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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVII (1972 / Heft 121)

Kunstmarkt 
Ein Wiener Spaziergänger auf Madison 
i Die New Yorker Madison Avenue und die 57. Straße 
AG,   R Avenue und La Cienega Boulevard 
wirkten in den fünfziger und frühen sechziger 
Jahren fast europäisch durch die Geschäfte 
zahlreicher eingewanderter Kunsthändler aus Mittel- 
' ' " europa. Wie andere Völker darf sich auch Österreich 
Antlqu ltaten rühmen, daß New York die zweitgrößte Stadt der 
Nation ist, wenn man diese große - meist 
Ku n 5th a n d el ungewollt dort eingewanderte - altösterreichisctie 
Kolonie so interpretieren mödite. 
ln den letzten Jahren hat sich dieses Bild durch 
den natürlichen Abgang vieler dieser in Mittel- 
europa geborenen und dort tief verwurzelten 
Existenzen allerdings etwas gewandelt. Die 
Madison, eine der d-iarmantesten Geschäftsstraßen 
Wl E N der Welt, ist amerikanischer geworden. Dies 
keineswegs zu ihrem Nachteil. Ein modernes 
1 _, Singerstraße 20 Museum und zahlreiche neue Galerien moderner 
Kunst machen sie zur Hauptstraße der Kunst 
Telefon    und  Amerikas. Doch ein verwehtes Flair ist zurück- 
geblieben. Eine Synthese von Weltkultur liegt über 
dieser langen Reihe von Geschäften, kleinen 
Restaurants und Galerien. Der Reisende aus 
Mitteleuropa ist immer wieder berührt, wenn er auf 
die Spuren ältester Wiener Kunsthandelsfamilien 
trifft. 
Wie ein imaginäres, leicht verstaubtes Gesdiäft in 
einer Gasse der Wiener Innenstadt wirkt ein 
Laden, der den ehrwürdigen Namen des einst 
wohlrenammierten Wiener Kunstauktionshauses 
[Ü P E m  G A. m E E} H E Glückselig führt (Madison Nr. B70). In einer 
spitzweghaften Atmosphäre stehen Altwiener 
Porzellane und Miniaturen, deutsche Bilder und 
IM H O F-  l   N G H O F Zeichnungen, oft nur Fragmente, in gemütlichem 
Durcheinander. Der Inhaber, Herr F. Glückselig, 
wird dem Besucher gleich seine Gedichte vorlesen, 
die er unter dem Pseudonym „Bergamo" schreibt. 
Geschäfte interessieren ihn weniger, wovon er lebt, 
Erlesene bleibt unklar. Ein Entrückter, wirklich „glückseliger" 
Ra u m ku nst Hundert Meter weiter „uptown" zum großen 
Auktionshaus Parke-Bernet hin, hält der Schritt 
wieder vor einem größeren Geschäft mit zahl- 
reichen Obiekten aus Mitteleuropa, meist Kunst- 
gewerbe. Es heißt Collectors Corner und wird 
von den Brüdern Maximilian und Ernst Löwy aus 
Wien geführt (Madison 958). 
Wer ausdauernd den Markt erkundet, findet diese 
Händler aus Wien, Prag oder Frankfurt auch in 
W] E N anderen Straßenzügen Manhattans, vor allem auf 
der 57. Straße. Dort hat der bedeutendste Vertreter 
 
__ _ dieser Generation, Leopold Blumka, in einer Etage 
1 ß- Fuhrlchgasse  Telefon  seine international bekannte Galerie. Mit Stolz und 
Dlgüßsgmäfäfgh Liebe zeigt er ein altes Fato der väterlichen Wiener 
Kunsthandlung am Lugedr. Er vertritt mit 
Konsequenz und großem Erfolg die alte Wiener 
Sammlertradition der Generation Baron Figdors. 
Eine mit großer Energie und Erfahrung stets neu 
erkämpfte Leistung, die - fern von der weiter- 
fließenden lokalen Wiener Entwicklung - 
. . wie ein Kraftakt anmutet. 
Mag es in New Yorks Atmosphäre - inmitten einer 
   großen Zahl von Landsleuten - nach irgendwie 
möglich sein, diese historische Kultur des alten 
Kunsthandels weiterzuführen, so berühren diese 
M A R  R  A S C H W E R E R Versuche der Beharrung in anderen amerikanischen 
Großstädten in ihrer Isolierung noch viel stärker. 
In der endlosen Linie der breiten La Cienega Road 
in Los Angeles, der sonnigen Kunststraße 
 M aierel Kaliforniens, steht das urmünctinerische 
Antiquitötengeschäft Walter Lömmles (735 N. La 
des 19 ' u nd 2  Cienega). Es ist klar, daß mit einer solchen Note 
Ja hrh under-ts dort nur wenig umgesetzt werden kann und daß für 
ein solches Milieu kaum Obiekte nadizuschaffen 
sind. Dennoch gibt es nicht einen Gegenstand, der 
nicht in einem anständigen Alt-Münchener Laden 
der dreißiger Jahre hätte stehen können. Im 
Privathaus des Besitzers beherrscht das große 
Wl E N Porträt Vater Lämmles den Wohnraum. Es zeigt den 
einst hoch eschätzten Münchener in schwarzem 
1.. Opernring 17, Telefon   Habit, mitgweißem Bart, in der Rechten stolz 
seinen größten Schal": weisend: eine Bronzestatuette 
des Pankraz Lobenwolf um 1520. (In schweren Zeiten 
hatte sie die Familie verloren, bis ein Münchener 
Museumsmann nach dem Kriege sich vor dem 
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