Buchbesprechungen
Pevle Vasic:
„Dimitrije Avramavid".
Veröffentlichung der Serbischen
Akademie für Wissenschaft und
Kunst, Belgrad 1970 (in eerba-
kroatischer Sprache. mit
vollinhaltlicher Übersetzung
in: Französische), 292 Seiten.
Mit diesem Buch, dem kleinere
monographisdre Veröffentlichungen
des Verfassers zu dem Thema
vorausgingen, ist dieser eigenartigste
unter den iugoslawisdren Malern der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts,
Dimitriie Avramovic (1815-1855), nun
leichter zugänglich gemacht. Einem
umfangreichen Textteil ist ein
Verzeidinis der Malereien, der
Zeichnungen - wohl in Auswahl -
und der Lithographien (Karikaturen)
angeschlossen. Im Abbildungsteil
kommen die Gemälde und
Wandmalereien an Zahl wie in der
Qualität der Reproduktionen
gegenüber den Zeichnungen leider zu
kurz. Der kurze Lebensgang des
Malers ist ausführlich geschildert: die
Lehrzeit an der Wiener Akademie
während der zweiten Hälfte der
dreißiger Jahre, die Berufung nach
Belgrad 1840 und von da an der
Aufenthalt in Serbien, 1847 eine Reise
zum Berg Athos. In den frühen
vierziger Jahren entstand die
malerische Ausschmückung der
Metropolitankirche von Belgrad
(Wandbilder und lkonostasis), die von
Anfang an als Hauptwerk des Malers
eingeschätzt wurde. Nach dem
äußeren Umfang macht die religiöse
Malerei tatsächlich den größten Teil
des Gesamtwerks aus, als künstlerisdie
Leistung ist sie von der typischen,
durchschnittlichen Gattung des
späten Nazarenertums. Vorbild war
nachweislich Kupelwieser, sicherlich
auch Führidr. Nur wenig von per-
sönlicher Eigenart ist da feststellbar,
auch kaum etwas von der malerisd-ien
Qualität in einzelnen Bildnissen. Eine
Anzahl von Kopien aus der Wiener
Akademiezeit, nach klassisdten
Meisterwerken in den Wiener
Museen und nach Bildern von
Amerling - fünfzehn solcher Kopien
nach Amerling sind erhalten -, zeigen
das Interesse für eine ausdrüddidr
malerisdie Gestaltungsweise. Soweit
erscheint Avramovic als typisch für
eine Gattung von Malern aus den
osteuropäischen Ländern, die nach
dem Vorbild der westlichen Kunst
arbeiteten und im Kunstzentrum Wien
der Malerei des Biederrneiers, des
ausklingenden doktrinären
Klassizismus und der religiösen
Romantik nachstrebten. Wesentlicher,
eigenartiger und wertvoller dagegen
ist im Werk Avramovics eine Reihe
von Bildnissen, die, anspruchsloser im
malerischen Vortrag, in vollem
Gegensatz zu ienem Eklektizismus mit
seiner blassen ldealisierung stehen.
Mit einem gedämpften Realismus ohne
idealisierende Verschönerung, mit
einem gerade noch hinreichenden Maß
an malerischer Form sind diese
Menschenbilder ausgestattet. Diese
Bescheidenheit in der Formung wird
als Bescheidenheit im Sinne
menschlicher Qualität empfunden und
ist derart gewiß ein Grenzfall. Es
kommt darin aber audt etwas von der
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allgemeinen Haltung rzum Thema
Mensch im 19. Jahrhundert zum
Ausdruck. Dieser unprätentiöse
Realismus, der mitunter auch Züge der
Volkskunst aufweist, tritt in ienen
Jahren um die Jahrhundertmitte
übrigens auch in der Porträtmalerei
des Westens auf, so in den Bildnissen
des Hamburgers Friedrich Wasmann
und des Wieners Midwael Neder. In
Jugoslawien ist er außer bei
Avramovic auch nodi in der Malerei
von Diura Jaksic und Konstantin Danil
zu finden. Es ist einleuchtend, daß in
solchen Bildnissen, so wie in analogen
Fällen in der Malerei Ungarns und
der Slowakei, auch Merkmale des
spezifisch Volkstümlichen
mitsprechen. Bei Avramavic treten
sie übrigens auch im mehr oder
weniger gespielten Primitivismus
seiner lithographierten Karikaturen
zutage. Es sdieint, daß die Eigenart
dieser Produkte, soweit es die Malerei
betrifft, auch in ihren eigenen
Ländern im Vergleich zur „offiziellen"
Malerei noch nicht immer richtig
eingeschätzt wird. Fritz Novotny
Nicalö Rasma. Michael Facher-
Verlag G. H. Back, München. und
Electa Editrice, Mailand.
Übersetzung von Adelheid von
Zallinger. 262 Seiten mit 176
Schwarzweißabbildungen und
20 Farbtafeln nach Aufnahmen
von Bruno Balestrini,
Format 29x26 cm.
Die neue, 1969 bei Beck erschienene
Facher-Monographie Nicolö Rasmos
führt dem Leser die Persönlichkeit
dieses großen Künstlers des
15. Jahrhunderts durchaus in einer
neuen Auffassung vor, wie denn
dieses Jahrhundert gleichermaßen
der Epoche der deutschen Spätgotik
angehört, als auch als italienisches
Quattrocento die Maßstäbe der
Kunstbetrachtung bestimmen kann. Es
war das Anliegen des Autors, das
Werk Pachers aus dem Bereidi
nationaler Einordnung zu lösen, um es,
das in der Literatur vor allem als
Leistung der deutschen-tirolisctren
Malerei und Bildschnitzkunst
erscheint, als ein internationales, im
direkten Wortsinn zwischennationales
Phänomen zu zeigen. Wenn auch diese
Auffassung möglicherweise auf
Bedenken stoßen könnte, so ist es
dem Autor doch hoch anzurechnen,
daß seine Bemühung, den Künstler in
dieser herausgehobenen historischen
Situation zu begreifen, zugleidt die
vollständig verwirklichte Absicht
bedeutet, seine Schöpfungen als nach
beiden Seiten hin überragende
Leistungen darzustellen; das
Phänomen der Padterschen Kunst
erscheint demnach sowohl vor den
nördlichen - deutschen - als auch den
südlichen - italienischen -
Zeitgenossen gleichermaßen und bei
allen Bindungen nach beiden Seiten
hin als ein besonderer und
eigenständiger Höhepunkt und
gleichsam als Knotenpunkt der
künstlerischen Strömungen.
Dementsprechend gewinnt in der
Darstellung Rasmos die Persönlichkeit
des Meisters an Größe und
unbedingter, geradezu abgrundweiter
Überlegenheit über die übrigen
Künstler densüdtirolisctren
Kunstlandschaft.
ln der Auseinandersetzung mit
italienischen und deutschen und
niederländischen Vorbildern erscheint
der Entwidclungsgang des Künstlers
von Anfang an als der einer starken
selbständigen Individualität. Rasmo
setzt an den Anfang des erhaltenen
Werkes die Grazer Tafeln, die er in
die zweite Hälfte der fünfziger Jahre
dotiert. Der Autor erkennt hier den
Niederschlag der Kenntnisse der
paduanisdren Werke Filippo Lippis
und Pizzolos, hiemit eine
Auseinandersetzung mit toskanischer
Kunst, die noch vor einem möglichen
vermittelnden Einfluß Mantegnas
erfolgt ist. Bei der Analyse dieser
Werke ist es Rasmo zweifellos
gelungen, das Verhältnis Pachers zur
italienischen Kunst in einer
wesentlidr differenzierteren Weise
darzulegen, als dies früher betrachtet
wurde. Der Rezensent möchte aber
auch nicht verhehlen, daß ihm die so
frühe Dotierung der Grazer Tafeln
aus anderen Gründen - vor allem in
Ansehung der Tracht der
Dargestellten, der wiedergegebenen
Harnischteile usw. - nicht frei von
Bedenken geblieben ist. Überzeugend
ist die zeitliche Anordung des Altares
von St. Lorenzen an den Anfang der
sechziger Jahre; die Schreinfigur der
thronenden Madonna und die Bilder
des Marienlebens beweisen deutlich
den Eindruck, den Multschers
Sterzinger Altar gemacht hat,
während die Laurentiusbilder in ihrer
Bindung an italienische Erfahrungen
des Meisters wesentlich
fortschrittlicher wirken. Noch der
Darlegung des Autors erreicht Facher
die Einheit von südlicher und
nördlicher Kunstsprache in seinen
Houptwerken, die in den siebziger
Jahren entstanden sind. An deren
Anfang ist in überzeugender
Darlegung des Autors der Grieser, an
deren Ende der St. Wolfganger Altar
zu datieren, während der
Kirdienväteraltar - um 1477I1479
angesetzt - den chronologischen
Mittelpunkt und den Höhepunkt des
malerisd1en Schaffens einnimmt. Die
fortgeschrittene Behandlung des
Räumlidien im St. Wolfganger Altar
hat den Autor bewogen, den
Kirdrenväteraltar noch vor die St.
Wolfganger Tafeln zu datieren, eine
durchaus begründete Korrektur der
herkömmlichen Chronologie.
Es ist das besondere Anliegen des
vorliegenden Buches, das schwierige
Problem der zweifellos vielgliedrigen
Padier-Werkstatt in genauer
Untersuchung vor allem des großen
und in seiner ursprünglichen Gestalt
erhaltenen St. Wolfganger
Altarwerkes zu lösen. Hier erweist
sidr die Kritik Rosmos rigoroser als
dieienige der früheren Autoren; die
Zielsetzung der Analyse geht dahin,
nicht nur die persönliche Bilderfindung
des Meisters zu klären, sondern
womöglich auch die eigenhändige
Pinselarbeit von dem Anteil der
anderen Werkstattmitglieder zu
unterscheiden, deren ausführende
Hand Rasmo nicht nur in den
Außenflügeln, wie es bis ietzt
allgemeine Meinung ist, sondern auch
in einigen der Kompositionen r
lnnenflügel feststellt. Die mit g
Schärfe dargelegte Untersudru
beiden Flügelbilder des ehema
Salzburger Altares führt Rasmi
(noch Meinung des Rezensente
vielleicht etwas zu rigorosen)
Untersdreidung des vollständig
eigenhändigen Bildes der Geif
von dem mit Beteiligung eines
Mitarbeiters gesdiaffenen Bildi
Vermählung Mariae.
Der Autor ist bei der Analyse I
Leistungen der Padrer-Werksta
nur zu der reinen Herauslösung
eigenhändigen Schöpfungen dr
Schuloberhauptes gelangt, soni
auch zu einer genaueren Erfas:
der Eigenart einiger in ihrer
Ausdrucksweise charakteristiscl
Mitarbeiter: Sa sind mehrere
Schöpfungen, die zwar Michae
sehr nahestehen, ohne doch dir
feineren Eigenheiten seiner
persönlichen Handschrift zu ze
einem hypothetischen (Zuvre d
Facher zusammengefaßt worde
eigener Abschnitt des Buches i:
der Frage des Verhältnisses vi
Michael und Friedrich Portier,
Rasmo als einen durchaus infe
von dem Schulaberhaupt obhär
Künstler erkennt und dem Meis
Uttenheim gewidmet, dessen Pr
in der Erfassung des perspeklii
konstruierbaren Raumbildes Rc
bestreitet. Gerade die Problemt
von der Dotierung der Werke i
letztgenannten Malers ausgeht,
dem Autor Gelegenheit zu eine
ausführlichen Polemik, die miti
Argumenten geführt wird und r
der unerwartet scharfen DlktlOi
yielleicht nicht bedurft hätte. M
Schwarzweißaufnahmen und
20 Farbtafeln nadi Aufnahmen
Bruno Balestrini [Electa Editricr
der Fantonigrafica, Venedig) is
Buch sehr gut ausgestattet, so i
wissenschaftlich fundierte und i
Ausdrudrsweise klare und gescl
Darstellung audt entsprechend
eindrucksvoll dem Leser dargel
wird. Günthe
ElNGELANGTE BÜCHER
Antonio Garcia y Bellido, lber
Kunst in Spanien, 95 Seiten Tex
175 Abbildungen, 123 Kunstdrui
Ganzleinen mit farbigem
Schutzumschlag.
Florian Kupferberg-Verlag, Mc
1971, DM 4a.-.
Susanne Urbach, Frühniederlän
Tafelbilder, 30 Seiten Text,
4B Farbtafeln, Leinen mit farb
Schutzumschlag. Corvina Verla
Budapest, 1971.