog 
sowie die dazu ergänzend gezeigten 
farbigen Siebdrucke des bereits 
erwähnten Kärntners Fritz Steinkellner 
zuzurechnen. 
Die Galerie, die iährlich fünf bis 
sechs größere Expositionen plant, 
setzte ihr Programm im Herbst mit 
einer Kollektive von Theo Braun fort. 
Die klar gegliederte Schau umfaßte zu 
zwei Drittel neue Ulbilder, die durch 
insgesamt zehn Eisenradierungen und 
mehrere im Tiefziehverfahren 
hergestellte Multiples ergänzt wurden. 
Obwohl sich die Ausstellung zur 
Gänze auf die Schatfensphase van 
1969 bis heute konzentrierte und auch 
daraus nur einen - vor allem zur 
Graphik - verhältnismäßig kleinen 
Ausschnitt zeigte (37 Exponate 
insgesamt), vermittelte sie dennoch 
ein breites Spektrum iener 
44 
bildnerischen Aspekte, die als 
vorläufiges Endergebnis einer 
folgerichtigen Entwicklung den 
Künstler gegenwärtig beschäftigen. 
Zum Unterschied von früheren 
Perioden, die unter Wahrung nicht 
geringerer Eigenständigkeit 
wesentliche Bindungen zum 
Action-Painting und einem später 
eher lyrisch bestimmten lnformel 
aufwiesen, sind Brauns neue Arbeiten 
der Geometrischen Abstraktion 
zuzuordnen. Sie besitzen allerdings 
weder die Nüchternheit noch die 
gewollte Sachlichkeit der reinen 
Konstruktivisten, verfügen dafür 
iedoch auf Grund einer sehr 
eigenständigen Farb- und Formenwahl 
über ein fast poetisch zu nennendes 
Fluidum. Für diese Ausstrahlung sind 
nicht zuletzt der bewußt nuancenreiche 
Farbauftrag und Pinselduktus 
maßgebend, der oft in stärkerem 
Kontrast zu ienen flöchigen Partien 
steht, die keinerlei oder nur eine 
geringe Vibration der Oberfläche 
erkennen lassen. 
Ausschlaggebend für die formale 
Harmonie der Arbeiten ist neben der 
Sensibilität und einer tatsächlich 
schöpferischen Routine des Künstlers 
oudi die Tatsache der wiederholten 
Verwendung gleicher beziehungsweise 
einander ähnlicher und ergänzender 
Formen. Folgerichtig betitelt Braun 
daher auch ein Gros seiner Werke 
als „Mutationen", als bildnerische 
Veränderungen innerhalb eines freien 
Systems. Diese Mutationen basieren 
bei den Farbradierungen auf der ' 
Verwendung selbst vorgefertigter 
Plattenelemente, die auf Grund 
ieweils neuer Stellungen und 
Einfärbungen neue Kompositionen mit 
allen Vorzügen exakt kalkulierter 
formaler Spannung und eines ebenso 
gewollten Spannungsausgleiches 
ergeben. Die somit erreichte 
bildnerische Variationsbreite und 
Flexibilität verfügt mit der Wahl des 
Formenvokabulars, mit der 
Bestimmung einzelner Elemente und 
Elementgruppen über eine 
bedeutende Konstante, an der sich 
bildnerische Qualität und 
Eigenständigkeit der Werke ebenso 
messen lassen wie an dem vorwiegend 
intuitiv erfoßbaren Stimmungsgehalt, 
der auch geometrisch-abstrakten 
Kompositionen nicht abzusprechen ist. 
Kunst erweist sich somit auch im Falle 
dieses Malers als eine Frage kluger 
Beschränkung und einer in sich 
logischen Bildökonomie (Abb. 1-5). 
Galerie Ariadne - 
Joannis Avramidis. 
Kurt Moldovan 
Mit gewohnt guter Qualität wartete 
auch zuletzt die Galerie Ariadne auf. 
Nach einer Schau von Plastiken und 
Zeichnungen des an der Wiener 
Akademie der bildenden Künste 
lehrenden Bildhauers Joannis 
Avramidis folgten skurrile Figurationen 
des nicht weniger prominenten und 
ausgeprägten Zeichners Kurt 
Maldovan; das wohlüberlegte, 
wohlproportianierte Maß des auch 
zur Graphik hin tendierenden 
figurativen Bildhauers wurde durch die 
temperamentgeladenen Blätter des 
'l9l8 geborenen Wiener Graphikers 
und Aquarellisten mit beinahe schon 
legendärer Art-Club-Vergangenheit 
abgelöst. 
Als sensibler und zugleich 
humorvoller, bissig zupackender, aber 
auch charmant charakterisierender 
Zeichner besitzt Moldovan ein denkbar 
kangeniales Verhältnis zu einigen 
bestimmten Themenkreisen, die er 
zumeist in umfangreicheren Zyklen 
erarbeitet und abwandelt (Cortez in 
Mexiko", „Alice im Wunderland" 
usw.). Maldovans Zirkuszeichnungen 
standen abermals in Verbindung mit 
einer Buchpremiere, brachte doch der 
Verlag Schroll, Wien-München, einen 
sehr schön gedruckten Bildband 
desselben Themas mit einem 
angeschlossenen Guvreverzeichnis 
heraus. Maldovans spritzig-lebendige 
Schwarzweißzeichnungen machten 
auch diesmal keine grundsätzlich 
neue Charakteristik notwendig, 
erfreuten und beeindruckten den 
Betrachter iedoch nichtsdestoweniger 
durch jene geradezu ideal zu 
nennende Balance von graphischer 
Freizügigkeit und bildnerischem Halt, 
die schon seit langem die ideen- und 
assaziationsreichen Blätter fernab von 
Modetrends zu höchstpersänlichen 
und zweifellos auch wertbeständigen 
Zeugnissen innerhalb der mit espritge- 
ladenen Zeichnern seiner Art nicht ge- 
rade gesegneten österreichischen 
Kunstszene machen (Abb. 6, 7). 
Secession - Hirtenteppiche, 
Malerei und Plastik der Laien 
und Autodidakten 
Unter den vielen Ausstellungen der 
Secession registrierte man zuletzt 
auch einige ausgesprochene 
Außenseiter. Darunter fiel auch die 
kleine Schau äthiopischer 
Hirtenteppiche, die eine Art 
Europapremiere darstellte. 
Die stark ornamental geprägten, aus 
vällig naturbelassener Wolle in 
harmonisch kontrastierenden Braun- 
Schwarz-Tönen gehaltenen Teppiche 
werden - in verhältnismäßig geringer 
Anzahl - von einem kleinen 
Hirtenvolk aus dem Hochland 
Äthiopiens hergestellt. Sie sind 
inzwischen unter dem Namen 
Kordofan bekannt und vor allem bei 
den Freunden moderner Kunst und 
ursprünglicher Folklore zu einem 
begehrten Sammelobiekt geworden. 
Ausschlaggebend für die Qualität und 
den Reiz der erstaunlich preisgünstigen 
Arbeiten, die nicht selten 
ausgesprochenen Bildcharakter 
haben, ist die gelungene 
Übereinstimmung von geometrisch- 
abstrakter Ornamentik, traditioneller 
Farbgebung und der Herbheit des 
gewählten Materials. 
Ebenfalls ungewöhnlich war auch die 
von Robert Schmitt für den 
Österreichischen Gewerkschaftsbund 
zusammengetragene große 
Gemeinschaftsausstellung mit 
Malereien, Graphiken und plastischen 
Arbeiten der vorwiegend durch 
Zeichen- und Malkurse des UGB 
betreuten Laien und Autodidakten. 
Mit Recht lenkte das Gesamtresultat 
dieser Bemühungen die 
Aufmerksamkeit einer breiteren 
Öffentlichkeit auf dieses im 
allgemeinen zuwenig beachtete und 
immer wieder falsch beurteilte Gebiet 
künstlerischer Betätigung. Ein 
aufwendig dokumentierender, gut 
geschriebener Katalog konfrontiert 
über die Laufzeit der Ausstellung 
hinaus die Vielzahl an technischen 
und stilistischen Möglichkeiten, in 
denen sich Arbeiter, Angestellte, 
Lehrer und Lehrlinge, Pensianisten, 
Handwerker und auch so mancher 
Akademiker in ihrer Freizeit 
künstlerisch versuchen. 
Von diesen Werksproben der reinen 
Freizeitkünstler ist das Schaffen der 
Autodidakten insofern abzugrenzen, 
als bei den Letztgenannten in der 
Regel eine echte Berufung zur Kunst 
vorliegt, der neben dem ernährenden 
Hauptberuf durch intensive Selbst- und 
Weiterbildung nachgekommen wird. 
Viele dieser Autodidakten, die in der 
bereits erwähnten Galerie eine erste 
Starthilfe bekamen, haben sich 
inzwischen in der Kunstöffentlichkeit 
einen guten Namen gemacht, wurden 
Mitglieder von Künstlervereinigungen 
und stellen in- und außerhalb 
Usterreichs mit Erfolg aus. Hubert 
Fischlhammer, Karl Anton Fleck, 
Rudolf Janisch, Franz Reiter, Gerlinde 
Wurth oder Ernst Zdrahal wären hier 
stellvertretend zu nennen. 
Unter den Ausstellungen ausländischer 
Künstler sei vor allem auf dieienige 
unter dem Sammeltitel „Linie" 
verwiesen. Sie umfaßte schwarzweiße 
und farbige Zeichnungen der 
Deutschen Hartmut Friedrich, Leiv 
Warren Donnan, Arwed D. Gorella, 
Joachim Hämmerle, Wolf Heinecke, 
Max-Peter Näher, Joachim Palm, 
Sibylle Schlageter und Rudi Träger. 
Mit einigen plastischen Arbeiten 
sowie Klebebildern, Gouachen, 
Siebdrucken und Werkskizzen stellte 
man zum Herbstauftakt den 
berühmten englischen Bildhauer 
Eduardo Paolozzi notgedrungen 
fragmentarisch, doch 
nichtsdestoweniger mit ausreichendem 
lnformationswert, vor (Abb. ß-lO). 
Galerie im Griechenbeisl - 
Künstler aus Ungarn und Finale 
Der Geametrischen Abstraktion zuzu- 
ordnen sind iene sechs ungarische 
Künstler, die als eine der letzten 
Expositionen vor der im September 
verkündeten -- temporären? - 
Schließung der überaus verdienstvollen 
Galerie am Fleischmarkt ll zu sehen 
waren. Ihre Werke beruhen zum über- 
wiegenden Teil auf Erkenntnissen des 
bereits historischen ungarischen Kon- 
struktivismus (Laios Kassäk, Laszlo 
Moholy-Nagy) beziehen aber auch 
gelegentliche Anregungen aus den 
stilistischen Merkmalen der heute mehr 
denn ie geschätzten osteuropäischen 
Volkskunst. Die zur Avantgarde zäh- 
lenden Vertreter der Gegenwartskunst 
unseres Nachbarlandes (lmre Bak, 
Janas Faio, Tamas Hencze, lstvan 
Nadler, Gyula Pauer und Endre Tot) 
vereinen in ihren durchwegs großzügig 
konzipierten Werken nicht nur grund- 
sätzlich ähnliche und in vielem überein- 
stimmende bildnerische Überlegungen 
in Richtung Minimal- bzw. Op-Art, 
sondern gehören audt als Angehörige 
der Geburtsiahrgänge 1937 bis 194i 
altersmäßig einer Generation an. Eine 
bemerkenswerte Ausstellung, die nid-it 
zuletzt auch deshalb Aufmerksamkeit 
verdiente, weil es sich dabei überhaupt 
um die erste Avantgardeausstellung 
ungarischer Künstler im Westen 
handelte (Abb. ll, 12). Peter Baum
	        
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