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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVI (1971 / Heft 119)

Buchbesprechungen 
 
Pevle Vasic: 
„Dimitrije Avramavid". 
Veröffentlichung der Serbischen 
Akademie für Wissenschaft und 
Kunst, Belgrad 1970 (in eerba- 
kroatischer Sprache. mit 
vollinhaltlicher Übersetzung 
in: Französische), 292 Seiten. 
Mit diesem Buch, dem kleinere 
monographisdre Veröffentlichungen 
des Verfassers zu dem Thema 
vorausgingen, ist dieser eigenartigste 
unter den iugoslawisdren Malern der 
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, 
Dimitriie Avramovic (1815-1855), nun 
leichter zugänglich gemacht. Einem 
umfangreichen Textteil ist ein 
Verzeidinis der Malereien, der 
Zeichnungen - wohl in Auswahl - 
und der Lithographien (Karikaturen) 
angeschlossen. Im Abbildungsteil 
kommen die Gemälde und 
Wandmalereien an Zahl wie in der 
Qualität der Reproduktionen 
gegenüber den Zeichnungen leider zu 
kurz. Der kurze Lebensgang des 
Malers ist ausführlich geschildert: die 
Lehrzeit an der Wiener Akademie 
während der zweiten Hälfte der 
dreißiger Jahre, die Berufung nach 
Belgrad 1840 und von da an der 
Aufenthalt in Serbien, 1847 eine Reise 
zum Berg Athos. In den frühen 
vierziger Jahren entstand die 
malerische Ausschmückung der 
Metropolitankirche von Belgrad 
(Wandbilder und lkonostasis), die von 
Anfang an als Hauptwerk des Malers 
eingeschätzt wurde. Nach dem 
äußeren Umfang macht die religiöse 
Malerei tatsächlich den größten Teil 
des Gesamtwerks aus, als künstlerisdie 
Leistung ist sie von der typischen, 
durchschnittlichen Gattung des 
späten Nazarenertums. Vorbild war 
nachweislich Kupelwieser, sicherlich 
auch Führidr. Nur wenig von per- 
sönlicher Eigenart ist da feststellbar, 
auch kaum etwas von der malerisd-ien 
Qualität in einzelnen Bildnissen. Eine 
Anzahl von Kopien aus der Wiener 
Akademiezeit, nach klassisdten 
Meisterwerken in den Wiener 
Museen und nach Bildern von 
Amerling - fünfzehn solcher Kopien 
nach Amerling sind erhalten -, zeigen 
das Interesse für eine ausdrüddidr 
malerisdie Gestaltungsweise. Soweit 
erscheint Avramovic als typisch für 
eine Gattung von Malern aus den 
osteuropäischen Ländern, die nach 
dem Vorbild der westlichen Kunst 
arbeiteten und im Kunstzentrum Wien 
der Malerei des Biederrneiers, des 
ausklingenden doktrinären 
Klassizismus und der religiösen 
Romantik nachstrebten. Wesentlicher, 
eigenartiger und wertvoller dagegen 
ist im Werk Avramovics eine Reihe 
von Bildnissen, die, anspruchsloser im 
malerischen Vortrag, in vollem 
Gegensatz zu ienem Eklektizismus mit 
seiner blassen ldealisierung stehen. 
Mit einem gedämpften Realismus ohne 
idealisierende Verschönerung, mit 
einem gerade noch hinreichenden Maß 
an malerischer Form sind diese 
Menschenbilder ausgestattet. Diese 
Bescheidenheit in der Formung wird 
als Bescheidenheit im Sinne 
menschlicher Qualität empfunden und 
ist derart gewiß ein Grenzfall. Es 
kommt darin aber audt etwas von der 
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allgemeinen Haltung rzum Thema 
Mensch im 19. Jahrhundert zum 
Ausdruck. Dieser unprätentiöse 
Realismus, der mitunter auch Züge der 
Volkskunst aufweist, tritt in ienen 
Jahren um die Jahrhundertmitte 
übrigens auch in der Porträtmalerei 
des Westens auf, so in den Bildnissen 
des Hamburgers Friedrich Wasmann 
und des Wieners Midwael Neder. In 
Jugoslawien ist er außer bei 
Avramovic auch nodi in der Malerei 
von Diura Jaksic und Konstantin Danil 
zu finden. Es ist einleuchtend, daß in 
solchen Bildnissen, so wie in analogen 
Fällen in der Malerei Ungarns und 
der Slowakei, auch Merkmale des 
spezifisch Volkstümlichen 
mitsprechen. Bei Avramavic treten 
sie übrigens auch im mehr oder 
weniger gespielten Primitivismus 
seiner lithographierten Karikaturen 
zutage. Es sdieint, daß die Eigenart 
dieser Produkte, soweit es die Malerei 
betrifft, auch in ihren eigenen 
Ländern im Vergleich zur „offiziellen" 
Malerei noch nicht immer richtig 
eingeschätzt wird. Fritz Novotny 
Nicalö Rasma. Michael Facher- 
Verlag G. H. Back, München. und 
Electa Editrice, Mailand. 
Übersetzung von Adelheid von 
Zallinger. 262 Seiten mit 176 
Schwarzweißabbildungen und 
20 Farbtafeln nach Aufnahmen 
von Bruno Balestrini, 
Format 29x26 cm. 
Die neue, 1969 bei Beck erschienene 
Facher-Monographie Nicolö Rasmos 
führt dem Leser die Persönlichkeit 
dieses großen Künstlers des 
15. Jahrhunderts durchaus in einer 
neuen Auffassung vor, wie denn 
dieses Jahrhundert gleichermaßen 
der Epoche der deutschen Spätgotik 
angehört, als auch als italienisches 
Quattrocento die Maßstäbe der 
Kunstbetrachtung bestimmen kann. Es 
war das Anliegen des Autors, das 
Werk Pachers aus dem Bereidi 
nationaler Einordnung zu lösen, um es, 
das in der Literatur vor allem als 
Leistung der deutschen-tirolisctren 
Malerei und Bildschnitzkunst 
erscheint, als ein internationales, im 
direkten Wortsinn zwischennationales 
Phänomen zu zeigen. Wenn auch diese 
Auffassung möglicherweise auf 
Bedenken stoßen könnte, so ist es 
dem Autor doch hoch anzurechnen, 
daß seine Bemühung, den Künstler in 
dieser herausgehobenen historischen 
Situation zu begreifen, zugleidt die 
vollständig verwirklichte Absicht 
bedeutet, seine Schöpfungen als nach 
beiden Seiten hin überragende 
Leistungen darzustellen; das 
Phänomen der Padterschen Kunst 
erscheint demnach sowohl vor den 
nördlichen - deutschen - als auch den 
südlichen - italienischen - 
Zeitgenossen gleichermaßen und bei 
allen Bindungen nach beiden Seiten 
hin als ein besonderer und 
eigenständiger Höhepunkt und 
gleichsam als Knotenpunkt der 
künstlerischen Strömungen. 
Dementsprechend gewinnt in der 
Darstellung Rasmos die Persönlichkeit 
des Meisters an Größe und 
unbedingter, geradezu abgrundweiter 
Überlegenheit über die übrigen 
Künstler densüdtirolisctren 
Kunstlandschaft. 
ln der Auseinandersetzung mit 
italienischen und deutschen und 
niederländischen Vorbildern erscheint 
der Entwidclungsgang des Künstlers 
von Anfang an als der einer starken 
selbständigen Individualität. Rasmo 
setzt an den Anfang des erhaltenen 
Werkes die Grazer Tafeln, die er in 
die zweite Hälfte der fünfziger Jahre 
dotiert. Der Autor erkennt hier den 
Niederschlag der Kenntnisse der 
paduanisdren Werke Filippo Lippis 
und Pizzolos, hiemit eine 
Auseinandersetzung mit toskanischer 
Kunst, die noch vor einem möglichen 
vermittelnden Einfluß Mantegnas 
erfolgt ist. Bei der Analyse dieser 
Werke ist es Rasmo zweifellos 
gelungen, das Verhältnis Pachers zur 
italienischen Kunst in einer 
wesentlidr differenzierteren Weise 
darzulegen, als dies früher betrachtet 
wurde. Der Rezensent möchte aber 
auch nicht verhehlen, daß ihm die so 
frühe Dotierung der Grazer Tafeln 
aus anderen Gründen - vor allem in 
Ansehung der Tracht der 
Dargestellten, der wiedergegebenen 
Harnischteile usw. - nicht frei von 
Bedenken geblieben ist. Überzeugend 
ist die zeitliche Anordung des Altares 
von St. Lorenzen an den Anfang der 
sechziger Jahre; die Schreinfigur der 
thronenden Madonna und die Bilder 
des Marienlebens beweisen deutlich 
den Eindruck, den Multschers 
Sterzinger Altar gemacht hat, 
während die Laurentiusbilder in ihrer 
Bindung an italienische Erfahrungen 
des Meisters wesentlich 
fortschrittlicher wirken. Noch der 
Darlegung des Autors erreicht Facher 
die Einheit von südlicher und 
nördlicher Kunstsprache in seinen 
Houptwerken, die in den siebziger 
Jahren entstanden sind. An deren 
Anfang ist in überzeugender 
Darlegung des Autors der Grieser, an 
deren Ende der St. Wolfganger Altar 
zu datieren, während der 
Kirdienväteraltar - um 1477I1479 
angesetzt - den chronologischen 
Mittelpunkt und den Höhepunkt des 
malerisd1en Schaffens einnimmt. Die 
fortgeschrittene Behandlung des 
Räumlidien im St. Wolfganger Altar 
hat den Autor bewogen, den 
Kirdrenväteraltar noch vor die St. 
Wolfganger Tafeln zu datieren, eine 
durchaus begründete Korrektur der 
herkömmlichen Chronologie. 
Es ist das besondere Anliegen des 
vorliegenden Buches, das schwierige 
Problem der zweifellos vielgliedrigen 
Padier-Werkstatt in genauer 
Untersuchung vor allem des großen 
und in seiner ursprünglichen Gestalt 
erhaltenen St. Wolfganger 
Altarwerkes zu lösen. Hier erweist 
sidr die Kritik Rosmos rigoroser als 
dieienige der früheren Autoren; die 
Zielsetzung der Analyse geht dahin, 
nicht nur die persönliche Bilderfindung 
des Meisters zu klären, sondern 
womöglich auch die eigenhändige 
Pinselarbeit von dem Anteil der 
anderen Werkstattmitglieder zu 
unterscheiden, deren ausführende 
Hand Rasmo nicht nur in den 
Außenflügeln, wie es bis ietzt 
allgemeine Meinung ist, sondern auch 
in einigen der Kompositionen r 
lnnenflügel feststellt. Die mit g 
Schärfe dargelegte Untersudru 
beiden Flügelbilder des ehema 
Salzburger Altares führt Rasmi 
(noch Meinung des Rezensente 
vielleicht etwas zu rigorosen) 
Untersdreidung des vollständig 
eigenhändigen Bildes der Geif 
von dem mit Beteiligung eines 
Mitarbeiters gesdiaffenen Bildi 
Vermählung Mariae. 
Der Autor ist bei der Analyse I 
Leistungen der Padrer-Werksta 
nur zu der reinen Herauslösung 
eigenhändigen Schöpfungen dr 
Schuloberhauptes gelangt, soni 
auch zu einer genaueren Erfas: 
der Eigenart einiger in ihrer 
Ausdrucksweise charakteristiscl 
Mitarbeiter: Sa sind mehrere 
Schöpfungen, die zwar Michae 
sehr nahestehen, ohne doch dir 
feineren Eigenheiten seiner 
persönlichen Handschrift zu ze 
einem hypothetischen (Zuvre d 
Facher zusammengefaßt worde 
eigener Abschnitt des Buches i: 
der Frage des Verhältnisses vi 
Michael und Friedrich Portier, 
Rasmo als einen durchaus infe 
von dem Schulaberhaupt obhär 
Künstler erkennt und dem Meis 
Uttenheim gewidmet, dessen Pr 
in der Erfassung des perspeklii 
konstruierbaren Raumbildes Rc 
bestreitet. Gerade die Problemt 
von der Dotierung der Werke i 
letztgenannten Malers ausgeht, 
dem Autor Gelegenheit zu eine 
ausführlichen Polemik, die miti 
Argumenten geführt wird und r 
der unerwartet scharfen DlktlOi 
yielleicht nicht bedurft hätte. M 
Schwarzweißaufnahmen und 
20 Farbtafeln nadi Aufnahmen 
Bruno Balestrini [Electa Editricr 
der Fantonigrafica, Venedig) is 
Buch sehr gut ausgestattet, so i 
wissenschaftlich fundierte und i 
Ausdrudrsweise klare und gescl 
Darstellung audt entsprechend 
eindrucksvoll dem Leser dargel 
wird. Günthe 
ElNGELANGTE BÜCHER 
Antonio Garcia y Bellido, lber 
Kunst in Spanien, 95 Seiten Tex 
175 Abbildungen, 123 Kunstdrui 
Ganzleinen mit farbigem 
Schutzumschlag. 
Florian Kupferberg-Verlag, Mc 
1971, DM 4a.-. 
Susanne Urbach, Frühniederlän 
Tafelbilder, 30 Seiten Text, 
4B Farbtafeln, Leinen mit farb 
Schutzumschlag. Corvina Verla 
Budapest, 1971.
	        
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