MAK

Volltext: Alte und Moderne Kunst XVII (1972 / Heft 122)

8 
Heschler (1611-1667) wieder bekannt gewor- 
den "Ä Zu seinem Kreis gehörten zeitweise Mel- 
chior Barthel und Hans Ulrich Hurter; auch 
zwei Söhne waren Bildhauer. Schon im späten 
17. Jahrhundert sind Arbeiten Heschlers, wie das 
Kreuzabnahmerelief im Natianolmuseum Kopen- 
hagen, Petel zugeschrieben worden 7". lm Kata- 
log von Rudolf Berliner fehlt der Name Heschler; 
heute lassen sich ihm und der Ulmer Stilgruppe 
elf Elfenbeinbildwerke der Münchner Sammlung 
zuweisen 2'. Die Scheidung der einzelnen Anteile 
dieser Ulmer Werkstattgruppe ist noch pro- 
blematisch, die ungleichmäßige Qualität offen- 
kundig. Anregungen der auf Petel zurückge- 
henden Traditian und der gleichzeitigen flämi- 
schen Plastik werden aufgenommen, graphische 
Kompositionsvorlagen benutzt. Zum Besten ge- 
hört die wohl um 1660 entstandene Gruppe 
„Pluto raubt Proserpina" (Abb. 7). Die räumliche 
Verschränkung der Körper, die sich erst in 
wechselnden Ansichten erschließt, ist vergleich- 
bar mit der Elfenbeingruppe „Simson erschlägt 
einen Philister" im Schloßmuseum Schwerin, die 
Heschlers Monogramm DH trägt u. 
Weitere süddeutsche Bildhauer des mittleren 
17. Jahrhunderts sind mit einzelnen Bildwerken 
vertreten. Elisabeth Grünenwald schrieb dem 
in Schwäbisch Hall tätigen Leonhard Kern (1585 
bis 1662) die Statuette einer Caritas zu"; Kern 
und seiner Werkstatt darf wohl auch die „Ba- 
dende Venus" gegeben werden". Als Arbeiten 
des 1662-1681 in Augsburg nachweisbaren Bild- 
hauers und Goldschmiedes Bernhard Strauß 
erkannte Ch. Theuerkautf die wohl zu einer 
Gruppe des Parisurteils gehörenden Statuetten 
der Minerva und Juno, die R. Berliner Matthias 
Rauchmiller zuaewiesen hatte 15. Aus der Münch- 
6 
ner Kunstkammer stammt ein Altärchen (Abb. 9), 
von dessen Elfenbeindekor das lebhaft bewegte 
Mittelrelief der Madonna mit Engeln künst- 
lerisch und auch ikonographisch - das Christ- 
kind trägt das Zepter - bemerkenswert er- 
scheint". Erich Herzog hat es überzeugend in 
das CEuvre des 1665-1674 in Wien tätigen 
„Hof-Painstechers" Johann Caspar Schenck, 
eines Gliedes der in Mindelheim und Konstanz 
ansässigen Bildhauerfamilie, eingeordnet". Auf 
den aus Grins bei Landeck in Tirol gebürtigen 
Bildhauer Jakob Auer (1645-1706) werden 
die Monogramme „lA" (ligiert) der „24 No- 
vembris 96" (z 1696) datierten Schnitzgruppe 
„Sieg der Engel über Teufel" und „l. A." der 
Gruppe „Nessus entführt Deianira" (Abb. 10) 
bezogen". Während der aus Kloster Neustift 
bei Brixen stammende Teufelssturz, an den sich 
eine Reihe ähnlicher Bildwerke anschließen läßt, 
im Figuralen volkstümlich-alpenländischen Cha- 
rakter zeigt, setzt die Stilbindung der Raptus- 
gruppe die Kenntnis von Elfenbeinbildwerken 
des Matthias Steinl voraus; ein individueller 
Stil- und Qualitätswandel vom einen zum an- 
deren Stück ist schwerlich vorstellbar. Von dem 
Stamser Stiftsbildhauer Andreas Thamasch (1639 
bis 1697) war bisher keine Arbeit in Elfenbein 
bekannt". Ein virtuos geschnitzter Elfenbein- 
kruzifixus (Abb. 8) stimmt mit dem Christus der 
Kreuzgruppe von 1691 in der Klosterkirche Stams 
in der Komposition wie in den Einzelformen so 
eng überein, daß trotz des verschiedenen Ma- 
terials eine Zuschreibung an Thamasch nahe- 
liegt". 1693 macht sich in Straubing der Bild- 
hauer Hanns Georg Fux (1661-1706) aus Ster- 
zing ansässig; die Kenntnis seiner Arbeiten 
in Elfenbein und Holz verdanken wir den Far- 
8 Andreas Thamasch, Kruzitixus. Stanis, um 1690. 
H 48,1 cm 
9 Hausaltärchen, München, um 1670, mit Madon- 
nenrelief von Johann Caspcir Schenck. H 16,5 crn, 
B 8,4 cm 
10 Jakob Auer (Tirol), Nessus entführt Deianira. 
Anfang 1B. Jahrhundert. H 40,7 cm 
Anmerkungen 19-30 
"A Schadler, Der Ulmer Bildhauer und Elfenbein- 
schnitler David Heschler (1611-1667). ln: Studien zur 
GSSÜHKNB der europäischen Plastik, Festschntt Theodor 
Müller, München 1965, S. 293 tf. - Ch. Theuerkauff, A 
Nute an the uirri Sculptor, Düvid Heschler. ini Apollo, 
Oktober 1967, S. 288 ff. 
i" Petel-Katalog, 1964, Nr. 79. - Ch. Theuerkautf, a. a. O. 
(Anm. 19), S. 292. 
1' Kat. Berliner, Nr. 151 („Deutschland Q. Viertel bis Mitte 
des 17. Jaiiriiri), Nr. 141 („Nwzderlande [z]. Um 
14,25"), Nr. 105-109 („Süddeutschland Ffdftketl (NÜrrt- 
berg]. M1tte des 17. JOllrh."); Nr. 2:15 („Deutsch- 
land. Letztes Viertel des 17 Jahrlt."), Nr. 465 )„Anranid 
LEOIH. Anfang 1a. Jahrh."). 
i? cii. Tiiaiierkaiiri, a. a. o. (Anrri 19), 200 f 
"Kat Berliner, Nr. 195 („Suddeutschland [Franken]. 
Mitte bis a. Viertel des 17. ianrtiß), - E. Grünen- 
wald, Leanhard Kern, srbwabirrii Hall 1969, s.42,1a1.70 
1' Kat der r, Nr. 286 luwüitrschemlich Italien. 2. Hälfte 
17. Jüttril. . 
"Kat. Berliner, Nr. 210, 211. - E. w. araiiri - Troppau, 
Matthias Rauchmiller. In: Oberrheiriische Kunst x, 
1940, s. 100. - cii. Theuerkauff, stud1eh zur Elfenbein- 
plastik des Barocks, Matthias Rüudtmiller und lgnaz 
Elhafen. ÜISS. Freiburg 1964, s. 49, 512. - Barock ain 
  
Bodensee, Ausstellungskat, Bregenv 1964, Nr. 150, 
151. - Augsburger Barock, Ausstellungskat, Augsburg 
19519, Nr. 95, 96. 
14 Kat. Berliner, Nr. 21a. 
11 E. Herzog, Kabinettstiicke Christoph Daniel Schencks 
und seines Kreises. In: Das MUHStBI 9, 195a, s. 9a. 
1' Kai. Berliner, Nr. 440, 441. - 2 v pltlllppOvlttt, 
siiiiari Trager iirid andere Elfenbemkünstler aus Tirol, 
sCltleftt-Stitflftäft Nr. 215, Innsbruck 1951, s. 22 ii. - 
Ch. Tlleuefküu", a. a. o. iAnin. 251, s. 50, 251, Anm 
202, 313, Kat. x11. - An dle NeSSus-Deianira-Gruppe 
schließt R. Berliner m1t Recht e1ne Herkulesstatuette 
(Kat. 442) an. 
"1-1. Hammer, Der Stamser Stiftsbildhauer Andreas Tria- 
masch (1529-1497). ln. Wiener iaiirbiirn für Kunstge- 
SChtChtE, xiiixiii, 1949, s. 7 rr. 
1" Kat. Berliner, Nr. 282 („Frankreiclit Z Halfte des 
17. Jahrh."), - Hammer, a a. O (Anm. 29), S. 9. - 
Mit den Arbeiten Thamaschs lur Kloster Kaisheirn 
scheint ein Holzkruzifixus im ehern Festsaal des Klosters 
Heilig-KIEL)! in Donauworth zu stehen, der eine ann- 
liche Komposition m91 101d Kunstdenkmaler von Bayern, 
Schwaben 111, A. Harn, Landkreis Donauwbrtti, München 
1951, s. 14a, Abb. 100).
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.