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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVII (1972 / Heft 121)

Gottfried Biedermann 
Studie zur österreichischen 
Glasmalerei 
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Die folgenden Notizen beschäftigen sich mit 
einer Gruppe von Glasgemölden, die ikono- 
graphisch und stilgeschichtlich von besonderer 
Bedeutung für die Geschichte der österreichi- 
schen Glasmalerei und deren Entwicklung um 
1300 sind. Einige kunsthistorische Fragen sind 
von großem Interesse, da die Fachliteratur auf 
sie noch nicht näher einging '. 
F. Kieslinger stellte in seiner Arbeit über die 
„Gotische Glasmalerei in Österreich bis 1450"" 
unter dem Notnamen „Annaberger Meister" ein 
Cfuvre zusammen, das sich in einzelnen Punkten 
als umstritten erweisen wird. Zu diesem CEuvre 
gehören vier Glasgemälde in der Pfarrkirche zu 
Steyr, die auch wir ohne Bedenken einem ein- 
zigen Meister zuschreiben werden können. Kies- 
linger ging nur kurz auf ihre stilistische Zugehö- 
rigkeit ein, ließ aber ikonographische Probleme 
völlig außer acht. 
Die vier Glasgemälde stellen dar: eine Aufer- 
stehung (Abb. 1), eine Himmelfahrt Christi (Ab- 
bildung 2) und zwei Bildnisse (Abb. 4, 5) mit 
der Bezeichnung MFN Agnes und Dux Leopoldus. 
Diesem Konvolut anzuschließen sind Propheten- 
medaillons in der Kapelle der Burg Kreuzenstein 
(Abb. 3). Alle Glasgemölde, der Erhaltungszu- 
stand ist unterschiedlich, zeichnen sich durch 
hohe Qualität aus. Eine endgültige Würdigung 
erfolgt auf Grund der formalen und ikonogra- 
phischen Analyse. 
Der auferstehende Christus (Abb. l) beeindruckt 
durch seine großformatige Konzeption, die im 
allgemeinen für dieses Thema ungewöhnlich ist. 
Es scheint, als handle es sich nicht um eine Dar- 
stellung innerhalb eines Zyklus, sondern um ein 
isoliertes Einzelbild. Christus steht dem Betrachter 
frontal gegenüber und erinnert an romanische 
Christusfiguren, mit denen die Eindringlichkeit 
und Unmittelbarkeit der Aussage gemeinsam 
sindf. Tatsächlich weist die Komposition noch 
konventionelle Prinzipien auf. Die Figur ist einem 
Langpaß eingeschrieben, der sie wie eine Glo- 
riole umgibt. Der Körperf paßt sich dem Lang- 
paß ein. Die Ellbogen stoßen seitlich an und 
versuchen den vorgegebenen Rahmen zu spren- 
gen. Die Hände sind fixiert, die Augen auf den 
Betrachter gerichtet. Dem ganzen Oberkörper 
fehlt Bewegung. lm Gegensatz dazu tastet der 
linke Fuß Christi nach vor und scheint auf den 
Grabdeckel zu treten. Der Moment des Aufer- 
stehens wird noch deutlicher durch das Vor und 
Zurück, die Staffelung der Beine. Das rechte ver- 
harrt im Grab, das linke ist zur Gänze sichtbar. 
Die direkte frontale Stellung, die von beson- 
derem ikonographischem Wert ist, da darin noch 
die hieratische romanische Bildauffassung wirkt, 
hat konstruktive Gründe. Der Langpaß läßt sich 
als Ebene erkennen, die der Figur unterlegt ist, 
welche parallel davor steht. Streng diagonal 
verläuft der Fahnenstab. Die Arme sind in be- 
stimmten Winkeln geknickt. Der Kopf ist einem 
Nimbus eingeschrieben. Es läßt sich nachkon- 
struieren, daß der Mittelpunkt der Radien an der 
Nasenwurzel liegt. Die Proportion der Figur ist 
nach ebenso strengem Maßstab gemessen. lm 
Zusammenhang mit diesen bildkonstruktiven Ele- 
menten sei an die geometrischen Vorzeichnun- 
gen romanischer Wandgemälde verwiesen, die 
den Körper durch präzise Konstruktions- und 
Proportionsvorsdiriften auf das ideale Maß fest- 
legten 5. Auch Villard de Honnecourt legte den 
Figuren Schemata zugrundef. Das erfolgte zwei- 
fellos nicht nur aus technischen Gründen. Wich- 
tig war auch die ikonologische Perfektionierung 
und ldealisierung der Figur. 
Daß das Gesagte nicht nur für die Malerei und 
Zeichnung gilt, zeigen mehrere Beispiele der 
GlasmalereiÄ 
Besondere Eigenarten weist die Bildrohmung 
des Glasgemöldes auf. Als seitliche Begre 
dienen hohe schlanke Fialen, die den Orni 
teppich rechts und links abschließen. Die 
der Rahmung unterscheidet sich wesentlii 
der hochgotischen architektonischen Ra 
mit Arkaden, die oft zu sich verselbständig 
Gebilden formiert werden". Das Fens 
Steyr stellt ein Beispiel der Übergangs 
dar. Die Stelle einer einfachen Ornamentb 
rahmung nimmt eine Fensterrahmung mit 
tektonischen Motiven ein. Der Langpaß 
nimmt die Funktion, die Figur zu umsch 
und gleichzeitig hervorzuheben. 
Eine wichtige Bildfunktion besitzt die Orr 
tik, da sie die Position der dargestellten 
genau beschreibt. An unserem Bild läi 
„Muster auf Grund" ein aus Rauten zusa 
gesetzter Teppich. Der Langpaß scheint l 
aufgelegt. Die Rauten werden mehrmals 
schnitten. Der Langpaß selbst ist mit 
Blattwerk versehen, das als Folie die 
hinterlegt, die wie eine mittelalterliche 
an die Rückwand gebunden und mit it 
wachsen erscheint. Die Figur vermag sicl 
aus ihrer Umgebung zu lösen. Das ist ein 
wesentlichen Charakteristika. 
Subtil ist der Zeichenstil des Glasmalers, c 
Figur Christi und die Wächter mit w 
charakterisierenden Linien versieht und d 
sichter mit markanten Zügen ausstattet. C 
erhält durch das lange wallende Haupthat 
nur kurzen Kinnbart und das ovale Gesii 
überaus jugendliches Aussehen, was in ( 
satz zur strengen Figurenauffassung steh 
prägnant sind die Köpfe der Wötllllt 
zeichnet, die im Ausdruck ein wenig an I 
buchfiguren Villard de Honnecourts erinne 
Die Farbgebung ist sowohl für die stilistisi 
auch ikonographische Beurteilung unseres 
gemäldes von Interesse. Christus ist in 
Mantel aus leuchtendem Rot dargestellt, c 
dominierenden Farbe im Bild wird. Dem 
über tritt das Grün des Rockes neutral 
Das Rot besitzt spezifischen „Eigen"- ade 
bolwert, der auf die Person und das Thei 
zogen ist". Die Farbe steigert den Re 
charakter des Auferstehenden. Die tradit 
Bedeutung des Rot als Symbol der Macht, 
windung des Todes und Rückkehr ins Lebe 
hier nur allzu deutlich. 
Ein Vergleich mit Beispielen mittelalterlich 
lerei im wertvollen Buch von H. Schrade 
die ikonographische Stellung der Steyre 
erstehung klar zutage treten. Nirgends w 
auferstehende Christus so monumenti 
Auch die Größenrelationen zu den Gral 
tern bleiben in anderen Grenzen. Dies- 
toren machen den Auferstehenden in St 
einer sich heraushebenden Figur, der 
Raum noch Zeit wichtig erscheinen. W. Bri 
meint zu Recht, daß der Charakter der 
malerei dem Thema der Auferstehung bes 
entspreche". 
Der Auferstehung unmittelbar anzuschlie 
eine Himmelfahrt in der Pfarrkirche ZL 
(Abb. 2). Die Scheibe ist nur halb so 
Schon im Formalen zeigt dieses GlOSQt 
mit ienem eine große Verwandtschaft. Dt 
melfahrende Christus, langsam emporschw 
ist dem Betrachter frontal zugewandt. Dir 
ist dem langgestreckten Rahmen eingesch 
Er schließt eng an den Körper an, der g: 
der Bildachse ist. Dem konsequenten Bild 
entspricht auch der parallel verlaufende F 
stab. Auch hier übernimmt der Langpi 
Funktion der Figurenrahmung. Für die F 
rahmung finden einfachere Ornamente V 
dung. Zwischen Langpaß und Fensterra 
treten Rauten hervor, die als Teile des
	        
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