Ä Künstlerprofile Bernard Stefan Lipka
Spiraloide Zellen PH t, 1970,
TemperalAllstift, so x so crn
Spiralaide Zellen, 1969,
AllstiftlTempera, au x so cm
Paranthrogragramm, 1970,
Allstiftffempera, ss x so cm
Zellenmatar, 1969,
Allstiftffempera, ss x so cm
Bernard Stefan Lipka
Zu den Zeichnungen des Künstlers
seit 1969
In zunehmendem Maße versuchen heute Künstler
der verschiedensten Richtungen sich mit dem
Phänomen der Technik auseinanderzusetzen. Dabei
sind es im allgemeinen weniger bestimmte
Apparate oder Anlagen und somit funktionsbe-
dingte technische Äußerlichkeiten als vielmehr
die im soziologischen Konnex interessierende Frage,
inwieweit technische Erfindungen und Erfordernisse
sich zum Vor- oder Nachteil des Menschen
auswirken beziehungsweise in welchem Maße sie
einschließlich ihrer Folgerungen unseren geistigen
Standort und die seelische Situation des einzelnen
bestimmen.
Den 1930 in Polen geborenen, nach dem Studium
der Philosophie an den Universitäten von
München und Innsbruck bei Professor Albert Paris
von Gütersloh an der Akademie der bildenden
Künste in Wien ausgebildeten Maler und Graphiker
Bernard Stefan Lipka beschäftigen diese Probleme
schon seit vielen Jahren. Seine zuletzt 1971 von
der Galleria d'Arte Santo Stefano in Venedig sowie
der Wiener Galerie in der Passage der Ersten
Österreichischen Spor-Casse vorgestellten, mit
weißer Kreide auf schwarzem Naturpapier präzise
gezeichneten Darstellungen spiegeln in ihrer
Gesamtheit die vom Künstler in vielerlei Varianten
einander ergänzender Schaffensabschnitte
durchexerzierte Thematik.
Den Wert und die Originalität dieser Blätter,
denen durchweg ein angemessener Hang zur
Persiflage und bildhaften Selbstironie eigen ist,
machen freilich in erster Linie der formale Ideen-
reichtum und das daraus mit großer zeichnerischer
Konsequenz abgeleitete Bildvokabular aus.
Dieses ergibt einen kleinen, in sich geschlossenen,
doch der ieweils notwendigen Weiterentwicklung
und künstlerischen Neuakzentuierung gegenüber
flexiblen, aufnahmebereiten „Bildkosmas".
Kompakteren Darstellungen, in denen Lipkas
Vorliebe für komplizierte lineare Überschneidungen
und geordnete Details zum Tragen kommt,
stehen - in geringerer Anzahl - stärker reduzierte
Zeichnungen gegenüber, deren hauptsächlicher
Reiz in den geschickt genutzten formalen
Spannungen präzise gesetzter Linien in Verbindung
mit fein schraffierten flächigen Feldern zu sehen ist.
Trotz zahlreicher gegenstandsorientierter
Assoziationen, die verschiedene von Lipka auf-
gegriffene technoide Elemente, wie Drähte,
Lampen, Kreise, Maschinenteile, Schrauben,
Rädchen, Buchsen und dergleichen, auslösen,
interessieren den Künstler iedoch primär die
autonomen zeichnerischen Qualitäten seiner Dar-
stellungen und keineswegs eventuelle äußerliche
Übereinstimmungen mit der Realität. Ähnliches
gilt auch für die Größenverhältnisse in seinen
neuen, zwischen 1969 und 1971 entstandenen
Arbeiten. Sie wurden zumeist mit Allstift und
Tempera auf schwarzem Naturpapier gefertigt.
So zeigen zum Beispiel Lipkas labyrinthartig
angeordnete „Lampenstädte" in ihrer pseudo-
architektonischen Tendenz eine skurrile Ver-
größerung und ein sinnbildhaftes Zitieren des
alltäglichen Gebrauchsgegenstandes. Durch den
neu hergestellten Zusammenhang und die - durch
Phantasie und Neuerfindungen ergänzte - fast
völlige Verfremdung gewinnt dieser iedach an
Eigenleben und Aussage. Bernard Stefan Lipka ist
ein Graphiker, der um die Gefahr zunehmender
Routine weiß und dem daraus eventuell
resultierenden Leerlauf durch immer neu vorge-
nommene Problemstellungen und bildnerische
Lösungsversuche begegnet. Seine spannungsreiche,
eine breite Skala an teilweise sehr subtilen
graphischen Möglichkeiten einschließende
Handschrift garantiert dabei allerdings eine
ausgeprägte persönliche Konstante, in der sich
Haltung und handwerkliches Können in jenem
Maße die Waage halten, das eine verbindliche
Aussage ergibt. Peter Baum