Anhang:
Curt Holter, zur Buchmalerei
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Albin Rohrmoser
Spätgotik in Salzburg -
die Malerei
„Es ist selten etwas ganz Schlechtes, aber auch
nie etwas epochemachend Gutes gemalt wor-
den im spätmittelalterlichen Salzburg..." be-
hauptet Robert Stiassny' in seiner Besprechung
der ersten umfassenden Biographie einer alt-
deutschen Malerschule in Salzburg von Otto
Fischeri. Der „anziehenden, aber kleinen Seele
der Salzburger Malerei" mit ihren „Produkten
einer halb bäuerlichen Volkskunstuhatte Stiassny
wenige Jahre zuvor einen ausführlichen und für
Fischers Buch grundlegenden Artikel gewidmet,
in dem es von eben diesen „Produkten" heißt:
„Die Frühgotikt hatte eine Reihe von glänzen-
den Schöpfungen hervorgebracht, deren ideale
Anmut und zarte Vollendung man . . . als ,alt-
kölnisch' rühmen härte"5. Fischers „Entgeg-
nung" brachte den Höhepunkt einer scharfen
und von persönlichen Bezügen beileibe nicht
immer freien Polemik, die die erste Phase einer
grundlegenden Erforschung der spätgotischen
Malerei Salzburgs begleitete. Stiassnys Verdienst
ist es, für eine Erforschung der altsalzburgischen
Malerei die Fundamente gelegt zu haben, wozu
ihm die vorangegangene Forschung nicht mehr
als Anhaltspunkte zur Verfügung stellen kannte.
Mit seinem als Dissertation entstandenen Buch
hat Otto Fischer der Salzburger Malerschule ie-
nen Umfang und iene Gestalt gegeben, die sie
in den wesentlichen Zügen bis heute beibehalten
hat. An wenigen Stellen nur ist es zu einschnei-
denden Veränderungen in der Grenzziehung ge-
kommen. Der späteren Forschung blieb vielfach
nur mehr eine bessere Differenzierung und die
schärfere Fassung einzelner Probleme vorbehal-
ten. Dem bereits von Fischer vorgestellten Mate-
rial konnte nur mehr weniges hinzugefügt wer-
den. Dies gilt nicht nur für die ersten Jahrzehnte
des l5. Jahrhunderts und für die Zeit zwischen
Konrad Laib und Rueland Frueauf d. Ä., sondern
ganz besonders für die Zeit des frühen 16. Jahr-
hunderts, dessen Material seit Otto Fischer kei-
ner durchgehenden Neubearbeitung unterzogen
wurde. Otto Pächt' verdanken wir eine präzise
Untersuchung und Herausstellung der Lokalkon-
stanten uncl ihrer verschiedenen Ausprägungen
im Verlaufe der Entwicklung des 15. Jahrhun-
derts. Der dieser Arbeit angeschlossene Katalog-
teil enthält eine Reihe neuer, der Salzburger
Schule zugewiesener Arbeiten. L. von Baldass,
der wie O. Benesch, E. Buchner, O. Fischer und
W. Suida mit Aufsätzen zur Erforschung der
Salzburger Malerei der Gotik beitrug, geht in
seinem Buch „Konrad Laib und die beiden Rue-
land Frueauf" auf die von außen einwirken-
den Kräfte ein. Die vorläufig letzte Darstellung
der Entwicklung der Salzburger Malerschule gab
Alfred Stange". Hinweise auf die parallele Ent-
wicklung in der Buchmalerei gab es schon vor
ihm, hier aber ist sie in größerem Umfang mit
herangezogen. Eine Verbindung zur nur spora-
disch faßbaren Freskomalerei wird aufgezeigt.
Die zumindest für die Frühzeit vorhandene Pro-
duktion an Glasmalerei fehlt hier ebenso wie in
den vorangehenden Gesamtdarstellungen der
Salzburger Malerei der Gotik.
Bis heute wurde noch nie der Versuch unternom-
men, die Salzburger Malerei des '15. und frühen
"I6. Jahrhunderts in einer dem Stand der wissen-
schaftlichen Forschung angemessenen Ausstel-
lung zu zeigen, die dem Fachgelehrten die Mög-
lichkeit des unmittelbaren Vergleiches sowie An-
regungen zu weiteren Untersuchungen und zur
Diskussion geboten, dem Laien einen Überblick
über Produktion und Problemlage dieses Gebie-
tes verschafft hötte. Wenn sich nun das Salz-
burger Museum Carolino Augusteum dieser Auf-
gabe unterzieht, so muß man sich dabei voll-
kommen klar darüber sein, daß eine der wissen-
schaftlichen Akzentsetzung genau folgende Aus-
stellung nicht möglich sein kann. Den Grund hie-
für bildet der schlechte Erhaltungszustand man-
cher Kunstwerke, der einen längeren Transport
und Klimawechsel nicht ratsam erscheinen lößt,
zum geringsten Teil mangelndes Verständnis und
Entgegenkommen seitens der Leihgeber. Die
Spontaneität, mit der sich zahlreiche Leihgeber
von privater wie auch öffentlicher Seite in den
Dienst der Sache stellten, hat alle Erwartungen
übertroffen.
So können die Anfänge der Salzburger Malerei
in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts
fast lückenlos dargestellt werden. Die von Stange
unter dem Titel „italianisierende Werkstätten"
zusammengefaßten Meister sind durch ihre Haupt-
werke, den sogenannten Streichenkasten, den
Weildorfer Altar aus Freising und eine Reihe
von einzelnen Tafeln, hervorragend vertreten.
Aus restauratorischen Gründen fehlt allerdings
das imposanteste Werk der Frühzeit der Salz-
burger Tafelmalerei, die Altmühldorfer Kreuzi-
gungstafel. Einen bescheidenen Abglanz davon
gibt das Fragment einer erst iüngst in Metten-
heim (Kreis Mühldorf) aufgefundenen und bisher
unpublizierten Predellentafel". Stanges „Werk-
statten böhmischer Richtung" können so gut wie
lückenlos mit der auf uns gekommenen Produk-
tion gezeigt werden. Der „Meister der Diptychen"
ist mit dem qualitätvollen Diptychon aus Stams
und anderen Arbeiten dieser „kleinmeisterlichen
Klosterwerkstätte" vertreten, sein Umkreis mit
einem Kreuzigungstäfelchen aus der National
Gallery in Dublin. Den Stil des bedeutendsten
Meisters dieser von der böhmischen Malerei be-
einflußten Richtung zeigt als wichtigstes Haupt-
werk der Rauchenbergische Votivaltar, der aus
der Salzburger Franziskanerkirche in das Kleri-
kalseminar zu Freising gelangt ist. Bindeglied
zur gleichzeitigen Produktion der Salzburger
Glasmalerei ist ein dreifiguriges Kreuzigungs-
täfelchen mit der Figur eines vornehmen Stif-
ters". Die Glasmalerei selbst ist mit einem Fen-
ster aus St. Leonhard bei Tamsweg und einer
Reihe von kleineren Scheiben hervorragend ver-
treten, die ebenfalls stark von dieser Richtung
der Tafelmalerei abhängige Buchmalerei mit der
„Schondoch-Handschrift" der Österreichischen
Nationalbibliothek. Die Meister des Pfarrwerfe-
ner Altares, des Halleiner Altares und der Lau-
fener Kreuztragung hat Stange zu einer Gruppe
zusammengefaßt, die - wie der Pfarrwerfener
Meister -, „Altes und Neues in ungewöhnlicher
Weise verbindend, den Stil der Jahrhundertmitte
vorbereitet" haben (Stange). Die drei Meister
sind mit ihren namengebenden Werken vertre-
ten. Die Stilbildung des Laufener Meisters wäh-
rend der Spätphase des „Weichen Stils" zeigt
die Kreuzauffindung im Besitz der Landesgalerie
Joanneum, seinen Spätstil, der bereits unter dem
Einfluß Konrad Laibs steht, ein Kreuzigungs-
fragment, das mit 1464 datiert ist. Ein dem Hal-
leiner Meister nahestehendes, bisher als tirolisch
oder oberrheinisch bezeichnetes Triptychon des
Museums in Genf soll zur Diskussion gestellt
werden". Ebenfalls zur Diskussion steht die von
Baldass" der Salzburger Malerei zugewiesene
Barbaratafel im Besitz der Österreichischen Gale-
rie. Ein Täfelchen der staatlichen Kunsthalle
Karlsruhe scheirrt von derselben Hand zu stam-
men.
Der „bedeutendste alpenlöndische Maler um die
Jahrhundertmitte"" Konrad Laib ist zugleich
der erste bedeutende Maler Salzburgs, der