bis zum verpackten Relief, zur verpackten Kunst-
halle, der verpackten Küste und dem verhängten
Tal. Die Innovation wird nur geringfügig diffe-
renziert. Was ins Auge springt, ist die stets
gleichbleibende Grundkanzeption bei sich stän-
dig verändernden Dimensionen.
War in den vorhergehenden Überlegungen vorn
Markt als den einzelnen händlerischen Initia-
tiven die Rede, so ist vor allem durch die stei-
gende Anzahl der zentrierten Kunstmärkte die
Diskussion über das Thema „Kunst als Ware"
angeheizt worden. Nachdem in Köln sich der
Verein der progressiven Kunsthändler Deutsch-
lands mit assoziierten europäischen und ameri-
kanischen Galerien niedergelassen hatte, in Ba-
sel alle jene Galerien sich vereinigten, die der
Vorstand der Progressiven als zuwenig pro-
gressiv vorerst, später aus Raumnot ausschloß,
und in Berlin die IBK, die lnteressensgemeinschaft
der Berliner Kunsthändler, ein regionales Pen-
dant zum Verein der Progressiven bildete und
zum Kunstmarkt lud, wächst die Zahl der Messen
und ist eindrucksvolles Symptom für die kam-
merzielle Tüchtigkeit der Händler. War der
Zusammenschluß der progressiven Kunsthändler
Deutschlands, von denen auch die Initiative zur
jährlich stattfindenden avantgardistischen Ver-
kaufsausstellung „Prospect" in Düsseldarfherrührt,
zuerst eine Maßnahme gegen den finanzstarken
amerikanischen Markt, dessen Zentrum New
York ist, so wurde in der Folge auf Grund des
Kunstboams der letzten Jahre der deutsche Kunst-
markt dominierend in Europa. Die Kritik an
den Kunstmärkten führte zu freien Produzenten-
messen, wo sich Miniaturgalerien, Künstler, Druk-
ker etc. einfinden konnten. In Köln fand das
letzte Jahr alles zur selben Zeit statt. Der Kunst-
markt der Progressiven und der von ihnen
assoziierten Galerien, die in Basel bereits zum
Teil vertretenen Galerien in einem eigenen,
räumlich sehr nahe gelegenen Markt, und unter
einem Zeltdach bescheiden die freie Produzenten-
messe. Dieser gigantische Jahrmarkt der Künste,
der das Schlagwort vom Ausverkauf der Kunst
geprägt hatte, bot von billigster Druckgraphik
bis zum exorbitant teuren Einzelstück der klassi-
schen Moderne alles an. Er diente sowohl dem
Prestigeklima einzelner Galerien, die nur wenig
feilboten, sich eher nur aus Public-Relation-Grün-
den einfanden, als auch dem Verkauf an Galeri-
sten, Museumsleute und Käufer, Snobs, die sich
mit dem jeweils Modischen eindecken wollten,
wie denen, die angepriesene Wertsteigerung
lockte.
Der Kunstmarkt mit seinem Prinzip von Angebot
und Nachfrage, das er eng dosiert, ist ein
exemplarisch kapitalistisches Unternehmen. Die
große Prosperität einerseits, andererseits das
Kunstwerk als teurer zweckfreier Prestigegegen-
stand, als Dekorationsgegenstand und Wand-
oktie haben den Handel zur derzeitigen Blüte
gebracht. Mit der Ankündigung, man wolle der
lnflation der Kunstmärkte dadurch begegnen,
daß man eine fachliche Abgrenzung vornimmt,
hat nun die 4. Internationale Frühjahrsmesse in
Berlin sich dieses Jahr vorgenommen, nur „ars
multiplicata", multiplizierte Kunst, vorzustellen.
Ars multiplicata war freilich bereits auf allen
vorhergehenden Märkten reichlich vorhanden.
Die in den letzten Jahren aus dem Boden schie-
ßenden Editionen, die Kunstvereine mit ihren
Jahresgaben, die Galerien mit diversen Mappen
und Einzelblättern haben für eine gigantische
Verbreiterung und Vergrößerung des Marktes
gesorgt. Das Angebot reicht von Objekten mit
wenigen Kopien bis zur Auflage serigraphischer
Blätter, die in die Tausende geht.
„Ars multiplicato" gibt sich demokratisch. Das
heißt, der im Verhältnis zum Original, das da-
32
neben nach existiert, niedrige Preis erlaube
auch dem Kunstinteressenten mit kleinerem Ein-
kommen den Erwerb einer solchen Arbeit. Kunst-
interesse und Bedürfnis des Erwerbs werden da-
bei gleichgesetzt. Dabei sollte hier gleich er-
wähnt werden, daß bei Auflagenobjekten aber
auch generell bei aller Graphik sich die Her-
stellungskosten verringern und die Gewinnspan-
nen erhöhen. Das Risiko des Verkäufers ist im
Verhältnis zum Unikat viel geringer. Die stei-
genden Auflagenhähen suggerieren eine soziale
Einstellung, verbergen aber nichts anderes als
das Bedürfnis des Handels nach Profitsteigerung,
die Bedürfnisse des kleinen Sammlers nach der
(wie im philatelistischen Sinne zu verstehenden)
Kunstaktie, deren Wert gemäß ihrer ieweiligen
Seltenheit, Zirkulation etc. vom Markt bestimmt
wird. Die meisten Apologeten der Graphik, die
in ihr eine Popularisierung der Kunst bei gleich-
bleibendem Kunstwert sehen, bedienen sich da-
bei der Ausführungen, die Walter Beniamin in
der vielzitierten Schrift „Das Kunstwerk im Zeit-
alter seiner technischen Reproduzierbarkeit" nie-
dergelegt hatte. „Das reproduzierte Kunstwerk",
schreibt Beniamin, „wird in immer steigendem
Maße die Reproduktion eines auf Reproduzier-
barkeit angelegten Kunstwerks". Er unterscheidet
dabei zwischen der Reproduzierbarkeit als einer
von außen sich einfindenden Bedingung ihrer
massenweisen Verbreitung und der Reprodu-
zierbarkeit als unmittelbar in der Technik der
Produktion begründet. Letzteres treffe auf den
Film, den Benjamin als zukünftige Kunst begrüßt,
ersteres auf die Werke der Literatur und der
Malerei zu. Für die Rezeption van Kunst-
werken ergibt sich, daß in besonderem Maße die
in der Technik der Produktion begründete Re-
produzierbarkeit den Kultwert des Kunstwerks
zugunsten des Ausstellungswertes verdrängt.
Benjamin hat den Begriff der „Aura" untersucht.
Die Originale wären demgemäß im Gegensatz
zu den Multiples, den Graphiken, in den Augen
ihrer sozialisierenden Interpreten Fetische jener
„Authentizität", die mit der „Säkularisierung der
Kunst an die Stelle des Kultwerts" tritt. Es ist
nun die Frage, ob die Graphik, ob die „ars
multiplicata", die heute so vielfältig gesammelt
wird, tatsächlich die Aura zertrümmert, ab sie
den tradierten Kunstbegriff in Frage stellt oder
ob sie nicht ganz bewußt, vom Markt lanciert, in
der Hierarchie einer genau kalkulierten Ordnung
vom unikaten Original bis zum signierten nume-
rierten Auflagendruck rangiert. Außerdem ist,
wie Adorne zu Recht feststellt, „nicht nur das
Jetzt und Hier des Kunstwerkes dessen Aura,
sondern was immer daran über seine Gegeben-
heit hinausweist, sein Gehalt; man kann nicht ihn
abschaffen und die Kunst wollen Der ,Aus-
stellungswert', der da den auratischen ,Kult-
wert' ersetzen soll, ist eine Imago des Tausch-
prozesses. Diesem ist Kunst, die dem Ausstel-
lungswert nachhängt, zu Willen. . ."
In der graphischen Produktion wird die Aura
des Kunstwerks nach wie vor, wenn auch in
vermindertem Umfang, aufrechterhalten. Wenn
Beniamin bemerkt, „. .. bei der höchst vollende-
ten Reproduktion fällt eines aus: das Hier und
Jetzt des Kunstwerks - sein einmaliges Dasein
an dem Orte, an dem es sich befindet", so wird
auch in der Graphik oder beim Multiple durch
die Signatur die Aura eines „Pseudooriginals"
suggeriert.
Wie Karl Gerstner, der Mitinitiator der Edition
MAT (: Multiplication d'Art Tronsformable), wo
zum erstenmal der Begriff „Multiplication" auf-
tauchte, zu Recht feststellt, wird die „Originalität
in soviele Teile wie die Auflagenhöhe zersplittert.
Wenn er das Blatt 3IlI00 hat, sichert ihm die
Unterschrift des Künstlers ein lllOOsteI Anteil
Originalität zu." Die Vorstellung vom Anti
Original wird hier durch die Unterschrift
chert, der Anteil durch die quantitative AL
terung angegeben. Die Unterschrift sugg
beinahe selbst in ihrem subjektiven Au
bildfähig geworden, die Aura des Augenbl"
dem das Werk, so anonym und wenig
schriftlich es sich in seiner Substanz auch
mag, entstanden, beziehungsweise in seini
thentizitöt vom Künstler bestätigt wurde. D
terschrift und ihre vorgestellte Endlichkei
die Einschränkung durch Angabe der ge
Auflagenhöhe suggerieren Partizipation ai
ginal. Freilich muß der Käufer immer ein
lieren, daß ein reproduziertes Original ei
derspruch in sich selbst ist, ja daß das Or
denken für unzählige Bereiche der heutige
der aktuellsten Kunst nicht mehr adequat i:
darüber hinaus er eigentlich nicht Privat
tümer werden muß, um (mitlzubesitzen.
min übersah, doß die Museen, heute au
öffentlichen Kunsthallen Gemeinbesitz alle
entscheidende Gegenargument gegen ein:
seiner Theorie von dem Verlust der ,
darstellen, daß der sozialisierende Trend
Streuung des Kunstbesitzes, der die durc
Preis erfolgende Selektionierung der B
von Originalen ablösen sollte, eminent N
näre Elemente enthält. Wenn festgestellt
daß Kunst unter Ausschluß der Offentl
stattfindet, dann kann nicht die Alternatii
Original und Reproduktion das entsche
Kriterium für eine größere Veröffentlidwun
Diese Antwort findet lediglich der Marl
notgedrungenermaßen der vom Markt
Unterhalt beziehende Künstler. Die Mull
tion wird vom Markt gelenkt. Es werd
Falle der Op-art zumeist nicht die innoi
Originale multipliziert, sondern in der
festgelegten Hierarchie muß der Druck
Sekundäres, das Multiple (und das ist nii
eine Preisfrage) etwas Damestiziertes VI
Denn, was hier so verschämt vom Markt l
zialisierung ausgegeben wird, ist nichts a
als ein eminent kapitalistisches Unternehmi
Graphikbörse arbeitet mit der Korresp(
qualitativer und preislicher Hierarchie. Un
die heutigen Produktionsbedingungen, „c
samte technisdwe Basis der Produktion I
ihren Veränderungen entwickelt sich unter
zeitiger Kontinuität von Herrschaft, ja so;
stigung von Herrschaft" (M. Scharang).
Wenn Benjamin meint, das geschichtlich
sei die Möglichkeit zur technischen Repro
barkeit des Kunstwerks, welche den traditii
Begriff „von Kunst radikal verändere",
dies sicher in bezug auf die zukünftigen I
Film und Photographie hin konzipiert Vt
Die Aufgabe der Reproduktion ist bei di
schiedenen Künsten verschieden. Musik, Hl
Theater sind trotz vorhandener Partitui
real, ohne reproduziert zu werden. Sie
ren nur in der Aufführung. Für die bi
Kunst muß zwischen Reproduktion nacl
Kunstwerk (Reproduktion, Photographie
farbendruck, Faksimiledruck, der heute sel
Peinture durch verschiedene Lagen von
imitieren kann) und „ars multiplicata"
schieden werden. Die technische Reproduz
keit der Originale und die technische Proi
unterscheiden sich. Gert van der Osten
scheidet zwischen „Reproduktion nach den
werk" und „Reproduktion vor dem Kuns
Die Produktion einer von allem Anfang
Multiplikation angelegten Arbeit unters
sich von einer durch Signatur geadelten
duktion. In vielen Fällen wird in der G
mag man sich auch verschiedener Tei
wie Lithographie, Radierung oder Sie